Michael Waidner, Fraunhofer SIT

"Das Vertrauen in die Sicherheit der IT ist erschüttert"

Die "typisch deutsche Haltung"

Verlassen wir das politische Terrain und widmen uns der Realität. Wie schätzen Sie derzeit die deutsche IT-Security-Szene ein, speziell im Bereich der Start-ups?

WAIDNER: Die deutsche Szene ist sehr rege, geprägt von mittelständischen Unternehmen und natürlich von den Uni-Instituten und Forschungseinrichtungen. Da die Fraunhofer-Gesellschaft selbst Start-ups hervorbringt, bekomme ich das recht hautnah mit. Das große Problem für Start-ups ist unverändert, ausreichend Risikokapital zu bekommen. Die Vorstellungen, was eine Firma als Startkapital braucht, klaffen dabei oft sehr weit auseinander. Häufig geht es dann um Beträge, die einfach zu klein sind, als dass sie wirklich weiterhelfen würden. Viele Start-ups müssen sich deshalb zu einem guten Teil über staatlich finanzierte Projekte finanzieren. Das ist eine typische deutsche Situation und Haltung.

In den USA ist das ganz anders. Dort ist es deutlich einfacher, Risikokapital zu bekommen. Wir sehen deshalb immer noch sehr häufig, dass Leute mit guten Ideen ins Ausland abwandern. Das ist bedauerlich, weil es hierzulande sehr erfolgreiche Forschungsgebiete gibt, mit deren Resultate man Start-ups gründen könnte und sollte. Gerade in dem Bereich Sicherheitstesten von Software und dem systematisch sicheren Entwurf von IT - das Schlagwort ist "Security by Design" - gibt es in Deutschland zurzeit äußerst viele und erfolgreiche Forschungsaktivitäten. Die dort Aktiven werden früher oder später abwandern, wenn sie in Deutschland keine Möglichkeit bekommen, leichter auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Was ist zu tun?

WAIDNER: Risikokapitalgeber und -nehmer müssen sich daran gewöhnen, dass man eben Risiken eingehen und auch größere Summen in die Hand nehmen muss. Der Gesetzgeber kann nur Rahmenbedingungen schaffen, die Ausgründungen vereinfachen.

Vielen Kapitalgebern geht es selbst wirtschaftlich nicht unbedingt blendend. Wie viel Überzeugungsarbeit ist da zu leisten?

WAIDNER: Ich denke, das Problem sitzt in den Köpfen. Das beste Beispiel ist die Firmeninsolvenz: Nach einer Insolvenz ist ein Unternehmer in Deutschland für die nächsten Jahrzehnte gebrandmarkt. Diese Einstellung muss sich ändern. Zudem geht es Deutschland wirtschaftlich sehr gut - die Frage ist also: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Welche Rolle spielen die Fraunhofer-Institute, was das "Rühren der Werbetrommel" für eine bessere Start-up-Kultur angeht?

WAIDNER: Viele der Technologien, die Fraunhofer entwickelt, sind naturgemäß gute Kandidaten für Start-ups, und wenn die Randbedingungen stimmen, dann streben wir gezielt eine Ausgründung an. Ich habe bereits das "OmniCloud"-Projekt am Fraunhofer SIT erwähnt. Das ist ein klassischer Fall: Wir entwickeln am Institut eine innovative Lösung, mit der Unternehmen ihre Daten in der Cloud absichern können. Dafür gibt es ein hohes Marktpotenzial, und damit stimmen aus unserer Sicht die Voraussetzungen für eine Ausgründung.

Sehr wichtig ist, dass sich die Kultur in unserer Gesellschaft ändert. Auf Dauer müssen wir die Einstellung gewinnen, dass wenn von fünf Ausgründungen auch nur eine ein Erfolg war, es toll gelaufen ist.