Enterprise Content Management, Teil 1

ECM: Informationsflut im Unternehmen im Griff

23.10.2008 von Klaus Manhart
Enterprise Content Management (ECM) hilft, der Daten- und Informationsflut in Unternehmen Herr zu werden. Der erste Teil dieser Serie grenzt ECM von anderen Formen des Content Management ab und stellt die wichtigsten Merkmale vor.

Unternehmen und deren Mitarbeiter sind heute täglich mit einer Flut von Informationen konfrontiert, die planvoll bearbeitet, weiterverarbeitet und archiviert werden muss. Problematisch und hinderlich für diese Prozesse ist dabei neben der immensen Informationsmasse vor allem die unterschiedliche, vielfältige Struktur der Daten und die diversen Tägermedien.

So liegt in vielen Unternehmen immer noch ein wesentlicher Teil von Informationen in Papierform vor - mit allen damit verbundenen Nachteilen wie aufwändiger Verwaltung oder Suche. Bei den digital abgelegten Informationen erschweren vor allem unstrukturierte Daten - E-Mails, Textdokumente, Präsentationen oder HTML-Seiten – die Weiterverarbeitung. Sie lassen sich nicht ohne Weiteres in ein einheitliches Format bringen und in Datenbanken speichern. Auch die Verteilung auf verschiedene Medien und IT-Systeme macht die Bearbeitung nicht einfacher.

Entsprechend schwierig gestaltet sich in der Praxis die Suche, Beschaffung und Weiterverarbeitung von Unternehmensinformationen. Für viele Firmen ist deshalb der effiziente Umgang mit den eigenen Informationsbeständen eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen. Die zentrale Frage lautet dabei: Ist es möglich, dass die richtigen Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort Zugriff auf die richtigen Daten und Informationen haben?

Enterprise Content Management (ECM) soll diese Probleme lösen. ECM vereint unterschiedliche Technologien wie Dokumenten-Management, Collaboration, Workflow-Management und Archivierung und stellt im Idealfall die Informations-Lebensader eines Unternehmens dar.

Teil 1: ECM - Informationsflut im Unternehmen im Griff

Teil 2: ECM: Die Komponenten im Überblick

Teil 3: ECM Informationsverwaltung: DM-Systeme, Groupware und Co.

Teil 4: Auswahlhilfe für die passende ECM-Software

ECM – erste Annäherung

Die Bezeichnung „Enterprise Content Management“ und das zugehörige Akronym „ECM“ ist ein modernes Kunstwort, dessen drei Einzelbegriffe eine spezielle Bedeutung haben. „Enterprise“ steht für eine IT-Lösung, die von Unternehmen und den dafür berechtigten Mitarbeitern genutzt werden kann. „Unternehmen“ ist dabei im weitesten Sinn zu verstehen, so dass auch öffentlichen Organisationen oder Vereine darunter fallen. Mit „Content“ sind beliebige, elektronisch verwaltbare Inhalte gemeint und „Management“ bezieht sich auf die Verarbeitung, Verwaltung und Kontrolle der Inhalte mit IT-Systemen.

Die Übersetzung „Unternehmensinhalte-Management“ klingt sperrig und hat sich im Deutschen nicht durchgesetzt. Ohnehin lässt sich die Bedeutung von ECM nicht vollständig auf die wörtliche Übersetzung reduzieren, sondern geht weit darüber hinaus. Beispielsweise nutzt ECM auch Methoden und Technologien, die das reine Content Management übersteigen und fördert etwa die Zusammenarbeit von Mitarbeitern und die Verbesserung des Workflows.

Grob gesprochen kann ECM als Teilgebiet des Informationsmanagements verstanden werden, das sich vorrangig mit schwach strukturierten oder unstrukturierten Informationen beschäftigt. Es umfasst Technologien zur Verarbeitung, Archivierung und Bereitstellung von Inhalten und Dokumenten in Unternehmen.

Anlaufstelle: Die AIIM-Website ist die wichtigste Informationsquelle für professionelles ECM und bietet Ratgeber, Kurse und Fallstudien.

