Customer Relationship Management

Social CRM: Web-Communities ausnutzen

17.08.2009 von Klaus Manhart
Social CRM bereichert das herkömmliche Kundenbeziehungs-Management um Informationen aus sozialen Web-Netzwerken. Vertriebsleute sollen dadurch produktiver werden, das Unternehmen mehr über seine Kunden erfahren. CRM-Hersteller, allen voran Oracle, erweitern ihre Software um Social Computing Komponenten.

Facebook, Xing, Linkedin und andere Web-Communities hinterlassen ihre Spuren seit einiger Zeit auch im eher konservativ geprägten CRM-Markt. Das nutzergenerierte Web dringt unter dem Schlagwort Social CRM oder CRM 2.0 immer mehr in das Kundenbeziehungs-Management ein - und gilt als nächste Entwicklungsstufe des CRM.

Bislang stieß das Social Web bei Unternehmen wenig auf Gegenliebe. Schließlich können sich Konsumenten in den Communities uneingeschränkt über Anbieter informieren, Preise vergleichen, Erfahrungen mit Produkten oder dem Service austauschen - und vor allem diese auch bewerten.

Das Dilemma: Für Unternehmen sind diese Netzwerke nicht direkt steuerbar. Sie haben praktisch keine Eingreifmöglichkeiten. Andererseits sind die vielen Foren, etwa zu bestimmten Automarken oder –typen, heute immer mehr meinungsbildend für Kunden und Interessenten. Klassisches CRM bekommt davon nichts mit. Es besteht die Gefahr, dass die Beziehung zum Unternehmen zu einem deutlichen Anteil faktisch durch die Kunden geführt wird.

Netzwerk-Communities: CRM-Anbieter entdecken soziale Netze als Datenquelle (Quelle: Oracle).

Social CRM will nun das Potential dieser Netz-Communities für Unternehmenszwecke nutzen. Es setzt darauf, Kunden neben den klassischen Kanälen über Blogs und Social Networks zu erreichen, mehr über sie zu erfahren und Stimmungslagen und Probleme der Kunden frühzeitig zu erkennen und diesen zu begegnen.

CRM-Experten und Software-Hersteller sehen hier eine neue, vielversprechende Quelle für Daten. Das klassische, transaktionsorientierte CRM soll durch Social CRM nicht abgelöst, aber produktiver gemacht werden. CRM 2.0 soll präzisere Kundenprofile erzeugen, die es Unternehmen möglich machen, Angebote individueller und zielgenauer auf Kundenbedürfnisse zuzuschneidern. Doch erst einmal muss entsprechend angepasste Software die Community-Aktivitäten erfassen und für CRM-Progamme nutzbar gemacht werden.

Verbindung: CRM 2.0 (hier CRM+) will das Social Web integrieren und für Unternehmen nutzbar machen.

Social CRM - Trendsetter Oracle

Damit aus dem Social Web ein Social CRM wird, rüsten CRM-Anbieter derzeit ihre Software mit Schnittstellen zu Facebook und anderen Communities aus. Als Trendsetter beim Social CRM gilt der Datenbankspezialist Oracle. Der Software-Konzern gilt als entschiedener Verfechter der CRM-2.0-Bewegung und öffnet die eigene CRM-Suite für soziale Netze.

Oracle vermarktet Bausteine, mit denen die Ideen von Internet-Netzwerken für den Verkauf und die Kundenbetreuung genutzt werden sollen. Hierzu bilden die Datenbank-Spezialisten die Beziehungen, die Kunden auf den Netz-Plattformen pflegen, auch im Datenmodell des CRM-Systems ab. Helfen sollen dabei Metadaten aus den Netzen, die sich das Oracle-Programm über eine Schnittstelle besorgt.

Angezapft: Oracle integriert Netzwerkdaten von Xing und anderen in seine CRM-Suite (Quelle: Oracle).

Derartige Beziehungsgeflechte kann herkömmliche CRM-Software nicht abbilden. Klassische CRM-Programme sehen laut Oracle nämlich eine Hierarchie von Käufern und Lieferanten vor. In sozialen Netzwerken könne jedoch eine Person mehrere Rollen einnehmen, was sich im Datenmodell widerspiegeln muss.

