Digitaler Nachlass

Was mit den Online-Daten Verstorbener geschieht

Was die Anbieter sagen

Thomas Plünnecke, Pressesprecher bei United Internet für die E-Mail-Dienste GMX und Web.de, beantwortet im Interview mit unserer Schwesterpublikation "Computerwoche" einige Fragen zum Umgang mit einem Nutzerkonto, wenn dessen Besitzer nicht mehr lebt.

CW: Wie verfährt United Internet mit Postfächern von Verstorbenen?

Thomas Plünnecke: Pressesprecher bei United Internet für die Dienste Web.de und GMX
Thomas Plünnecke: Pressesprecher bei United Internet für die Dienste Web.de und GMX
Foto: United Internet

PLÜNNECKE: Um den Datenschutz zu beachten und böswilligen Telefonstreichen entgegenzuwirken, benötigen wir grundsätzlich immer einen eindeutigen Nachweis, bevor wir Anfragen von Hinterbliebenen beantworten oder deren Wünschen nachkommen können. Will der Erbe den Vertrag lediglich kündigen, ohne Zugriff auf das Postfach zu erhalten, ist die Sterbeurkunde erforderlich. Um Zugang zum Postfach des Verstorbenen zu erlangen, muss uns der Erbberechtigte den Erbschein vorlegen und sich ausweisen. Der Erbe muss den Zugriff auf das Postfach des verstorbenen Nutzers zudem mit einem handschriftlich unterschriebenen Schriftstück beantragen. Gibt es mehrere Erbberechtigte, ist die Zustimmung der Mehrheit der erbberechtigten Personen erforderlich. Dies erfolgt in der Regel über eine Vollmacht.

CW: Inwiefern ist das Verfahren bei FreeMail-Nutzern anders als bei zahlenden GMX-ProMail/Web.de-Club-Nutzern?

PLÜNNECKE: Im Unterschied zu kostenpflichtigen Tarifen, bei denen sich die Erbberechtigten meist nach einer der nächsten Abbuchungen direkt mit unserem Kundenservice in Verbindung setzen, um das weitere Vorgehen zu regeln, bleiben FreeMail-Konten oft verborgen. Wenn sich die Angehörigen nicht bei uns melden, bleibt der Account deshalb zunächst unverändert bestehen. Ist ein Postfach sechs Monate inaktiv - also kein Login erfolgt, kein Abruf über POP3 oder IMAP -, wird der Nutzer per E-Mail informiert. Soweit eine alternative E-Mail-Adresse vom Nutzer hinterlegt wurde, wird die entsprechende Info auch an diese Adresse gesendet. Passiert daraufhin nichts, wird das Konto auf inaktiv gestellt. Die Adresse lässt sich jetzt noch ein halbes Jahr lang reaktivieren. Nach Ablauf dieser Zeit ist die E-Mail-Adresse wieder frei verfügbar.

CW: Was geschieht mit den entsprechenden Nutzerdaten in Ihrer Datenbank?

PLÜNNECKE: Wenn die Angehörigen dies wünschen und uns alle erforderlichen Dokumente (beispielsweise den Erbschein) vorliegen, werden die Nutzerdaten nach Löschung des Accounts auch physikalisch von unseren Servern entfernt. Selbstverständlich haben die Erbberechtigten auch die Möglichkeit, das E-Mail-Postfach weiterzuführen.

CW: Wie oft kommt es vor, dass Nutzer zwar verstorben sind, ihre Postfächer aber noch eine ganze Weile erreichbar sind, weil Angehörige keine Ahnung haben, dass ein Account existiert?

PLÜNNECKE: Eine solche Statistik führen wir nicht. Da Internetanbieter wie GMX oder WEB.DE natürlich nur durch die Hinterbliebenen vom Tod eines Nutzers erfahren können, die Hinterbliebenen selbst aber insbesondere bei FreeMail-Accounts häufig nicht über den digitalen Nachlass informiert sind, ist das durchaus möglich.

CW: Gibt es eine Möglichkeit zur Vorausverfügung, was mit Nutzerdaten/Postfächern/anderen gespeicherten Daten post mortem geschieht?

PLÜNNECKE: Unser Kundenservice ist die erste Anlaufstelle für alle Fragen. Sollte es juristischen Klärungsbedarf geben, unterstützen die Mitarbeiter der Rechtsabteilung praxisbezogen. Da sich die vorhandenen Prozesse und Strukturen bewährt haben, sind spezielle Services wie eine Art Testamentfunktion derzeit nicht geplant. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Mehrheit unserer Nutzer dies wünscht, werden wir selbstverständlich entsprechende Optionen prüfen. Aktuell ist das Interesse jedoch eher gering. So erreichen uns zum digitalen Nachlass insgesamt nur einige wenige hundert Anfragen pro Jahr. Zum Vergleich: GMX und WEB.DE haben mehr als 30 Millionen Mail-Accounts.

CW: Gab es Fälle, in denen Postfächer zunächst auf ausdrücklichen Wunsch als Art "Kondolenzbuch" erreichbar blieben?

PLÜNNECKE: Ja, das kommt vor. Mir ist beispielsweise der Fall einer Witwe bekannt, die das E-Mail-Postfach ihres verstorbenen Mannes als Kondolenzadresse nutzen und über dessen einstigen Account unter anderem auch Bekannten das traurige Ereignis mitteilen wollte.

CW: Was empfehlen Sie Ihren Kunden, was den Verbleib ihrer Daten post mortem angeht? Was empfehlen Sie Angehörigen?

PLÜNNECKE: Es ist auf jeden Fall ratsam, den digitalen Nachlass frühzeitig zu klären. Sind die entsprechenden Vertragsverhältnisse den Angehörigen bekannt, können sie nach dem Tod in der Regel ohne "buchhalterischen Anstoß" beendet beziehungsweise weiterverwaltet werden. Auch in einem Testament lässt sich selbstverständlich genau festhalten, wer später einmal Zugang zu welchen Internetdiensten haben soll - und wer vielleicht gerade nicht. (cvi)