Die „offizielle“ Definition von ECM liefert die „Association for Information and Image Management International“ in USA, kurz AIIM. Die AIIM ist ein Industriekonsortium, das sich als Vertreter und Repräsentant von Nutzern und Anbietern von ECM-Systemen versteht. Der weltweite Dachverband definiert ECM als „Technologie zur Erfassung, Verwaltung, Speicherung, Bewahrung und Bereitstellung von Content und Dokumenten zur Unterstützung von organisatorischen Prozessen.“ Dabei erlauben ECM-Werkzeuge und -Strategien „die Verwaltung aller unstrukturierten Informationen einer Organisation, wo immer diese auch existieren.“

Begriffsverwirrung – CM, WCM und ECM

ECM ist deutlich abzugrenzen vom Content Management für Websites. Der Begriff „Content Management“ wird in Deutschland oft fälschlicherweise als Bezeichnung für das reine Verwalten von Websites verstanden. Das verleitet zu der falschen Verallgemeinerung, Enterprise Content Management wäre das Verwalten von großen Firmen-Websites.

Die exakte Bezeichnung für das Verwalten von Websites ist hingegen nicht „Content Management“, sondern „Web Content Management“, kurz WCM. Beim WCM stehen ausschließlich Websiteinhalte und das WWW als Ausgabemedium im Fokus. Populäre Beispiele für WCM-Systeme sind Drupal, Wordpress oder Joomla. Einen Beitrag über webbasierte CM-Systeme finden Sie hier.

Content Management ist als allgemeiner Oberbegriff zu verstehen, der ganz generell die programmgestützte Verwaltung von Inhalten bezeichnet und verschiedene Content „Typen“ umfasst. WCM und ECM wären danach Teile des umfassenderen Content Management, wobei einige Autoren Web-CM als eine Komponente innerhalb des ECM selbst verstehen.

Anders als reines Web-CM liegt der Focus bei ECM hingegen bei der Verwaltung von Unternehmensdaten und bildet Gesamtprozesse ab: Von der Erfassung über die Verwaltung und Aufbewahrung bis hin zur Publizierung von strukturierten und unstrukturierten Informationen. Den Mitarbeitern sollen alle in einem Unternehmen anfallenden Informationen durch eine einheitliche Plattform zur Verfügung gestellt werden.

Content Management

Content Management als allgemeiner Begriff fasst alle Tätigkeiten und Hilfsmittel zusammen, die den Lebenszyklus digitaler Informationen unterstützen. Der Lebenszyklus solcher Informationen durchläuft typischerweise fünf grundlegende Phasen:

  1. Erzeugung,

  2. Überarbeitung,

  3. Publizierung,

  4. Ablage und Archivierung

  5. Ausscheidung.

All diese Phasen werden durch Content Management Systeme (CMS) unterstützt. Deren Charakteristikum ist die Trennung des eigentlichen Content von Layout und Strukturinformationen. Auf diese Weise lässt sich der Inhalt medienneutral in unterschiedlichen Formen und für unterschiedliche Zwecke nutzen. Diese medienneutrale Datenhaltung ermöglicht es, beispielsweise die Inhalte auf Wunsch als PDF- oder als HTML-Dokument abzurufen. Hierzu werden die Formate erst bei Abfrage aus der Datenbank generiert.

Ein weiteres Charakteristikum von CM-Systemen sind Meta-Informationen, die den Content näher beschreiben und der Verwaltung und Kontrolle des Contents dienen. Auch diese Meta-Informationen sind getrennt vom Inhalt und für den Nutzer meist nicht sichtbar.

Daten über Daten: Meta-Informationen – hier eine Bilddatei – beschreiben den Content näher und werden getrennt vom Inhalt gespeichert.

CM-Systeme erlauben es auch über Rollen und Rechte festzulegen, wer was tun darf. Benutzerrechte bestimmen, welcher User an welcher Stelle Daten eingeben und verändern kann. Meldet sich ein Mitarbeiter am CM-System mit Kennung und Passwort an, bekommt er Zugriff auf das System nur in dem Umfang, wie ihm dafür Berechtigungen übertragen wurden.

