Innovative Dienste

Ein steigender Bedarf an Sprach- und Datenkommunikation bestimmt heute den Ausbau der Unternehmensnetze. Schon werben Dienstleister mit attraktiven Leistungsmerkmalen und Kostenstrukturen für "Virtuelle Private Netze"

Von: Gerd O. Bausewein

Gateway: Die Diskussion um Unternehmensnetze ist geprägt von Themen wie Corporate Network, Virtual Private Network oder Intranet. Wie würden Sie die einzelnen Begriffe definieren beziehungsweise gegeneinander abgrenzen?

Cordula Willems: Seit dem 1.8.1996 ist gemäß der Richtlinie des BMPT (Bundesministerium für Post und Telekommunikaton) auch die Übertragung und Vermittlung von Sprache innerhalb eines Unternehmensverbundes erlaubt. Die Vernetzung von Unternehmensstandorten - über TK-Anlagen und entsprechend angemieteten Leitungen (ISDN, Frame Relay) - ermöglicht die unternehmensweite Bereitstellung von Leistungsmerkmalen für Sprache und Daten. Ein solches Corporate Network (CN) kann in Eigenregie oder auch von einem Carrier betrieben werden.

Virtual Private Networks (VPN) werden in der Regel wie folgt beschrieben: Ein VPN ist ein unternehmensweites Netz, welches auf der Infrastruktur und dem Diensteangebot eines öffentlichen Netzanbieters als separate logische Einheit abgebildet wird. Also ein quasi privates Netz, das einem geschlossenen Nutzerkreis Dienste und Anwendungen zur Verfügung stellt, wie sie sonst nur ein Corporate Network bietet. Die einzelnen Verbindungen und die vereinbarten Dienste werden jedoch nur im Bedarfsfall bereitgestellt. Dem Nutzer bleiben dadurch hohe Kosten für die einzelnen Festverbindungen erspart. Das VPN kann daher als eine mögliche Realisierungsvariante eines Corporate Network betrachtet werden. Beide Varianten der Unternehmensvernetzung dienen in erster Linie der Bereitstellung von Sprachmehrwertdiensten, wie beispielsweise TK-Anlagenfunktionen, Call-Center-Lösungen et cetera. Zunehmend erlauben sogenannte Multiplexer, Sprache und Daten und zukünftig auch Video im Rahmen eines CN zu integrieren.

Zur Bereitstellung von Datenmehrwertdiensten bauen Unternehmen zunehmend sogenannte Intranets auf. Intranets sind Kommunikationsnetze für geschlossene Benutzergruppen, welche auf Internet-Technik basieren und zur internen Nutzung Dienste und Anwendungen, wie EMail, Web-basierte Informationsdienste oder Diskussionsforen, zur Verfügung stellen. Die gegenwärtigen Entwicklungen und Standardisierungsverfahren zeigen deutlich, daß sich auch Dienste aus dem Bereich der Sprach- und Videokommunikation auf Basis von IP-Technik realisieren lassen. Internet-Telefonie und Videoconferencing sind nur einige Beispiele dafür.

Gateway: Was sind die Besonderheiten eines VPN gegenüber einem klassischen CN?

Willems: Ein physikalisches Netz mit Mietleitungen beziehungsweise Festverbindungen ist insbesondere bei einer geringen Nutzung (geringes nationales internes Kommunikationsvolumen) häufig zu kostenaufwendig. Bei einer schnellen Integration von neuen Unternehmensstandorten ist dieser Weg in der Regel zu unflexibel. Dagegen lassen sich in einem VPN auch kleine Standorte (Zweigniederlassungen, Filialen) ohne Verzicht auf erforderliche Dienstemerkmale schnell und wirtschaftlich einbeziehen. Außerdem liegt die Verantwortung für Topologie des Netzes, Funktion und Zuverlässigkeit sowie Netz- und Servicemanagement in der Regel beim VPN-Anbieter.

Gateway: Welche Rolle spielt dabei das sogenannte Intelligent Network?

Willems: Die Realisierung des VPN erfolgt auf Basis des öffentlichen Telefonnetzes sowie über die Architektur des "Intelligent Network" (IN), welche die zentrale Bereitstellung von Mehrwertdiensten im öffentlichen Netz ermöglicht. Beispiele für IN-basierte Dienste sind die bekannten Servicenummern 0130, 0180 und 0190. Das IN übernimmt sowohl das Routing der jeweiligen Teilnehmerinformationen als auch das Gebührenmanagement der jeweiligen Dienste. Eine Vielzahl von Diensten, wie beispielsweise Anrufweiterleitung, "Follow-me"-Funktionen oder automatische Anrufverteilung, setzen Intelligenz voraus und erfordern eine zentrale Verwaltung der jeweiligen Teilnehmerinformationen.

Gateway: Was sind typische Leistungsmerkmale, die sich innerhalb eines VPN realisieren lassen?

Willems: Ein typisches Leistungsmerkmal gegenwärtiger VPN-Angebote ist der Aufbau eines privaten Rufnummernplans. Das heißt, jeder Teilnehmer/Mitarbeiter erhält eine eigene PNP-Rufnummer (Private Numbering Plan), die er unabhängig von Standort- oder Arbeitsplatzwechsel benutzen kann. Weitere Merkmale sind unternehmensweite Kurzwahlnummern für häufig angerufene Teilnehmer oder auch Follow-me-Funktionen zur Steigerung der Erreichbarkeit von Mitarbeitern.

Gateway: Können Sie den Nutzern einige Leistungsmerkmale beispielhaft verdeutlichen?