Das neue Datenmodell ermöglicht es CRM-Nutzern, nicht nur Daten aus den sozialen Netzen abzusaugen, sondern auch mit einem Kunden, der Mitglied eines Netzwerkes ist, in Kontakt zu treten. Außerdem können Unternehmen nicht nur bestehende soziale Netze berücksichtigen, sondern selbst solche Plattformen aufbauen. Diese Systeme könnten - anders als die Netze wie Facebook - auf die Bedürfnisse der Käufer zugeschnitten sein und qualitativ hochwertige Informationen enthalten.

Oracle Social CRM Applications

Auf der Website Social CRM Applications stellt Oracle CRM-2.0-Anwendungen vor, welche die eigenen CRM-Produkte ergänzen sollen. Das um soziale Komponenten erweiterte Vertriebs-Tool Sales Prospector beispielsweise soll helfen, vielversprechende Kunden und Verkaufschancen zu identifizieren. Es analysiert die Verkaufshistorie von Kunden und macht Vorschläge für zukünftige Deals.

Sales Prospector erkennt auf der Grundlage von Kaufmustern von Kunden, was welchen potenziellen Kunden mit ähnlichen Eigenschaften angeboten werden sollte. Zudem bietet das Tool Kundenreferenzen an, die optimal zum Profil des potenziellen Kunden passen.

Dreiergruppe: Sales Prospector, Sales Campaign und Sales Library bilden Oracles wichtigste Social CRM Bausteine (Quelle: Oracle).

Zu den Social CRM Applications zählt auch Sales Campaign, das die Vertriebs- und Marketing-Abteilung bei E-Mail-Kampagnen unterstützt. Benutzer können damit auf der Grundlage von Kundenbewertungen und früheren Erfolgsquoten ermitteln, welche E-Mail-Kampagnen sich am besten eignen. Die Erfolge einzelner Kampagnen lassen sich dabei verfolgen. Informationen, die früher nur der Marketingabteilung zur Verfügung standen, können nun von allen Vertriebsmitarbeitern über das soziale Netzwerk abgerufen werden.

Mit dem dritten Modul Sales Library lassen sich erfolgreiche Präsentationen kollaborativ auch von anderen Anwendern im Unternehmensnetz nutzen und erweitern. Inhalte aus einer Sammlung von Folien können gemeinsam verwendet, aufgerufen und ausgewählt werden, um Präsentationen und Werbebotschaften gezielter zu gestalten.

Die OpenSocial API

Die Schnittstelle, über die sich Oracle die Metadaten aus den sozialen Netzwerken besorgt, bildet das von Google entwickelte OpenSocial API. Die OpenSocial API ist eine Menge von Programmier-Interfaces für Anwendungen in webbasierten sozialen Netzen - und kann allgemein in CRM-Lösung für das Herausziehen von Daten aus den Communities verwendet werden.

Die Technologie basiert weitgehend auf offenen Standards wie HTML und Javascript und unterstützt mehrere APIs. Jede API zielt auf unterschiedliche Aufgaben: eine generelle Javascript-API, eine für Menschen (Menschen und deren Beziehungen), eine für Aktivitäten (Veröffentlichungen) und eine für Single Sign-On.

Im Wesentlichen ist eine Social Application nichts weiter als ein Gadget, ein XML-Dokument mit Metadaten, HTML- und Javascript-Elementen. Die Netzwerk-Software, in deren Kontext etwa eine CRM-Anwendung ausgeführt wird, wird als Container bezeichnet. Über die OpenSocial API ermöglicht der Container seinen Anwendungen den Zugriff auf Profil- und Kontaktdaten sowie eventuelle Nachrichtensysteme und Update-Feeds.

AJAX-basierte Abfragen steuern die Datenverarbeitung zwischen dem Gadget und dem Container. Die XML-Spezifikation eines Gadgets wird vom Container gerendert und in das eigene Webangebot integriert. Mittels der OpenSocial API gibt der Container den Applikationen Zugriff auf Profil- und Kontaktdaten sowie Nachrichtensystem oder Update-Feeds.

Anwendungen, welche die OpenSocial-API nutzen, sind mit jedem anderen sozialen Netzwerk interoperabel, das ebenfalls die API unterstützt. So können Funktionen von Seiten wie MySpace miteinander verknüpft werden. OpenSocial wird mittlerweile von der OpenSocial Foundation betreut und entwickelt. Eine genauere deutschsprachige Beschreibung von OpenSocial finden Sie bei der Gesellschaft für Informatik.

