Ex-CompuServe-Chef Felix Somm im Interview

Felix Somm war von 1991 bis 1997 Geschäftsführer von CompuServe in Deutschland. Am 22. November 1995 wurden überraschend die Geschäftsräume von CompuServe von der Staatsanwaltschaft München durchsucht, da die Polizei in den Internet-Newsgroups von CompuServe illegale Pornographie mit Kindern und Tieren gefunden hatte.

Somm liess zuerst die fünf beanstandeten, und später 282 weitere Newsgroups bei CompuServe weltweit sperren. Diese freiwillige Selbstbeschränkung wurde in den USA als "Zensur" missverstanden. Unter den gesperrten Newsgroups befanden sich beispielsweise auch Foren, in denen betroffene Frauen über Brustkrebs diskutierten. Diese Gruppen waren nur wegen des Wortes "breast" im Namen der Newsgroup gesperrt worden. Außer den fünf ursprünglichen Foren wurden die 282 Gruppen nach Einführung der Filter-Software CyberPatrol durch CompuServe USA am 13. Februar 1996 wieder geöffnet. Weitere Gruppen mit illegalem Material wurden in den folgenden Monaten von CompuServe selbstständig geschlossen.

Als die Beamten schließlich bis März 1996 insgesamt 13 illegale Bilder in Newsgroups und drei indizierte Spiele in CompuServe-Foren fanden, erhob man gegen Somm am 26. Februar 1997 Anklage. Obwohl Verteidigung und Staatsanwalt während des Verfahrens im Mai 1998 Freispruch forderten, wurde Somm völlig überraschend zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 100.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Das Urteil zog internationale Reaktionen nach sich und wurde von Politikern, Juristen und Wirtschaftsvertretern teils scharf kritisiert. Amtsrichter Wilhelm Hubbert hatte unter anderem das seit 1997 in Kraft befindliche Teledienste-Gesetz (IuKDG) nur teilweise angewandt. In der Berufungsverhandlung wurde Somm am 17. November 1999 vom Landesgericht München freigesprochen. TecChannel traf Felix Somm zwei Stunden nach Urteilsverkündung in einem Münchner Hotel. Im folgenden Interview nimmt er zum ersten Mal seit vier Jahren ausführlich zu den Ermittlungen gegen ihn Stellung.

tecChannel: Was ist Ihnen als Erstes durch den Kopf gegangen, als Sie das Urteil gehört haben: "Herr Somm wird freigesprochen?"

Somm: Ich hab mir nur gesagt: Gott sei Dank! Beim letzten Urteil war es ja so, dass ich es zehn Minuten lang einfach nicht glauben konnte.

tecChannel: Als Sie im Mai 1998 verurteilt wurden, sollen Sie auf die Anklagebank gespuckt haben. Wie zornig und persönlich betroffen waren Sie damals?

Somm: Ich war persönlich sehr getroffen und schockiert. Nach den Plädoyers hatte es ja keine Anzeichen gegeben, in irgendeiner Form, dass eine Verurteilung ansteht. Ich habe mich nur hingesetzt und gesagt: Ich verstehe die Welt nicht mehr.