Neuer Rückenwind

Erweiterungen bei Netware 5.0

Netware 5.0 von Novell ist der designierte Nachfolger für die meisten 4.X-Anwender, die mit den Web-basierten Zusatzfunktionen von Intranetware wenig anfangen konnten. Es bringt viele Erweiterungen, die längst fällig waren, und einige Neuerungen. So wird neben dem IPX/SPX auch TCP/IP als Kernprotokoll unterstützt. Das Netware-Core-Protokoll NCP ist jetzt ebenfalls über IP realisiert. Novell hat sich auf seine alten Fähigkeiten besonnen und "I2O" implementiert, welches die I/O-Prozesse von den übrigen System- und Anwendungsprozessen trennt. Da I/O für einen Netzwerkserver neben dem schnellen Zugriff auf Platten das wichtigste ist, kann man davon ausgehen, daß alleine die Unterstützung von "I2O" bis zu 25 Prozent mehr Leistung bringen kann.

Der Hersteller hat außerdem den Wunsch nach einem virtuellen Speicher aufgegriffen. Plötzliche Zusammenbrüche werden somit weniger auftreten. Das Verzeichnis-System NDS (Novell Directory System) bietet eine flexible, hierarchische Namensstrukturierung. Es hat Industriepreise bekommen und könnte sich auf dem Markt als Industriestandard etablieren. Es gibt auch ein "NDS für NT", das es NT-Servern und -Clients erlaubt, die NDS-Verzeichnisdienste zu nutzen. Allerdings hat Microsoft angekündigt, dies nicht weiter zu unterstützen. Der Directory-Services-Krieg geht eindeutig zu Lasten der Anwender und ist keinesfalls zu begrüßen.

Novells SFT III (System Fault Tolerant) ermöglichte schon vor Jahren Fehlertoleranz, die man im Windows-Bereich erst jetzt erreicht hat. Mit Netware 5.0 wurde ein System namens "Orion" angekündigt, das bis zu 16 Knoten clustern können soll. Orion geht weit über ein einfaches Failover-System hinaus. Anwender melden sich am Cluster an, der eine logische Einheit bildet. Alle Rechner sind mittels Gigabit-LAN untereinander verknüpft und arbeiten mit einer gemeinsamen Laufwerk-Farm. Orion ist sehr nahe am Idealbild eines VBS und wurde bereits prototypisch vorgeführt. Es ist Novell zu wünschen, daß diese Vision umgesetzt werden kann.

Wenn es darum geht, Leistung für rechenintensive Anwendungen zu erhalten, führt kein Weg an Unix vorbei. Hier werden schon seit längerem 64-Bit-Plattformen unterstützt und fast alles, was es über Clustering zu wissen gibt, wurde von Sun bereits implementiert. So nimmt es denn auch nicht Wunder, daß permanent neue Rekorde aufgestellt werden. Solaris unterstützt Cluster von 32 Rechnern, HP-UX solche von 16, und auch andere Hersteller wie Siemens mit dem Pyramid-System haben heiße Eisen im Feuer. NT muß noch einen weiten Weg gehen, um dorthin zu kommen, aber das ist vielleicht gar nicht beabsichtigt. Man darf ebenfalls nicht vergessen, daß fast alle Neuentwicklungen im Bereich der Betriebssysteme und verteilten Anwendungsprogrammierung immer im Unix-Umfeld gemacht werden. Erweiterte Sicherheitsfunktionen, die bei NT und Netware teilweise noch dazugebastelt werden müssen, sind im Unix-Umfeld meist Standard. Umgekehrt gilt: Wenn eine kleine bis mittlere Anzahl von Clients mit File/Print-Services versorgt werden soll, ist Unix das Falsche, weil derartige Dienste hier traditionell unterentwickelt sind. Auch die Systemadministration wird bei NT und Netware von den Besitzern günstiger beurteilt.

Fazit: Viele Besitzer von Client/Server-Strukturen möchten diese nur mäßig Richtung Intranet entwickeln, sondern legen eher Wert auf zusätzliche Features im Bereich Systemleistung, Sicherheit und Administration. Zwischen den drei wesentlichen Produktlinien Netware 5.0, Windows NT 5.0 und den "Unix-Derivaten" ist wenig Substitutionsdruck zu verspüren, weil jede Linie Merkmale hat, die in bestimmten Umgebungen benötigt werden. Wer zum Beispiel seine gesamte Bürowelt mit MS-Backoffice aufgebaut hat, wird mit dem Novell-Produkt nicht glücklich und braucht auch weniger Unix. Die Netware-Anwender werden froh sein, eine Zukunft zu haben, in der die früheren klaren Vorzüge von Netware wieder zu spüren sind. Es könnte hier gelingen, mit dem Bordermanager, NDS und Intranetware zwei Welten zu vereinen. Der Erzfeind der Unix-Systeme heißt NT, denn dieses System dringt in Bereiche der kommerziellen DV ein (zum Beispiel SAP), in denen man früher direkt Unix genommen hätte. So kann der Interessent endlich anwendungsorientiert entscheiden. (cep)