Auf dem Prüfstand

Anwender brauchen andere Tests

Diese Vielschichtigkeit macht es notwendig, als ersten Schritt vor jeder Messung deren Ziel zu definieren. In diesem Punkt unterscheidet sich übrigens die Performanzmessung von der Konformitätsmessung und der Interoperabilitätsmessung, bei denen das Ziel bereits in der Definition enthalten ist. Oft möchte man eine Aussage über das Netzwerkverhalten für eine bestimmte Anwendung oder eine Klasse von Applikationen erhalten. Anwender begnügen sich in der Regel damit, die Leistungsfähigkeit ihres Netzes für einen möglichst betriebsnahen Fall nachzuweisen. Dafür reichen meist einige wenige Messungen im Betriebsnetz oder in einem betriebsähnlichen Referenznetz. Ein solches Vorgehen eignet sich allerdings nur, wenn die Performanz der einzelnen eingesetzten Komponenten bekannt ist und lediglich die Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes dokumentiert werden soll. Werden die geforderten Kriterien nicht erfüllt, erhält man mit dieser Methode keinerlei Information, an welcher Stelle die Schwachpunkte sitzen. Um die Eigenschaften eines Netzes kennenzulernen, wird man daher zunächst die Eigenschaften der einzelnen Geräte ohne und mit Hintergrundlast untersuchen, um dann schrittweise, je nach Ziel der Messungen, die Komplexität des Versuchsaufbaus zu erhöhen. Vergleichende Tests bieten sich an, sucht man eine Antwort auf die Frage, welche Netzwerktechnologie denn die "bessere" sei. Das Top-Thema der letzten Monate auf diesem Gebiet ist die Diskussion "Gigabit-Ethernet contra ATM".

Welche Performanzaspekte überhaupt gemessen werden können, hängt von der verwendeten Netztechnologie ab, zum Beispiel ATM, Ethernet und IP (siehe Tabelle).

Zwei Beispieluntersuchungen veranschaulichen die Durchführung von Performanztests: Das erste Beispiel zeigt den Anstieg der Verzögerungszeiten in einem ATM-Switch in Abhängigkeit von der Datenrate auf seinem Ein- und Ausgangsport (Bild 2).

Das zu untersuchende Gerät ist mit seinen Ein- und Ausgangsports an einen Analyzer angeschlossen. Letzterer sendet numerierte und mit einem Zeitstempel versehene ATM-Zellen an den Switch, welcher sie wieder an das Testgerät weiterleitet. Aus dem Zeitstempel und der gemessenen Empfangszeit lassen sich zwei statistische Größen ermitteln: Zum ersten kann der Tester damit die Zellverzögerungszeit oder Cell Delay ablesen. Diese Größe wird auch als Latenzzeit bezeichnet. Der zweite Meßwert, der sich so gewinnen läßt, ist die Cell Delay Variation, die statistische Abweichung der Verzögerungszeiten über mehrere Zellen. Die Meßwerke können durchaus von der Belastung des untersuchten Gerätes abhängen (Bild 3). Bei Frame-orientierten Technologien kommen noch Framegröße und Buffergrößen als Einflußfaktoren dazu.

Das zweite Beispiel für einen Performanztest vergleicht den Durchsatz von TCP-Paketen in einem Ethernet/ ATM-Szenario aus dem Jahr 1995 - einer Zeit also, in der die ATM-Technologie noch in den Kinderschuhen steckte, - mit den heute erreichbaren Werten (Bild 4). Die Untersuchungen sollten jeweils eine Aussage darüber liefern, inwieweit sich die Leistungsfähigkeit eines Netzes ändert, wenn statt einer reinen Ethernet-Lösung ein ATM-Backbone verwendet wird. Weil der Versuchsaufbau und die Randbedingungen 1995 und 1998 identisch waren, lassen sich beide Messungen miteinander vergleichen. Als Randbedingungen waren alle Größen festgesetzt, deren Veränderung die Messungen beeinflussen könnten:

Die eingesetzten Endsysteme mußten in der Lage sein, TCP-Pakete mit voller Ethernet-Bandbreite zu senden und zu empfangen. Die Socket Buffer Size der Endgeräte mußte in beiden Messungen den gleichen Wert haben. TCP-Parameter, beispielsweise Window Size, mußten gleich sein. Die Versuche fanden ohne Hintergrundlast auf der Ethernet- und der ATM-Seite statt. Die ATM-Verbindung war durch die eine Ethernet-Strecke (zuzüglich 10 bis 13 Prozent ATM-Overhead) nur sehr gering belastet, so daß diese den Gesamtdurchsatz nicht beeinflußte.

Bei den vorgestellten Messungen wurden zwar jeweils einzelne Interfaces der involvierten Systeme belastet, nicht jedoch deren Funktionsgruppen wie Switching-Engine oder Routing-Algorithmus. Des weiteren standen die physikalischen Verbindungen exklusiv für die Testdaten zur Verfügung. In der betrieblichen Realität muß sich ein Benutzer aber das Netz mit vielen Kollegen teilen, so daß das Netz oder zumindest Teile davon stark belastet werden. In solchen Streßsituationen ist zu erwarten, daß sich die Performanz einer spezifischen Verbindung verschlechtert. Streßtests dienen dazu, das Netzverhalten unter eben diesen Lastbedingungen abzuschätzen. In der Praxis sind mehrere Streßsituationen zu unterscheiden:

Der Meßdatenstrom muß sich auf einer Leitung die verfügbare Bandbreite mit anderen Verbindungen teilen. Diese Messungen werden mit Hintergrundlast durchgeführt. Neben dem Meßdatenstrom muß das zu untersuchende Gerät noch eine Vielzahl anderer Datenströme verarbeiten. Bei vermaschten und teilvermaschten Netzen läßt sich darüber hinaus untersuchen, wie effektiv Datenströme auf mehrere zum Ziel führende Wege verteilt werden. Der Tester erhält damit eine Ausage über die Lastverteilung. Auf einzelnen Streckenabschnitten in vermaschten und teilvermaschten Netzen treten Überlastsituationen auf, die sich durch alternative Routen kompensieren lassen. Damit lassen sich Erkenntnisse über Qualität und Leistungsfähigkeit von Rerouting-Algorithmen gewinnen.

Das folgende Beispiel zeigt den TCP-Durchsatz über das gleiche Netzwerk - allerdings mit einem Equipment, das sich auf dem Stand von 1998 befindet. Zusätzlich belasten 14 Endsysteme die beiden Ethernet/ATM-Interworking Units (IWUs) (Bild 5). Die Randbedingungen entsprechen denen der vorherigen Messung. Außerdem ist definiert, daß alle 15 Clients die gleichen TCP-Pakete zur gleichen Zeit senden. Ergebnis: Bei Belastung der IWUs geht der Durchsatz um circa zwei Mbit/s zurück.

Bei dieser Konstellation gewinnt auch noch ein anderer Aspekt an Bedeutung: Wie "fair" verteilt die IWU ihre Kapazität an die angeschlossenen 15 Systeme? Bleibt sie auch fair, wenn die Clients mit unterschiedlichen Paketgrößen senden?