Über Workflows und Freigabezyklen wird dabei geregelt, welche Instanzen etwa ein Text bis zur Veröffentlichung durchlaufen muss. CM-Systeme automatisieren diesen Vorgang, und beziehen ihn nicht nur auf einzelne Texte, sondern auch auf Komponenten wie Grafiken oder Fotos.

Formen von Content

Was ist mit Content im CM- und insbesondere im ECM-Umfeld genau gemeint? Allgemein gesagt ist Content alles, was sich an inhaltlicher Information in IT-Systemen speichern lässt: Texte, Tabellen, Datenbanken, Bilder oder Filme. Sie können als Dateien vorliegen oder als zusammenhängende Dateisysteme wie Webseiten oder in strukturierter Form als Datenbanken.

Anders als der geschlossene Begriff des „Dokuments“ – in dem auch Layout und andere Daten enthalten sind – ist mit Content aber, wie oben erwähnt, der reine Inhalt gemeint. Getrennt von diesem werden Strukturinformationen, Metadaten und das Layout verwaltet. So lässt sich der Inhalt in unterschiedlichen Medien für unterschiedliche Zwecke nutzen.

Formal unterscheidet man zwischen unstrukturiertem, schwach strukturiertem und strukturiertem Content. Strukturierter Content entstammt in der Regel datenbankgestützten Systemen und wird in einem standardisierten Layout bereit gestellt. Ein Beispiel sind Kundendaten, die direkt in einem Datenbank-System abgelegt werden können.

Schwach strukturierter Content sind Informationen wie Textverarbeitungsdateien oder E-Mails, die zwar ein Layout und Metadaten mit sich tragen, jedoch nicht standardisiert sind. Unstrukturierter Content schließlich sind alle restlichen Informationsobjekte, die Inhalt, Layout und Metadaten nicht trennen und deren Inhalt nicht direkt erschlossen werden kann. Beispiele dafür sind Bilder, Videos und Tonaufnahmen.

ECM integriert Technologien

ECM ist Content Management, das Internet-Technologien nutzt, aber schwerpunktmäßig auf die Inhouse-Bereitstellung von Informationen zielt. Vorrangiges Ziel von ECM ist es, den Zugriff auf Unternehmensinformationen einheitlich zu regeln und sie als Dienst den Anwendern zur Verfügung zu stellen. Alle berechtigten Mitarbeiter sollen dabei die jeweiligen Daten ohne Hindernisse oder Medienbrüche erhalten.

Bei einem ECM geht es also um die Erschließung aller strukturierten und unstrukturierten Unternehmensinformationen. Diese werden dabei aus verschiedenen Quellen wie Archiven, Datenbanken, dem Internet, E-Mail, ERP-Systemen oder Papierdokumenten heraus zusammengeführt. Eingesetzt und auf die Anforderungen des Content Management umgebaut werden dabei Methoden und Technologien aus den Bereichen Dokumenten-Management, Collaboration/Groupware, Web-Content-Management, Workflow/Business Prozess Management und Storage/Archivierung.

Konkret steht im Zentrum des ECM die Erfassung von strukturierten und unstrukturierten Informationen - zum Beispiel durch Scannen, OCR/ ICR, Formular- oder XML-basierte redaktionelle Erfassung. Der Content wird dann verwaltet, gespeichert und langzeitarchiviert und lässt sich von berechtigten Personen jederzeit abrufen. Auf diese Weise sollen Geschäftsprozesse und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter sowie das Wissens-Management unterstützt werden.