SAP und Salesforce

Auch SAP beabsichtigt, soziale Netzwerke mit der eigenen CRM-Lösung zu verbinden. SAP verspricht sich davon unter anderem, dass Support-Mitarbeiter bei Beschwerden über ein Produkt via CRM auch Inhalte von externen Online-Communities auswerten sollen. In Frage kommen dabei insbesondere Websites, auf denen sich Nutzer über ihre Erfahrungen und Ärgernisse austauschen. Das Ziel dabei ist, unstrukturierte Informationen aus dem öffentlichen Web in die Bearbeitung von Anwenderproblemen einzubeziehen.

Einer der ersten CRM-Hersteller, der Daten direkt aus der Web-Community Facebook in das CRM-System einlesen konnte, war der CRM-On-Demand-Anbieter Salesforce.com. Speziell für die Kommunikation über Facebook hat der CRM-Spezialist das Kundendatenmodell erweitert. So kann nun auch die Facebook-ID eines Käufers in den Stammdaten abgelegt werden. Auf diese Weise können Anwender über die CRM-Plattform mit Kunden in Kontakt treten, die in Netz-Communities aktiv sind. Gleichzeitig können Internet-Konversationen zwischen den Kunden und der Firma verfolgt werden.

Neben der "klassischen" Historie eines Kunden - Bestellungen, Beschwerden und Service-Tickets – lassen sich damit auch Kundenaktivitäten im Web-2.0-Umfeld nachvollziehen – die Einwilligung des Kunden vorausgesetzt. Unternehmen sind damit in der Lage, eine per E-Mail formulierte Anfrage eines Kunden beispielsweise über einen Dialog in Facebook zu beantworten.

Communiy-Kontakt: Anwender der Salesforce.com CRM-Plattform können mit Kunden in Kontakt treten, die in Netz-Gemeinschaften aktiv sind.

Auf der On-Demand-Umgebung will Salesforce.com nicht mehr nur eigene Geschäftsanwendungen und die von Partnern ablaufen lassen. Über Force.com Sites sollen Unternehmen auch eigene Web-Seiten beziehungsweise Online-Applikationen entwickeln können.

Die Cloud-Computing-Plattform ermöglicht es Entwicklern, Inhalte von Facebook und andere Netzwerken mit der Datenbank, Logik und den Workflows von Force.com zu verbinden und auf der Salesforce-Infrastruktur zu betreiben. Auf der Entwicklungs-Plattform sind hierfür APIs sowie Tools und Services frei verfügbar, die IT-Abteilungen zur Erstellung individueller Geschäftsanwendungen nutzen können.

CRM lässt Twittern

Einen hohen Stellwert im Social CRM nimmt auch der Microblogging-Dienst Twitter ein. Das Twitter-Netzwerk ist ein per Website oder Mobiltelefon geführtes Medium zum Austausch von Informationen und Erfahrungen. Twitter ermöglicht eine sehr direkte und authentische, auf SMS-Länge beschränkte Kommunikation mit Kunden. Solche Microblogger könnten künftig eine größere Rolle im CRM-Umfeld einnehmen.

Vor allem zwei Gründe sprechen für den CRM-Einsatz dieser Werkzeuge. Zum einen ist es sehr einfach, Kunden mit ihren Anliegen und Bedürfnissen kennenzulernen. Zum anderen können Kunden schnell bei Problemen mit Produkten oder Dienstleistungen unterstützt werden.

Diese Vorteile haben schon eine ganze Reihe von Unternehmen für sich erkannt. Beispielsweise integriert Omniture Twitter-Daten bei seinem Webanalyse-Tool SiteCatalyst in die Online-Marketing-Analyse, um mehr über Kundenwünsche zu erfahren und sie bei Produktproblemen zu unterstützen.

Mit der Twitter-Funktion von SiteCatalyst erhalten Marketingverantwortliche Antworten auf Fragen wie "Wer spricht auf Twitter über meine Marke" oder "Wen erreichen wir auf Twitter?". Zudem lassen sich sowohl Fans als auch Gegner der eigenen Marke ausmachen. Produktmanager erfahren von eventuellen Verbesserungswünschen ihrer Kunden und können diese Informationen sinnvoll in ihre Planung einbeziehen.

