Wege in die Echtzeit-Sphäre

Kein Zweifel: IP ist "das" Kommunikationsprotokoll auf OSI-Ebene 3. Doch wenn es um Übermittlung von Echtzeitdaten geht, weist das Internet-Protokoll noch Schwächen auf. Oldie ATM scheint deshalb wieder bessere Karten zu haben.

Von: Kai-Oliver Detken

Vor zwei Jahren herrschte bezüglich "Voice over IP" (VoIP) eine regelrechte Euphorie. Davon ist zumindest in Deutschland nicht viel übrig geblieben. Kein Carrier bietet bislang Sprache über IP-Netze an. Das liegt zum einen an den sinkenden Kosten für herkömmliche Telekommunikationsdienste, zum anderen an der im Vergleich zum "normalen" Telefon schlechteren Qualität.

Jetzt haben Firmen wie Cisco und 3Com/Siemens eine neue Offensive in Sachen IP-Telefonie gestartet. Der Ausgangspunkt sind dieses Mal die Endanwender. "Sprache über IP" wird sich also aller Voraussicht nach nicht aus dem Carrier-Markt heraus entwickeln, sondern von den Endkunden vorangetrieben. Der erste Schritt ist die Migration von Telekommunikationsnetzen zu Datennetzen. Die TK-Anlage wird über ein IP-Gateway an das Datennetz angebunden. Das hat den Vorteil, dass der Anwender vorhandene analoge Telefone zunächst weiterhin einsetzen kann. Später kommen reine IP-Telefone hinzu, die TK-Anlage miteinander kommunizieren.

Bis dahin muss das Netzwerk "Voice Ready" gemacht werden, um die Anforderungen in Bezug auf Verfügbarkeit, Bandbreite und Verzögerungszeiten zu erfüllen. Das wird noch einige Jahre dauern, weil die Anwender ihre Systeme weiterhin nutzen möchten. Dennoch ist festzustellen, dass trotz einer gewissen Ernüchterung in puncto VoIP die Entwicklung in Richtung Konvergenz von Sprache und Daten nicht aufzuhalten ist.

Bevor jedoch Echtzeitdaten über IP-Netze laufen, muss die Netzinfrastruktur nachgebessert werden. Das Grundübel ist die paketorientierte Architektur von IP: Datenpakete werden ohne Rücksicht auf Verzögerungen weiterleitet. Für die bisherigen Anwendungen reichte das aus, nicht aber für Echtzeit-Applikationen. Neben Sprache über IP und Videokonferenzen zählen auch Mobilfunkapplikationen zu dieser Kategorie.

Einer der erfolgversprechendsten Ansätze, um IP echtzeitfähig zu machen, sind die "Differentiated Services".

Diffserv unterstützt unterschiedliche "Service Level Agreements". Jeder Klasse ist eine separate Warteschlange (Queue) zugeordnet. Allerdings ist Diffserv noch nicht standardisiert. Zu klären sind noch folgende Fragen:

- wie viele "Premium"-Services ein Netz verträgt;

- wie unterschiedliche Dienstklassen (Classes of Service = CoS) abzurechnen sind;

- auf welche Weise sich Anforderungen auf Netzwerkdienste abbilden lassen;

- wie sich Diffserv in großen Netzen verhält (Stichwort "Aggregation");

- wie das dynamische Bandbreiten-Management aussehen soll.