Normen schreiben Praxis fest

Fibre to the Desk

Im Gegensatz zur ersten Ausgabe schreibt die jüngste Fassung des ISO/IEC-Standards 11801 die schon lange praktizierte Technik des Fibre to the Desk fest. Die ursprüngliche Norm begrenzte im Tertiärbereich Kupfer- und Glasfaserleitungen auf eine maximale Länge von 90 Metern. Jetzt ist es laut Standard möglich, über größere Strecken hinweg die Anschlussdose direkt an den Gebäudeverteiler oder den Campusverteiler anzuschließen. Auf diese Weise entsteht ein "Collapsed Backbone", bei dem die Campus- und die Gebäudeverteilung, ja mitunter auch die Etagenverteilung in einem oder in wenigen Räumen untergebracht sind. Collapsed Backbones vereinfachen die Struktur des Netzes und verringern den Verwaltungsaufwand. Weil die Komponenten auf wenige Schaltzentren konzentriert sind, sinken die Kosten für die Gebäudeinfrastruktur. Das Unternehmen muss weniger Räume mit Klimaanlagen, Zugangskontrollen und Brandschutzvorrichtungen ausrüsten. Allerdings schafft sich der Netzverantwortliche damit einen "Single Point of Failure", der im Katastrophenfall zum IT-Desaster führt. Der Standard sieht als maximale Linklänge für die Verbindung zwischen den Verteilern und den Endgeräten 300 Meter vor.

Wie für Kupferverbindungen definiert der Standard auch für Glasfasern verschiedene Arten von Channels. Bei der Gebäudeverteilung sind drei Varianten möglich. Der "Patched Combined Channel" arbeitet im Etagenverteiler mit Patchkabeln. Beim "Spliced Combined Channel" sind die Backbone-Kabel der Steigleitung und die Verlegekabel im Stockwerk durch mechanische oder thermische Spleiße verbunden. Der "Direct Combined Channel" schließlich funktioniert ohne einen Etagenverteiler. Stattdessen sind die Steckerleisten am Arbeitsplatz unmittelbar mit den Patchpanels in den Gebäudeverteilern verbunden. Es sei denn, der Netzplaner lässt in den Büros Consolidation Points anbringen. Diese sind bei allen drei Channel-Modellen erlaubt.

Welche Architektur die Kosten langfristig am meisten senkt, ist die zentrale Frage der Netzwerkplaner. Sie wägen den Aufwand für eine Installation gegen die "Zukunftssicherheit" ab. Diese drückt aus, wieviel Zeit sie bis zum nächsten Großprojekt der Verkabelung haben. Je größer die Bandbreiten, die die Leitungen zulassen, desto länger der Investitionszyklus. Dachte man vor wenigen Jahren noch in Zeiträumen von 10 bis 15 Jahren, ist man heue bescheidener geworden und plant auf höchstens zehn Jahre hin. Die Kostenrechnung fällt unterschiedlich aus, je nachdem, welche Anwendungen eine Firma plant. Fiber to the Desk gilt technisch als das Nonplusultra. Jedoch benötigt heute kaum jemand die dadurch gewährleisteten Kapazitäten. Kupfer reicht im Etagenbereich in vielen Fällen aus, selbst auf Jahre hin gerechnet. Auch das Gebäude eines Unternehmens wirkt sich auf die Kalkulation aus, sagt Uwe Beulmann, Inhaber der Consultingfirma Consulan. Wer einen Altbau verkabelt, der unter Denkmalschutz steht, sei auf Glasfaserleitungen angewiesen, weil er diese im Gegensatz zu Kupferkabeln in den bestehenden Steigleitungen der Stromversorgung verlegen kann. Kupfer benötigt eigene Kanäle, die der Hausbesitzer nur im Widerspruch zu den Denkmalbestimmungen bohren könnte.