Willems: Betrachten wir den privaten Rufnummernplan: Unabhängig von bestehenden Unternehmensstrukturen und Organisationen lassen sich hier virtuelle Strukturen, zum Beispiel im Rahmen von Telekoopera-tion, einrichten. Dazu werden entsprechende Organisationseinheiten im Rufnummernplan abgebildet, und eine effizientere und meist kostengünstigere Kommunikation ist gewährleistet.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Rahmen unternehmerischer Geschäftsprozesse ist das Thema Erreichbarkeit. Doch dies muß zu möglichst akzeptablen Kosten erfolgen. Ein VPN schließt dabei auch netzübergreifende Funktionen ein, damit sich beispielsweise Mobilfunkkurznachrichten (Short Message Services - SMS) auch im Festnetz übertragen lassen.

Gateway: Wann rechnen sich VPNs? Hängt es nur vom Kommunikationsvolumen ab, oder gibt es auch noch andere Faktoren, wie beispielsweise die Art der benötigten Dienste?

Willems: Sicherlich spielt das Kommunikationsvolumen eine entscheidende Rolle. Insbesondere bei einem hohen nationalen Verkehrsaufkommen, zum Beispiel im Sprach- oder Datenverkehr, ist der Einsatz von Corporate Networks weit verbreitet.

Wenn es jedoch darum geht, schnell und flexibel Dienste bereitstellen zu können, die zudem noch eine gewisse Intelligenz erfordern, ist die Entscheidung für intelligente virtuelle Unternehmensnetze auf Basis eines VPN/IN sicherlich sinnvoll. Wird beispielsweise ein gemeinsamer Anrufbeantworter für Fest- und Mobilfunkanschluß, das heißt eine Konvergenz von Netzen und Diensten, benötigt, spielt IN eine zentrale Rolle. Typisch sind aber auch Merkmale, wie Anrufverteilungen abhängig von Datum, Tageszeit oder anrufenden Nummern und flexible Gebührenverwaltung zwischen den Teilnehmern.

Gateway: Können Sie ein paar Beispiele für einen sinnvollen VPN-Einsatz in mittelständischen Unternehmen nennen?

Willems: Mittelständische Unternehmen, die über mehrere Standorte verfügen, können ihre Kommunikation über maßgeschneiderte Kommunikationsnetze effizienter gestalten. Als Beispiel sei hier ein Speditionsunternehmen mit folgendem Szenario beschrieben: Für die Vermittlung von Speditionsaufträgen ist eine optimale Verteilung der Aufträge auf die einzelnen Fuhrunternehmen erforderlich. Mit Unterstützung eines intelligenten telefonischen "Bereitschafts- und Abfragedienstes" könnten Fuhrunternehmen beispielsweise aktuelle Aufträge in ihrer Region unter einer Servicenummer und mittels einer Kennziffer abfragen und die Verfügbarkeit bestätigen.

Ferner bieten zahlreiche Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, wie mittlere Beratungsfirmen, Anwaltskanzleien mit mehreren nationalen und internationalen Vertretungen, hinreichend Potential für die Bereitstellung von virtuellen Sprach- und Datennetzen. Denkbare Anwendungen sind beispielsweise der Datenbankenaustausch, die gemeinsame Bearbeitung von Projektunterlagen, Videoconferencing oder der externe Zugriff auf interne Sprach- und Datendienste. Zukünftig bietet der Einsatz von IN auch die Möglichkeit, während eines Gespräches den Verbindungstarif zu wechseln oder bei Hinzuschalten einer Videoverbindung ohne Gesprächsunterbrechung die benötigte Bandbreite zu bekommen.

Gateway: Was ist zu beachten, wenn ein VPN international betrieben werden soll?

Willems: Mit den jeweils in Frage kommenden Anbietern werden entsprechende Verträge abgeschlossen und die benötigten Informationen in den Rufnummernplänen hinterlegt. Notwendige Änderungen oder Ergänzungen nimmt dann in der Regel der nationale Anbieter vor. Des weiteren bestehen entsprechende Abkommen zwischen deutschen und internationalen Carriern.

Gateway: Wie kommt der Wettbewerb in bezug auf VPN-Dienste in Gang? Gibt es bereits ernstzunehmende Alternativen zur Deutschen Telekom?

Willems: Alternative Carrier, wie Otelo, Arcor oder Viag Interkom, bieten heute schon insbesondere im Bereich der Sprachmehrwertdienste attraktive Dienste an. Spätestens ab 1998 werden neben den Netzbetreibern auch Service-Provider eine Palette von maßgeschneiderten Diensten haben. Sicherlich noch nicht in aller Breite, aber mit ausgewählten Produkt- und Diensteangeboten und flexiblen Tarifstrukturen könnten sie auf Teilmärkten wettbewerbsfähig sein.

Letztendlich wird sich der Anwender nicht für eine bestimmte technische Infrastruktur entscheiden, sondern für die im Vordergrund stehenden Dienste und Anwendungen, unabhängig davon, auf welcher Netzinfrastruktur und von welchem Anbieter sie realisiert sind. Über den Preis alleine werden sich die Wettbewerber nicht differenzieren können. Entscheidend sind zusätzliche Faktoren wie Leistungsangebot, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Serviceumfang.

Die Auswahl der geeigneten Dienste und Anbieter erfordert jedoch im Vorfeld eine detaillierte Analyse des eigenen Kommunikationsaufkommens und der bestehenden Infrastruktur. Alternative Lösungen zur Gestaltung einer effizienten TK-Infrastruktur lassen sich so sukzessive erarbeiten.