Die SiteCatalyst-Integration mit Twitter nutzt Echtzeit-Alerts. Dabei werden die Analysedaten nach vorkonfigurierten Regeln sofort als E-Mails und SMS-Nachrichten auf Wunsch auch auf mobile Endgeräte gesendet. Zusätzlich können unlimitierte Keyword-Listen erstellt werden, mit denen sich relevante Twitter-Texte analysieren lassen.

Auch die Fluggesellschaft Southwest Air, der Autohersteller Ford, Teeproduzent Puretea verwenden das Microblogging-System.

Twitter-Tools für Unternehmen

Auch Twitter-Daten wie auflaufende Kundegespräche müssen irgendwie erfasst und organisiert werden. Fast alle bekannten CRM-Anbieter wie SAP oder Microsoft arbeiten an entsprechenden Schnittstellen. Beispielsweise will Microsoft sein Dynamics CRM um eine als Social Networking Accelerator bezeichnete Komponente erweitern, die die Einbindung von Twitter in die Kundenmanagementsoftware unterstützt.

Salesforce hat Twitter bereits in seine CRM-Lösung integriert. Mit Salesforce CRM for Twitter können Nutzer der On-Demand-Applikation direkt auf den Microbloggingdienst zugreifen. Dabei lässt sich nicht nur nach Tweets, den Beiträgen auf Twitter, suchen, sondern diese können auch zusammen mit allen Antworten aufgezeichnet werden. Darüber hinaus können Servicemitarbeitern direkt in Konversationen eingreifen und auf Fragen oder Kommentare reagieren. Die Twitter-Anbindung wird in die Service-Wolke eingebunden, mit der Salesforce den Zugang zu Cloud-Computing-Plattformen wie dem erwähnten Facebook ermöglicht.

Keywords und Trends beobachten: CoTweed integriert die Twitter Suche, so dass Marken, Produkte und Namen von Unternehmen ständig im Blick sind. (Quelle: CoTweed).

Ein von speziellen CRM-Lösungen unabhängiges Twitter-Interface für Unternehmen ist CoTweet. Über die webbasierte Plattform können Unternehmen mit ihren Kunden via Twitter in Kontakt und ihr CRM-System um verschiedene Twitter-Dienste erweitern. Administratoren legen Tasks an, weisen den Nutzern Aufgaben zu und speichern Notizen für die Team-Mitglieder.

Weiter sind dauerhafte Suchanfragen einstellbar, mit denen man beispielsweise Monitoring betreiben kann. Tweets können zudem vorgeplant und zu einem festgelegten Zeitpunkt automatisch veröffentlicht werden. Interessant ist auch die Möglichkeit, die Klickstatistiken direkt über eine Seitenleiste zu verfolgen. Eine ausführlichere Beschreibung, was mit CoTweet alles möglich ist, finden Sie hier.

Fazit

Social CRM soll vor allem die Produktivität der Vertriebsmitarbeiter erhöhen und integrativ wirken: Persönliche Informationen, Netzinhalte und Telefongespräche können so zusammengeführt werden. Gerade die Kombination aus klassischen und Internet-Daten erlaubt mehr über Kunden zu erfahren und Stimmungslagen und Probleme frühzeitig zu erkennen und diesen zu begegnen.

Ob Social CRM nur ein Hype ist oder sich tatsächlich auf breiterer Basis etabliert muss sich zeigen. Vieles spricht dafür, dass sich Web 2.0 Elemente und Social Software in die klassischen CRM-Tools fest integrieren. Zu stark und marktrelevant sind inzwischen die Netz-Communities geworden, als dass Firmen auf diese hochrelevanten, rasant anwachsenden Datenmengen verzichten könnten.

Vorreiter wie Oracle und Saleforce haben als erste ihre transaktionsorientierten CRM-Systeme um Social CRM-Elemente erweitert, um so von Web-Communities mehr über die Kunden erfahren. Metadaten aus den Netzwerken helfen dabei, die komplexen Netz-Beziehungsgeflechte im CRM-System abzubilden. Einen hohen Stellwert im Social CRM nimmt auch der Microblogging-Dienst Twitter ein. Einige Unternehmen haben bereits Schnittstellen zu dem Microblogging-Dienst etabliert und werten die Twitter-Kommunikation aus. (ala)