Ultraschnelle Ladungsträgerdynamik in Halbleiter-Nanostrukturen

Stoßionisation in Halbleiter-Bauelementen

Transportphänomene sind von größter Bedeutung für die technische Anwendung von Halbleitern. In aktuellen Bauelementen werden meist Betriebsspannungen von einigen Volt verwendet, die zu entsprechenden Potenzialdifferenzen auf Längenskalen im sub-Mikrometerbereich führen. Damit erreichen die internen elektrischen Felder Werte von hunderttausend Volt pro Zentimeter. Bei diesen Feldstärken weicht das physikalische Bild des Ladungstransportes drastisch vom konventionellen Bild beispielsweise des Ohm’schen Gesetzes ab. In hochreinen Kristallen können Elektronen ballistisch über Längenskalen von 100 Nanometern, d. h. im freien Flug über etwa 1.000 Gitterkonstanten, beschleunigt werden. Werden die angelegten Feldstärken weiter erhöht, so tritt bei rund 400 kV/cm ein völlig neues Phänomen auf: die Stoßionisation. Die beschleunigten Ladungsträger gewinnen eine so hohe Energie, dass sie die im Gitter gebundenen Ladungen zu freien Ladungsträgern umwandeln können. In anderen Worten: gebundene Ladungen werden aus dem Kristallverband herausgestoßen, so dass eine Ladungsträgervervielfachung entsteht. Diese sog. Lawinenmultiplikation ist einerseits von großem Nutzen bei der Detektion schwacher Lichtintensitäten in Photo-Detektoren. Andererseits erweist sie sich als überaus schädlich bei der Optimierung der Schaltzeiten moderner Transistoren.

Links: Schematische Bandstruktur einer GaAs- Photodiode mit einer Schichtdicke von 400 Nanometern. Bei sehr hohen elektrischen Feldern werden die durch Lichtabsorption erzeugten Ladungsträger durch Stoßionisation vervielfacht. Rechts: Zeitaufgelöste optische Analyse der Zahl der vorhandenen freien Ladungsträger für zwei verschiedene elektrische Felder. (Quelle: Bayerische Akademie der Wissenschaften)
Links: Schematische Bandstruktur einer GaAs- Photodiode mit einer Schichtdicke von 400 Nanometern. Bei sehr hohen elektrischen Feldern werden die durch Lichtabsorption erzeugten Ladungsträger durch Stoßionisation vervielfacht. Rechts: Zeitaufgelöste optische Analyse der Zahl der vorhandenen freien Ladungsträger für zwei verschiedene elektrische Felder. (Quelle: Bayerische Akademie der Wissenschaften)

Wie an der obigen Abbildung dargestellt, konnten wir diese Ladungsträgervervielfachung erstmals direkt zeitlich beobachten [1]. Die Untersuchung wurde an einer Photodiode aus GaAs, einem Standardmaterial der Optoelektronik, durchgeführt. Das Messprinzip beruht auf einer modifizierten Absorption durch vorhandene freie Ladungsträger, die durch einen kurzen Laserimpuls im Zeitraum ausgemessen wird. Während für Feldstärken von 220 kV/cm (blaue Linie) eine konstante Zahl von Ladungsträgern beobachtet wird, ist für ein Feld von 450 kV/cm (rote Linie) ein starker Anstieg der Ladungsträgerkonzentration innerhalb der ersten 10 bis 20 Pikosekunden sichtbar. Diese Ergebnisse sind besonders relevant für die Entwicklung moderner optoelektronischer Bauelemente.