Zwischen den Welten

Hersteller sind optimistisch

Unbeirrt von der technischen Komplexität von Voice-over-IP, den nicht vollständig definierten Standards, den hohen Terminalpreisen (ein LAN-Telefon kostet rund 1000 Mark) und den eingeschränkten Teilnehmerzahlen preisen die Hersteller VoIP als Zukunftslösung an. Die bisherigen Markterfolge nehmen sich jedoch sehr bescheiden aus: Bisher hat sich noch kaum ein Anwender dafür entschieden, seine vertrauten TK-Anlagen durch eine reine IP-Lösung zu ersetzen. Die Empfehlung kann deshalb heute nur lauten: IP-Telefonie ja - aber man sollte sie zunächst in einem geschlossenen Bereich erproben, wo an die Verfügbarkeit und Qualität keine allzu großen Ansprüche gestellt werden.

Die Hersteller dieser Anlagen setzen unbeirrt darauf, dass VoIP auch im innerbetrieblichen Einsatz ein kommerzieller Erfolg wird, und investieren in großem Stil in Entwicklung, Herstellung und Vermarktung entsprechender Anlagen. So hat die 3Com Corporation erst kürzlich zehn Millionen Dollar für den Ausbau ihres Forschungs- und Entwicklungs-Zentrums im schottischen Edinburgh ausgegeben. Das neue "European Voice Integration Design Centre" ist für die Entwicklung von 3Coms VoIP-Kommunikationssystem "NBX 100" und die entsprechenden mehrsprachigen europäischen Versionen des Business-Telefonie-Systems der nächsten Generation zuständig.

Cisco bietet mit dem "Callmanager" eine zentrale Komponente für die integrierte Telefonielösung an, mit welcher sich Router der 2600-Familie um die Sprachfunktionalität erweitern lassen. Außerdem hat der Hersteller unter dem Namen "AVVID" (Architecture for Voice, Video and Integrated Data) eine umfassende Architektur für die Sprach-/ Datenkonvergenz definiert.

Alcatel hat das Sprachsystem "Omnioffice" für kleine und mittelständische Anwenderbetriebe auf den Markt gebracht. Dieses unterstützt die Konvergenz von Sprache und Daten. Omnioffice ist Bestandteil der neu eingeführten Sprach-, Daten- und Anwendungspakete "Omnisolutions for Enterprise". Es basiert auf der Nebenstellenanlage "Alcatel Office PBX" und wird jetzt um die Call-Center- und zwei IP-Telefonie-Funktionen erweitert: "Reflexes" und "IP Link VoIP". Mit "Omni PCX 4400" steht Geschäftskunden eine IP-gestützte Sprachkommunikationsplattform zur Verfügung, mit der sich bestehende Systeme stufenlos erweitern lassen.

Siemens bündelt die Multimedia-Kommunikationslösungen für Endkunden in dem IP-Kommunikationssystem "Hinet". Mit der neuen Version 2.1 ist die Hinet-Kommunikationsplattform erstmals mit offenen Programmierschnittstellen ausgestattet, die in weiteren Entwicklungsschritten zur Offenlegung von Schnittstellen wie TAPI, JTAPI und CSTA führt. Die Hinet RC 3000 bietet neben der nahtlosen Integration in Datennetze bereits wesentliche Sprachleistungsmerkmale, wie sie aus der vertrauten Telefonwelt bekannt sind. Siemens setzt auf die H.323-Technik des israelischen Herstellers Radvision und hat im Rahmen dieser strategischen Allianz auch 1,6 Millionen Radvision-Aktien erworben. Die Aussichten für eine kurzfristige Konvergenzlösung basierend auf internationalen Standards stehen gut. Die mit H.323 begonnene Integration von Sprache in IP-Netze wird nämlich jetzt durch eine massive Unterstützung der Standardisierungsgremien ETSI und ITU-T zügig vorangetrieben. Ziel ist die Harmonisierung von H.323 und SIP. Im Rahmen des ETSI Projektes "Tiphon" (Telecommunications and Internet Protocol Harmonization over Networks) wurden jetzt gemeinsam mit der IMTC (International Multimedia Teleconferencing Association) die Aktivitäten "Inow" (Interoperability Now) und "Ahit" (Applications on Harmonized Interoperable IP Telephony) gestartet. Anfang Juni haben in Rolling Meadows bei Chicago 36 führende Hard- und Softwarehersteller die Interoperabilität ihrer SIP-Produkte und Lösungen getestet. Zum ersten Mal kam dabei ein komplett auf diesem Verfahren basierendes Telefonsystem zum Einsatz. Mit dem neuen ITU-T Standard G.799.1 entsteht ein VoIP-Gateway zur nahtlosen Verbindung von IP-Netzen und dem öffentlichen Telefonnetz. Die ITU-T-Norm SIP/H.323 Interworking Initiative wird von Radvision geleitet.

ETSI und ITU haben erst vor kurzem eine noch intensivere Zusammenarbeit bei der Standardisierung von Kommunikationsanwendungen bekannt gegeben. Es steht zu erwarten, dass daraus eine Vereinheitlichung der Leistungsmerkmale für IP-Anlagen und klassische Nebenstellenanlagen folgen wird. (ch)

Zur Person

Gerhard Kafka

arbeitet als freier Journalist und Berater für Telekommunikation in Egling bei München.