Eine Stadt fällt aus dem Netz

Bauaufsicht verhindert nachträgliche Genehmigung

Spätestens hier tritt Thomas Naumann, Chef der Bauaufsichtbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf, ins Rampenlicht. Naumann fügte sich nicht in die Schlappe und war bereit, den Fall bis zum Ende durchzufechten. Namens des Kreises legte er Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof ein, der das Gießener Urteil schließlich kassierte. Der Kasseler Senat bestätigte die "formelle Illegalität" der Anlagen und setzte zugleich mit dem aufgeschobenen Nutzungsverbot eine ebenfalls verfügte Beseitigungsanordnung erneut in Kraft.

Als T-Mobile daraufhin die beiden Sender am 14. April abschaltete und im Stadtallendorfer D1-Netz nichts mehr ging, rieben sich nicht nur rund 5000 Kunden des Betreibers verwundert die Augen. "Dass der Kasseler Gerichtshof die Dinge derart auf den Kopf stellt, hat uns selbst überrascht", erklärt Vollmer, "das war nicht unsere Absicht." Die habe vielmehr darin bestanden, den Betreiber an den Verhandlungstisch und von der Konfrontations- auf eine Kooperationslinie zu bringen. "Eine definitive Stilllegung haben wir nie bezweckt". Dumm gelaufen, aber nicht ganz so unvorhersehbar, wie Vollmer den Hergang darstellt. "Spätestens mit der Beschwerde gegen den Gießener Beschluss musste jeder wissen, worauf die Sache hinauslaufen würde", rückt Naumann die Dinge zurecht.

Dass Vollmer den Schwarzen Peter gerne dem Kreisbauamt zuspielen möchte, ist verständlich. Wo der nun de jure tatsächlich liegt, spielt jedoch kaum eine Rolle. De facto nämlich bleibt er bei der Stadtverwaltung hängen, die sich schlagartig mit unerwartet vehementen Protesten konfrontiert sieht: "Hellen Aufruhr" habe es nach der Abschaltung gegeben, vor allem von Seiten der Wirtschaft, bestätigt Vollmer. "Deshalb haben wir nicht gezögert und innerhalb weniger Stunden eine mobile Antennenanlage im Industriegebiet genehmigt." Viel ist damit aber nicht gewonnen. Denn obschon der Notmast auf dem Gelände einer Eisengießerei den völligen Zusammenbruch des T-Mobile-Netzes verhindern konnte, bleibt dieses löchrig und instabil.

Das bringt die Betroffenen in Rage. Stocksauer darüber, dass sein Mobiltelefon zeitweise keinen Mucks mehr macht, ist beispielsweise Ali-Raza Sharamfer, der für ein Stadtallendorfer Taxiunternehmen fährt. "Wenn ich schon den ganzen Tag über im Auto sitze, möchte ich wenigstens telefonisch für meine Familie erreichbar sein", schimpft der Taxifahrer. "Das muss funktionieren, sonst komme ich mir isoliert vor". Für Sharamfer ist das Handy sein wichtigster Draht zur Außenwelt. "Mein Kind ist in Kirchhain im Kindergarten, meine Frau arbeitet in Marburg. Wenn da mal was passiert, muss man mir doch Bescheid sagen können."