Zusammenführung: ECM fasst unterschiedliche Technologien zusammen, um Unternehmensinformationen einheitlich und optimiert bereit zu stellen. (Quelle: Zöller & Partner GmbH, www.zoeller.de)

Ein kleines Beispiel aus der Automobilindustrie erläutert das Potential von ECM. In dieser Branche können ECM-Lösungen dazu beitragen, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen Zulieferern, Herstellern, Werkstätten und Vertragshändlern zu verbessern. Beispielsweise lassen sich via ECM Reparaturanleitungen, Ersatzteilkataloge, Serviceliteratur oder Marketing-Infos zentral verwalten und verteilen. Fehlerdiagnosen aus der Werkstatt können so über ECM-Lösungen Herstellern und Zulieferern zeitnah bereit gestellt werden.

Für Mitarbeiter und Lieferanten kann ECM-Software eine zentrale Informations-Drehscheibe bilden, zum Beispiel als Einkaufs- und Procurement-Plattform oder für den Datenaustausch. Bislang manuelle, papierbasierte Vorgänge wie Auftragserfassung oder Lieferabrufe lassen sich so deutlich effizienter und kostensenkend ausführen.

ECM-Architektur

Wie das Beispiel bereits andeutet werden im Idealfall alle Unternehmensinformationen auf einer einheitlichen Plattform zur internen und externen Nutzung bereit gestellt. Dieses Portal vereint die Host- und Client-Server-Welt und unterstützt die Workflows, die Zusammenarbeit von Mitarbeitern und das Wissens-Management (Expertensuche, Community).

Wichtig dabei ist, dass alte Prozesse mit neuen Prozessen zusammengeführt und optimiert werden und dass technische Schnittstellen zu existierenden Prozessen und Systemen bestehen – schließlich kann aus einer Insellösung kein wirklicher Nutzen aus ECM gezogen werden.

Architektonisch kann ECM als Middleware verstanden werden, die allen Anwendungen Dienste anbietet. Dabei werden die Infrastruktur-Komponenten in mehreren Schichten für Applikationen bereit gestellt.

Die folgende Abbildung zeigt einige dieser Komponenten: Ein ECM-Portal mit einer browserbasierten Oberfläche zum Informationszugriff auf interne und externe Datenquellen, ein ECM Data Warehouse zum Zusammenführen der verteilten, unstrukturierten Informationen aus den verschiedenen Unternehmensquellen und ein ECM-Workflow zur prozessgesteuerten Zusammenführung und Nutzung von Informationen.

ECM als Infrastruktur: ECM-Lösungen bieten Unternehmens-Applikationen Dienste an.

Ein zweiter Ansatz sieht ECM als „Content Warehouse“ im Sinne einer einheitlichen Datenbank für alle Arten von Informationen. In diesem übergreifenden Data Warehouse werden alle Unternehmensinformationen in einer einheitlich strukturierten Datenbasis zusammengeführt. Der Vorteil: Die Informationen sind kaum redundant und stehen konsistent gespeichert bereit. Diese Datenbasis stellt dann allen Anwendungen die notwendigen Informationen zur Verfügung.

Fazit

Inhalte gehören zu den oft unterschätzten Aktiva in den Unternehmen. Durch Enterprise Content Management lassen sie sich effizienter und kostensparender erschließen und verwerten. Mithilfe von ECM-Lösungen können Dokumente archiviert, gefiltert und zielgerichtet für operative und strategische Geschäftsprozesse bereit gestellt werden. Ein Portal bildet dabei die einheitliche Plattform, auf der alle Informationen aufbereitet zur Verfügung gestellt werden.

ECM ist strikt zu unterscheiden von anderen Formen des Content Management, insbesondere von Web Content Management. Letzteres beschränkt sich darauf, den Inhalt von Websites effizient zu verwalten. ECM hingegen ist ein deutlich umfassenderer Ansatz, der auf die optimale Administration aller Unternehmensinformationen ausgerichtet ist und bei dem die Verwaltung von Webinformationen allenfalls ein kleiner Teil ist. (ala)

Teil 1: ECM - Informationsflut im Unternehmen im Griff

Teil 2: ECM: Die Komponenten im Überblick

Teil 3: ECM Informationsverwaltung: DM-Systeme, Groupware und Co.

Teil 4: Auswahlhilfe für die passende ECM-Software