Datev-Chef Dieter Kempf im Gespräch
„ZUGFeRD wird der neue Standard für elektronische Rechnungen“
Data Scientists werden gebraucht
CW: Wie können Unternehmen die Informationsfülle sinnvoll auswerten? Brauchen sie spezielle Fachkräfte, etwa Data Scientists?
Dieter Kempf: Ja, solche Experten können den Spezialisten in den Fachabteilungen zuarbeiten. Ich stelle mir das so vor, wie das Zusammenspiel zwischen einem Radiologen und einem Internisten. Den einen braucht man für die clevere Gestaltung der Datenmengen, die Abgrenzung und Abstimmung sowie für modellierende Aufgaben. Den anderen für die Interpretation des entstehenden Bildes.
- Big Data: Neue Berufsbilder
In den teilweise euphorischen Einschätzungen von Markforschern und IT-Unternehmen ist immer wieder die Rede von neuen Berufsbildern, die Big Data mit sich bringen soll. Dazu zählen unter anderem folgende Tätigkeiten: - Data Scientist
Er legt fest, welche Analyseformen sich am besten dazu eignen, um die gewünschten Erkenntnisse zu erzielen und welche Rohdaten dafür erforderlich sind. Solche Fachleute benötigen solide Kenntnisse in Bereichen wie Statistik und Mathematik. Hinzu kommen Fachkenntnisse über die Branche, in der ein Unternehmen beziehungsweise tätig ist und über IT-Technologien wie Datenbanken, Netzwerktechniken, Programmierung und Business Intelligence-Applikationen. Ebenso gefordert sind Verhandlungsgeschick und emotionale Kompetenz, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen geht. - Data Artist oder Data Visualizer
Sie sind die "Künstler" unter den Big-Data-Experten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Auswertungen so zu präsentieren, dass sie für Business-Verantwortliche verständlich sind. Die Fachleute setzen zu diesem Zweck Daten in Grafiken und Diagramme um. - Data Architect
Sie erstellen Datenmodelle und legen fest, wann welche Analyse-Tools Verwendung finden und welche Datenquellen genutzt werden sollen. Auch sie benötigen ein umfassendes Know-how auf Gebieten wie Datenbanken, Datenanalyse und Business Intelligence. - Daten-Ingenieur
Diese Aufgabe ist stark auf die IT-Infrastruktur ausgerichtet. Der Dateningenieur ist das Big-Data-Analysesystem zuständig, also die Hard- und Software sowie Netzwerkkomponenten, die für das Sammeln und Auswerten von Daten benötigt werden. Eine vergleichbare Funktion haben System- und Netzwerkverwalter im IT-Bereich. - Information Broker
Er kann mehrere Rollen spielen, etwa die eines Datenhändlers, der Kunden Informationen zur Verfügung stellt, oder die eines Inhouse-Experten, der Datenbestände von unterschiedlichen Quellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens beschafft. Außerdem soll er Ideen entwickeln, wie sich diese Daten nutzbringend verwenden lassen. - Data Change Agents
Diese Fachleute haben eine eher "politische" Funktion. Sie sollen bestehende Prozesse im Unternehmen analysieren und anpassen, sodass sie mit Big-Data-Initiativen kompatibel sind. Nur dann lässt sich aus solchen Projekten der größtmögliche Nutzen ziehen. Wichtig sind daher ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten, Verständnis für Unternehmensprozesse sowie Kenntnisse im Bereich Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (Six Sigma, ISO 9000).
CW: Cyberkriminalität wird zur wachsenden Gefahr für Unternehmen. Wie steht um den Datenschutz im deutschen Mittelstand?
Dieter Kempf: Die Frage der Gefährdung hängt davon ab, wie interessant die Produkte des Unternehmens sind - vor allem für Wettbewerber. Das Unternehmen sollte Vorsorge treffen, nicht ausgespäht zu werden, unabhängig davon, wer dies vorhat. Der Innentäter stellt das größte Risiko dar - auch durch eventuelle Unachtsamkeiten.
Die Diskussion um die geheimdienstlichen Aktivitäten vernebelt etwas die Sicht darauf, wo die realen Gefahren heute liegen. Das Bewusstsein in deutschen Betrieben steigt, ist aber gerade im Mittelstand immer noch unterentwickelt. Oft ist die Kompetenz für das Absichern nicht vorhanden. Wenn Sicherheit keine Chefsache ist, dann wird das dafür Nötige eher nebenbei erledigt.
CW: Es liegt der Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes vor, das rund 18.000 deutsche Unternehmen vor allem aus den Branchen Telekommunikation, Luft- und Raumfahrt betreffen soll. Was halten Sie als Bitkom-Präsident davon?
Dieter Kempf: Wir stimmen dem Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen zu. Die Politik hat hier unsere Vorschläge auch weitgehend übernommen - etwa die Möglichkeit, anonyme Meldungen abzugeben. Eine Ausnahme soll lediglich für Betreiber sogenannter sicherheitskritischer Infrastrukturen gelten. Allerdings muss noch definiert werden, was denn derartige sicherheitskritische Infrastrukturen sind und welche Arten von Vorfällen gemeldet werden müssen.
CW: Bis wann rechnen Sie mit einer Verabschiedung des IT-Sicherheitsgesetzes?
Dieter Kempf: Im Spätherbst. Schauen wir einmal, was in der Endfassung stehen wird.
CW: Eine weitere rechtliche Verschärfung steht ebenfalls kurz vor der endgültigen Verkündigung: der aktuell vorliegende 8. Entwurf des BMF-Schreibens „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD). Wird er die Endfassung sein?
Dieter Kempf: Vermutlich ja. Uns gefällt nicht alles, was drin steht, doch manches, etwa die Kontierungspflicht auf dem Beleg, konnte noch verhindert werden. Deutliche Verschärfungen sind etwa bei der Unveränderbarkeit, der Historisierung und der Aufbewahrung von Stamm- und Finanzbuchführungsdaten zu erwarten. Die GoBD werden die Anforderungen an die laufende Buchhaltung erhöhen. Mangels Übergangsregelungen werden die neuen Vorgaben nach der Veröffentlichung unmittelbar gelten.