Neue Ausbildungsmethode

Mediziner operieren in Second Life

Im Imperial College in London sorgt derzeit eine neuartige Unterrichtsmethode für Aufsehen, die auf eine virtuelle Lernumgebung in der Online-Welt Second Life setzt.

Wie CNN berichtet, wurde von dem britischen Bildungsinstitut ein vollständig ausgestattetes Krankenhaus in der 3D-Welt errichtet, das Medizinstudenten als Trainings- und Lehreinrichtung zur Verfügung gestellt wird. Das Pilotprogramm, an dem derzeit lediglich fortgeschrittene Semester teilnehmen dürfen, soll die Studenten in erster Linie auf den Alltag in einem echten Krankenhaus vorbereiten. "Unser Ziel ist es, den Auszubildenden eine Lernumgebung zu bieten, die angenehmer ist als das reale Leben", erklärt Maria Toro-Troconis, Senior Learning Technologist am Imperial College. Der Ansatz des Spiele-basierten Lernens sei eine willkommene Abwechslung zum Besuch von Vorlesungen und dem Vertiefen in Fachliteratur.

"Derartige virtuelle Ausbildungsformen können die Praxisausbildung in einem echten Krankenhaus natürlich nicht ersetzen. Sie können aber als Vorbereitung in verschiedenen Bereichen durchaus sehr sinnvoll sein", meint Sören Huwendik, Leiter des Zentrums für virtuelle Patienten (ZVP) an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg, auf Anfrage von pressetext. Das ZVP nutze bereits seit geraumer Zeit eine interaktive, realitätsnahe Computersimulation der Patientenbetreuung mit dem Ziel der praxisnahen Aus-, Weiter- und Fortbildung sowie der Prüfung angehender Ärzte. "Durch die Simulation in einer virtuellen Umgebung können verschiedene Vorgehensweisen und Routinen verinnerlicht werden", erläutert Huwendik. Dass diese Art der Vorbereitung nun auch in Second Life angeboten wird, sei interessant. "Ich kann mir schon vorstellen, dass in dieser Umgebung das Lernen mehr Spaß macht als mit herkömmlichen Methoden. Zur Motivationssteigerung ist das Projekt daher sicherlich geeignet", so Huwendik.

Das Einhalten der entsprechenden Abläufe ist dabei im virtuellen Second-Life-Krankenhaus genauso wichtig wie im realen Leben. So müssen sich Studierende, die die computergenerierte Heilstätte betreten, zunächst mithilfe ihres Avatars an der Rezeption anmelden und eine Namenskarte mit entsprechender Zugangsberechtigung abholen. Anschließend begeben sie sich ins Büro der leitenden Ärztin, um dort über die aktuell anstehenden Aufgaben informiert zu werden. Erst nachdem dieses Krankenhaus-Standardprotokoll erfolgreich absolviert ist, dürfen die Auszubildenden das Behandlungszimmer eines virtuellen Patienten betreten. Vergisst einer der Studenten beispielsweise vor der Visite sich die Hände zu waschen, wird die Untersuchung sofort unterbrochen.

"Diese Art der Ausbildung ist lebensnotwendig, um sicherzustellen, dass die Ärzte von morgen so gut sein können, wie wir es von ihnen erwarten", stellt Martyn Partridge, Professorin der Abteilung für Pulmologie am Imperial College, gegenüber CNN fest. Bei Bedarf könnten die in der Online-Welt als Avatare auftretenden Medizinstudenten sogar Röntgenaufnahmen oder andere Diagnoseverfahren nutzen. Auch die kollaborative Zusammenarbeit unter den Studenten werde durch das neue Pilotprogramm gefördert. Wesentlicher Pluspunkt sei allerdings der Spaß, den die Teilnehmer des Second-Life-Lehrversuchs in der virtuellen Welt hätten. "Ich habe in den vergangenen zwei Jahren nur Vorlesungen und Bücher gesehen. Das spielerische Lernen in der dreidimensionalen Online-Welt ist da eine willkommene Abwechslung", betont Khayam Sheikh, einer der Medizinstudenten, die seit kurzem auch im Internet auf Visite gehen. (pte/cvi)