Für Freiberufler und Gründer

Coworking: Schreibtisch zum Schnäppchenpreis

Spontane Allianzen von Coworkern

Dieses Konzept, Schreibtisch plus Soziales, befeuert bis heute eine wachsende Nachfrage. In sieben Jahren seit der ersten Eröffnung in San Francisco ist die Dienstleis-tung zu einem weltumspannenden Angebot geworden, 2500 Coworking-Spaces gibt es weltweit. Vor nur einem Jahr existierten gerade einmal halb so viele Coworker-Stützpunkte wie heute, ermittelte der „Global Coworking Census 2013" des Branchenportals Deskwanted.com. Insider rechnen damit, dass diese stürmische Expansion weitergehen wird. „Jedes Jahr verdoppelt sich die Anzahl der Coworking Spaces", sagt Joel Dullroy, Gründer von Deskwanted.

Das Betahaus in Berlin ist der größte Coworking Space in deutschland.
Das Betahaus in Berlin ist der größte Coworking Space in deutschland.
Foto: Sepehr Atefi

Die Angebote sind auch deswegen so beliebt, weil sich aus den informellen Kontakten von Schreibtisch zu Schreibtisch geschäftlicher Nutzen entwickeln kann. Ein Beispiel für die Fülle von Anknüpfungspunkten liefert Betahaus-Geschäftsführerin Madeleine von Mohl. Sie zählt auf: „App-Entwickler, Designer, Community-Manager, Architekten, PR-Leute, Programmierer, Produktentwickler, Unternehmensberater, die kleine Anwaltskanzlei." Dass da auch Geschäfte entstehen, liegt nahe: Der Architekt braucht eine App, der Produktentwickler Hilfe bei der Software – oder gleich mehrere Nutzer schließen sich für ein Projekt zusammen. „Bei uns entstehen virtuelle Unternehmen. Sie bilden sich auf Zeit, bestehen so lange, bis der angestrebte Zweck erreicht ist", sagt die Berliner Coworking-Chefin. Wer im Betahaus, bei Mobilesuite oder bei Intooffice arbeitet, kann immer darauf hoffen, dass er neue Partner und Kunden findet.

Diese spontanen Allianzen begründen den Hype, der um die Coworking-Spaces in letzter Zeit entstanden ist. „Hier passiert immer etwas, das Umfeld ist sehr dynamisch", sagt Mobilesuite-Geschäftsführer Roth. Innovative Ideen können von heute auf morgen Verbündete finden, sie breiten sich in Windeseile aus. „Coworking bietet die Offline-Ergänzung zu den Social Networks. Jeder kennt jeden über ein paar Ecken. Man ist über einen gemeinsamen Geist verbunden, die Hürde zur Zusammenarbeit ist niedrig", beschreibt Betahaus-Mitgründerin von Mohl das Klima des Aufbruchs.

Konzerne suchen Nähe der Szene

Beim Coworking dagegen ist Networking Teil der Dienstleistung, Treffpunkte wie das Cafe im Betahaus sollen das unterstützen.
Beim Coworking dagegen ist Networking Teil der Dienstleistung, Treffpunkte wie das Cafe im Betahaus sollen das unterstützen.
Foto: Stefano Borghi

Die Kunde von den Vorzügen des Coworking ist auch in größeren Unternehmen angekommen. Der Versicherer Ergo lässt im Betahaus denken und entwickeln – eine Gruppe von Mitarbeitern wurde zu diesem Zweck von Nürnberg nach Berlin abgeordnet. Aufgabe: neue Anwendungen für Mobilfunk, Smartphones und Tablet-PCs entwickeln. Auch andere Firmen lassen sich vom Geist des Aufbruchs anstecken, darunter ein bekannter Tankstellenkonzern, die Telekom, Bayer, TUI und der Modeversender Zalando. „Die wollen mal raus aus ihrer gewohnten Umgebung, die Köpfe frei bekommen von der Alltagsroutine", beschreibt Mobilesuite-Co-Chef Schier die Motive, warum die Großen die Nähe der Gründer- und Jobnomadenszene suchen.

Berlin eignet sich besonders gut für Vorhaben dieses Typs. Die Stadt ist derzeit eine Kapitale in der Szene: 68 Coworking-Spaces gibt es in Berlin, damit steht die Hauptstadt weltweit auf Platz drei der informellen Hitliste der Branche. Deutschland bringt es heute auf 230 Coworking-Standorte – so viele wie in keinem anderen europäischen Land.