Asien hat die Nase vorn

IPv6 zum Anfassen in der Galleria

Aus dem Umfeld von Wide stammt auch die Idee, IPv6 in Japan publikumswirksam zu vermarkten. Hierzu initiierte die japanische Regierung das "IPv6 Promotion Council" (IPv6PC). Ihm gehören etwa dreihundert Mitglieder aus Industrie und Forschung an. Das Council hat in Tokio und Osaka die "Galleria IPv6" eingerichtet. Dort erhalten Interessenten nicht nur Informationsmaterial, sondern können auch zahlreiche Ausstellungsstücke in Augenschein nehmen, die den Stand der IPv6-Entwicklung illustrieren.

So ist beispielsweise der fast schon legendäre Internet-Kühlschrank mit IPv6-Unterstützung zu besichtigen. Er informiert darüber, welche Vorräte in ihm lagern, zeigt Kochrezepte auf seinem Display an, übermittelt E-Mail-Sonderangebote des Supermarkts und ermöglicht bei Bedarf auch Videokonferenzen aus der Küche.

Die Galleria IPv6 wäre kaum mehr als ein "Farbtupfer", wenn IPv6 in Japan nicht in vielen anderen Bereichen Einzug gehalten hätte. So hat der japanische Internet-Serviceprovider IIJ bereits mehrere hundert IPv6-Anwender, zu einem Großteil Geschäftskunden. Mehrere japanische Netzbetreiber, wie KDDI, NTT und IIJ, bieten IPv6-Unterstützung an. NTT offeriert als Standard für Einwahl- und ADSL-Kunden in Kürze Dual-Stack-Systeme, die sowohl für IPv4 als auch IPv6 ausgelegt sind.

Dass die japanischen Router-Hersteller inzwischen fast durchgängig IPv6 unterstützen, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich. Vorreiter ist Hitachi, das seine Systeme seit einiger Zeit auch auf dem europäischen Markt anbietet. Andere Produkte sind allerdings im europäischen Markt bislang weniger bekannt oder nur in Japan verfügbar. Dennoch haben Firmen wie NEC, Fujitsu und Yamaha IPv6-Produkte im Angebot. Fujitsu zeigte auf der Messe Network World in Tokio im vergangenen Jahr ein komplettes IPv6-Netzwerk, das der Konzern mithilfe von Routern der Serie "Geostream" aufbaute. Darüber liefen Anwendungen wie Streaming und Multicasting.

Die Firmen unterstützen IPv6 jedoch nicht nur im Backbone-Netz. So bieten NEC, IIJ und Yamaha ADSL-Access-Router an. IIJ Media Communications hat den IPv6 Summit 2002 am 19. Dezember erstmals über IPv6 Multicast und Windows Media 9 in ganz Japan übertragen.

Sicherlich wird es auch in Japan noch einige Zeit dauern, bis IPv6 das altbekannte IPv4 abgelöst hat. Dass aber 300 japanische Firmen aus den unterschiedlichsten Sparten, darunter fast alle Großkonzerne, im IPv6 Promotion Council mitarbeiten, ist ein Indiz dafür, dass Japan IPv6 als Technologie wesentlich stärker wahrnimmt als Europa oder Amerika. Das japanische Modell vermittelt bereits jetzt einen guten Eindruck, wie ein Internet auf Grundlage von IPv6 aussehen könnte.

Doch auch in Europa tut sich einiges: So beauftragte die Europäische Kommission vor zwei Jahren eine Taskforce, einen Plan für die Umstellung auf IPv6 auszuarbeiten. Als Zeitrahmen wurde das Jahr 2005 vorgegeben. Im September vergangenen Jahres erteilte die Kommission der Arbeitsgruppe das Mandat, in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union IPv6-Taskforces einzurichten. In Deutschland formierte sich ein solches Gremium im April. Das erste Treffen fand Anfang Mai in Berlin statt. (re)

Zur Person

Dr. André Zehl

leitet den Bereich Mediensysteme des Geschäftsbereichs Systems Integration von T-Systems in Berlin.