Zwischen Gimmick und Größenwahn

Schmuddelecke Internet-Telefonie?

Weitere Negativeffekte kommen hinzu. Viele Chatrooms diskutieren vorrangig Sexthemen, die sehr gut frequentiert werden. Als wir uns für das Thema "Network Consultants" interessierten, waren wir allein auf weiter Flur. Auch das Thema Standards läßt bei den Internet-Telefonierern zu wünschen übrig - aus vorher genanntem Erlebnis ist es vielleicht auch gar nicht gewünscht, so daß die Benutzergruppe eingeschränkt bleibt.

Aber warum ist dennoch die Sprachkommunikation via IP-Protokoll ein Thema? Schuld daran sind unter anderem die Unternehmen, die ihre Kommunikation in den Intranets auf Sprachverbindungen ausdehnen. Das Chatten von PC zu PC wird dort nicht gepflegt. Vielmehr sind Gateways gefragt, über die sich beispielsweise ein interner Help-Desk oder auch Servicetelefone sowie Call Center schalten lassen. Solche Geräte sind zum Beispiel PCs, die neben der WAN-Anbindung über eine hardwaretechnisch abgebildete Umsetzung verfügen, die Sprache in IP-Pakete und umgekehrt verarbeitet. In diesem Bereich sollen nach IDC-Schätzungen im Jahr 1999 560 Millionen Dollar erwirtschaftet werden - ein knappes Prozent vom derzeitigen weltweiten Umsatz mit Telekommunikation. Allein dieses Verhältnis relativiert die Erwartungen.

Dennoch wird davon eine ganze Branche leben können, da sich im Zusammenhang mit Computertelefonie die Anbindung an Datenbestände via IP leichter durchführen läßt. Als Zielmarkt visieren die Hersteller folgende Bereiche an:

Carrier, die gleichzeitig auch Internet-Service-Provider (ISPs) sind und Internet-Telefonie anbieten wollen. Hier sind die Beispiele AT&T, MCI, Sprint und GTE zu nennen. Sprint bietet über Gobal One einen Dienst an, der eine Bandbreite bei Bedarf reserviert. Carrier, die Weitverkehrsdienste und internationalen Telefonverkehr im Portfolio haben. Dazu zählen Cable & Wireless, France Telecom und die Telekom. Regionale Netzbetreiber und Citynetze: Diese können damit in bestimmten Diensten (Faxservices, Voice-Mail) den Großen Konkurrenz machen und eine preiswerte Anbindung anbieten. Internet-Service-Provider wie Eunet, Uunet, Netcom und andere oder auch Mailbox-Betreiber. Kleine Unternehmen und Organisationen: Dazu zählen alle Teilnehmer, die über eine Internet-Verbindung verfügen und ihren internationalen Fax- und Sprachverkehr über IP abwickeln wollen. Call-Center-Betreiber und Serviceanbieter: Diese Zielgruppe erhält eine Alternative zu den bisher existierenden Mehrwertdiensten.

Was sollen nun all diese Zielgruppen mit der Internet-Telefonie anfangen? Bei den Anwendungen sind verschiedene Gruppen zu erkennen, die sich nach folgenden Kriterien unterscheiden lassen:

benutztes Medium, wie zum Beispiel Sprache, Fax, Daten oder Video, Übertragungsart (Echtzeit oder Store-and-forward) sowie benutztes Netz (leitungsvermittelt oder paketvermittelt).

Anwendungen, die auf den IP-Telefonieservern laufen, reichen von Sprachverbindungen, Voice-Mails, Faxen sowie ACD (Automatic Call Distribution) bis hin zu Call-Center-Fähigkeiten. Hier lauten die Schlagworte Unified Messaging, Internet enabled IVR (Interactive Voice Response) sowie Real Audio. Sprachanwendungen lassen sich aufgrund der besseren Ausnutzung der Paketierung via Internet-Protokoll um 90 Prozent preiswerter anbieten. Damit lassen sich gleichzeitig bestehende Festverbindungen mit mehreren Verbindungen betreiben.

Bei Faxverbindungen zeigen sich die gleichen Einsparpotentiale, die speziell im Bereich Überseeverbindungen bei 90 Prozent liegen können. Ein weiterer Vorteil ist, daß sich die Nutzer keine spezielle Hardware beschaffen müssen, um solche Dienste zu nutzen. Zum Beispiel bietet die "Winfax Pro 8.0" einen Zugang zu einem Faxserver, der als Schnupperangebot vier Wochen lang Faxe an amerikanische Telekopierer versendet.