Eine Million Bücher kostenlos online

Google digitalisiert Bücher der Bayerischen Staatsbibliothek

„Boutique“ Digitisation Projects versus Massendigitalisierung

Sieht man einmal vom zuletzt genannten Vorhaben ab, handelt es sich bei den Projekten des Münchener Digitalisierungszentrums – ähnlich verhält es sich mit den Aktivitäten anderer großer deutscher Bibliotheken – um thematisch oder materialspezifisch fokussierte Ansätze, die sich auf mengenmäßig relativ überschaubare Textkorpora richten, für die ein spezifisches Forschungsinteresse vorliegt oder die von ihrem Bestandsprofil her einzigartig sind. Ronald Milne von der British Library spricht hier von „Boutique“ Digitisation Projects.

Mit der Kooperation der Bayerischen Staatsbibliothek mit Google wird dagegen im deutschen Bibliothekswesen erstmals ein Digitalisierungsprojekt in industriellem Maßstab, also eine echte Massendigitalisierung, technisch und logistisch in Angriff genommen. Eine „Auswahl“ der Bücher findet nur noch nach ihrer konservatorischen Eignung für den Scanprozess und hinsichtlich bestimmter Vorgaben nach Größe und Umfang statt, die durch Googles proprietäre Scantechnologie bedingt sind.

Ein auf mehr als eine Million Bücher berechnetes Massendigitalisierungsprojekt ist, wenn es im überschaubaren Zeitraum von etwas mehr als einem halben Jahrzehnt abgewickelt werden soll, finanziell nur im Rahmen einer Public-Private-Partnership zu bewältigen. Die aktuellen Bekanntmachungen und Empfehlungen der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates zur „Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung“ lassen keinen Zweifel daran, dass sich die Europäische Union nicht an den operativen Kosten der Massendigitalisierung von Kulturgut beteiligen wird, sondern dies als Aufgabe der Mitgliedstaaten betrachtet.

Auch die derzeitigen Initiativen auf Bund-Länder-Ebene zur Entwicklung einer „Deutschen Digitalen Bibliothek“ als Beitrag zu einer „Europäischen Digitalen Bibliothek“ sind hinsichtlich der Frage, wer die finanzielle Last einer breit angelegten Digitalisierung des deutschen Kulturgutes tragen soll, noch völlig unbestimmt. Angesichts des immensen Finanzierungsbedarfs weist die Europäische Kommission explizit auf die Notwendigkeit von Public-Private-Partnerships hin, um die Aufgabe der Digitalisierung der jeweiligen nationalen Kulturbestände zu bewältigen.