Arbeiten in China

Perfektionistische Deutsche, flexible Chinesen

Deutsche streben nach Perfektionismus, Chinesen sind flexibler

Das impliziert wahrscheinlich auch, dass die Chinesen nicht so perfektionistisch sind wie die Deutschen?

Ru He: Genau. Chinesen sind ergebnisorientiert - ihnen kommt es darauf an, zu liefern, selbst wenn das Produkt noch nicht ganz ausgereift ist. Die Deutschen legen Wert auf Perfektion - sie konzentrieren sich auf Strukturen, Systematiken, Prozesse. Man könnte es so ausdrücken: Für die Deutschen geht es darum, die Dinge richtig zu tun. Den Chinesen dagegen kommt es darauf an, die richtigen Dinge zu tun. Sie sind extrem flexibel und geben sich auch mit unperfekten Lösungen zufrieden. Entscheidend ist für sie, überhaupt erst einmal eine Lösung bieten zu können.

Mit unausgereiften Produkten auf den Markt kommen - ist das nicht riskant?

Ludwig Zink: Im Normalfall werden 80 Prozent der Funktionen eines Produkts nicht genutzt - weil man sie nicht kennt oder nicht braucht. Die Chinesen konzentrieren sich daher auf die wichtigsten Features - und auf das Feedback vom Kunden. Ihr Erfolgsrezept besteht also in Trial and Error plus starke Kundenorientierung. Solche Ansätze gibt es ja auch in den USA: Fehler sind erlaubt, man darf auch einmal mit einer Idee scheitern. In Deutschland dagegen sind Fehler etwas Schlechtes und werden bestraft. Das bremst die Innovation. Die deutsche Automobilindustrie ist meiner Ansicht nach auch nur deshalb so erfolgreich, weil sie über jahrzehntelange Erfahrungen verfügt - nicht weil die deutsche Arbeitsmoral so besonders innovationsfreundlich ist.

Ru He: Ein wesentlicher Faktor für den wirtschaftlichen Aufschwung in China ist aber natürlich auch der Arbeitsethos: Die Chinesen wollen arbeiten, sie sind total motiviert. Für einen Chinesen bedeutet Arbeiten mehr als ein Job. Es ist für ihn die Verwirklichung eines Traums. Denn selbst mit einem Hochschulabschluss ist es nicht leicht, in China einen Job zu bekommen. Deshalb ist auch nichts dabei, einen Schlafsack mit ins Büro zu nehmen, um gegebenenfalls dort zu übernachten, wenn es später wird. In Deutschland wäre das undenkbar. Nicht nur wegen der starken Gewerkschaften, sondern auch weil hier eine völlig andere Arbeitsmoral herrscht.

China war in diesem Jahr das Partnerland der CeBIT.
China war in diesem Jahr das Partnerland der CeBIT.
Foto: Deutsche Messe

Sind die Chinesen auch offener für Neues als die Deutschen?

Ludwig Zink: Auf jeden Fall. Chinesen sind extrem aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien und Projekten. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die chinesische Regierung plant, alle Städte in der Provinz Guandong zu einer Mega-City mit rund 60 Millionen Einwohnern zusammenzulegen. Gegen so ein Vorhaben würde sich in Deutschland sofort massiver Widerstand formieren.

Ja, weil die Deutschen Wert auf Lebensqualität legen. Das ist ja in China kein Thema - ebenso wenig wie Umwelt- und Naturschutz…

Ludwig Zink: Die Ausbeutung der Natur und die Luftverschmutzung stellen China natürlich vor große Probleme. Aber gleichzeitig sind die Chinesen sehr aufgeschlossen für umweltfreundliche Technologien. Ein Beispiel: In einer südchinesischen Kleinstadt hatte die Stadtverwaltung allen Fahrern von konventionellen Mopeds finanzielle Unterstützung beim Kauf eines Elektrorollers versprochen. Das Konzept ging auf - und heute ist in der Stadt kein einziges benzinbetriebenes Moped mehr unterwegs.