Eine Stadt fällt aus dem Netz

Wirtschaftliche Nachteile drohen

Über dem Stadtallendorfer Rathaus ging indes nicht nur das Gewitter privater Zornkundgebungen nieder. Was es für die Wirtschaft bedeutet, wenn ein mittlerweile selbstverständliches, fest im sozialen und gewerblichen Gefüge verankertes Medium plötzlich ausfällt, machten ortsansässige Unternehmer ihren Stadtvätern klar. Zwei Großspediteure befürchten für den Fall einer ersatzlosen Komplettabschaltung schwer wiegende Dispositionsprobleme und Serviceeinbußen; ein Industrieunternehmen sieht Schlüsselfunktionalitäten seiner Betriebssteuerung in Frage gestellt.

"Alarmierend und in der weiteren Perspektive äußerst bedrohlich" ist das Antennendilemma für die Fritz Winter GmbH, einen international ausgerichteten Zulieferer der Automobilindustrie. Das Gießereiunternehmen setzt auf eine zuverlässig verfügbare Netzabdeckung, um reibungslose Produktionsabläufe zu gewährleisten. Mobiltelefone haben sich auf dem weitläufigen Werksgelände für die Arbeitsorganisation bewährt. Mit ihrer Hilfe steuert das Unternehmen den Personaleinsatz. Techniker sind rasch erreichbar, wenn Probleme an den Öfen oder den Montagebändern auftreten. Dadurch ließ sich die Ausschussquote deutlich senken. "Da die gesamte Kommunikation der Bereiche Verkauf und Produktion sowie die innerbetriebliche Abstimmung weitestgehend auf mobilen Verbindungen beruht, wäre ein Komplettausfall des D1-Netzes eine Katastrophe", sagt Unternehmensjustitiar Thomas Wetzler.

Unverzichtbar ist eine funktionierende mobile Kommunikations-Inf-rastruktur auch für die Fuhrunternehmen Kautetzky und Segendorf. Beide Speditionen wickeln ihre Personal- und Frachtdisposition, das Auftragsmanagement, die funkgestützte Fahrzeugortung, die Kühlüberwachung sowie ihre Kundendienstleistungen über D1-Telefone ab. Bricht die Mobilfunkversorgung zusammen, drohen empfindliche Verluste und die Abwanderung unzufriedener Auftraggeber. Weil die mobile Erreichbarkeit der Fahrer in vielen Fällen vertraglich vereinbart ist, stehen zudem erhebliche haftungsrechtliche Konsequenzen im Raum. "Unser Geschäft ist ohne Handy nicht mehr zu stemmen", erklärt Klaus Segendorf, "das gilt für die Steuerung der Fahrzeugflotte und erst recht im Bereich klimasensibler Waren".

Segendorf hat allen Grund zur Sorge: Sowohl in den Lagerhallen der Spedition als auch in den Auflegern wird wärmeempfindliches Gut durch Kühlsysteme geschützt, die ihre Statusdaten per Funk an den Frachtunternehmer oder direkt an den Kunden übermitteln. Tritt ein Defekt auf, schlägt das System automatisch Alarm und verschickt Warnmeldungen unterer anderem auf das Handy des Fuhrunternehmers. "Dann zählt wirklich jede Sekunde", sagt Segendorf, "ein Fahrer oder Lagerarbeiter muss benachrichtigt und eingewiesen werden, um den Fehler zu beheben, bevor die Fracht verdirbt." Wie er diesen Service garantieren soll, wenn seine rund 40 D1-Telefone lahm gelegt sind, ist dem Fuhrunternehmer schleierhaft. "Solche Dinge haben die Politiker wahrscheinlich gar nicht bedacht."

Schlichtweg undenkbar wäre ein Verzicht auf mobile Kommunikationstechnologien auch für Kurt Kautezky. "Es ist im Speditionsgewerbe selbstverständlicher Standard, dass wir jederzeit Kontakt mit den Fahrern halten und Informationen über den aktuellen Standort einer Ladung sowie zum Abfertigungs- oder Transportstatus abfragen können", sagt der Fuhrunternehmer. "Ohne Handy können wir unsere Arbeit nicht erledigen, jedenfalls nicht so, wie unsere Auftraggeber das erwarten."