Pakete auf der Überholspur

Von Traffic Engineering bis VPN

Ursprünglich wurde MPLS dazu entwickelt, um das Routen von IP-Daten beschleunigen. Doch bietet das Verfahren eine Reihe weiterer Optionen:

- das Steuern von Verkehrsströmen (Traffic Engineering): Mithilfe der Labels lassen sich Datenpaketen, inklusive IP, Ethernet oder Frame Relay, separate Verkehrsklassen zuweisen. Zeitkritische Informationen, wie etwa Sprache, erhalten beispielsweise Vorrang vor weniger sensiblen Daten wie E-Mails oder FTP-Transfers. Mit MPLS können Provider somit Dienste anbieten, die eine bestimmte Dienstgüte (Quality of Service) beziehungsweise verbindungsorientierte Übertragungsmechanismen erfordern, wie sie auch SDH oder ATM verwenden;

- den Aufbau von VPN: Serviceprovider sind in der Lage, auf Ebene 2 oder 3 IP-Tunnel in ihrem Netz einzurichten, über die Unternehmen ihre Kommunikation abwickeln können, ohne dass Dritte darauf Zugriff haben. Virtuelle Private Netze sind eines der wich-tigsten Anwendungsgebiete von MPLS-Netzen;

- Transportdienste auf Ebene 2: Standards wie PWE3 (Pseudo-Wire Emulation Edge to Edge) oder PPVPN (Provider Provisioned VPN) erlauben es den Betreibern, über ein IP/MPLS-Kernnetz Layer-2-Services bereitzustellen, etwa Ethernet, Frame Relay oder ATM;

- Konsolidierung der Netzwerkinfrastruktur: In vielen Fällen verwenden Carrier ein Mehrschichten-Modell, mit SDH-Technik (Synchrone Digitale Hierarchie) auf Schicht 1, ATM (Asynchroner Transfermodus) auf Ebene 2 und IP auf Ebene 3. Mit MPLS lassen sich die Funktionen von SDH und ATM auf die OSI-Schicht 3 übertragen, was das Management des Netzes vereinfacht und dessen Komplexität verringert.

Besonders wichtig für einen Serviceprovider dürfte die erstgenannte Funktion sein, das Traffic Engineering. Denn sie bildet die Grundlage für Dienstklassen, der Anbieter zu unterschiedlichen Konditionen anbieten kann - etwa einen "Premiumservice Gold" mit einer dedizierten Bandbreite von 20 MBit/s und der Garantie, dass der Kunde auch Voice over IP oder Voice over MPLS nutzen kann, oder einen "Standardservice Silber" mit 10 MBit/s, der für klassischen Internet-Verkehr zur Verfügung steht.

Eine der Schwächen von MPLS im Vergleich zu klassischen SDH-Netzen war bislang das Verhalten bei Ausfall oder Störung eines Links. Die Zeit, bis eine Verbindung neu konfiguriert ist, muss deutlich weniger als 100 Millisekunden betragen. Höhere Werte gehen zu Lasten der Qualität, vor allem beim Transfer von Echtzeitdaten. Mit Reaktionszeiten von 50 Millisekunden wies SDH bislang einen besseren Wert als MPLS auf. Seit Ende vergangenen Jahres stehen jedoch MPLS-Produkte zur Verfügung, die mindestens ebenso schnell reagieren. Solche "Fast-Reroute"-Mechanismen haben beispielsweise Cisco, Riverstone und Atrica in ihre Switches integriert. Der Haken dabei ist, dass es sich um herstellerspezifische Techniken handelt. Der Anwender muss daher - zumindest im Moment - die Produkte eines einzelnen Herstellers in seinem Netz implementieren, will er diese Funktion nutzen.

Derzeit arbeiten Normierungsgremien, in erster Linie die Internet Engineering Task Force (IETF), an einer Erweiterung von MPLS, dem "Generalized Multi-Protocol Label Switching". GMPLS ist eine Ergänzung des Standards, die optische Netze sowie Infrastrukturen mit einbezieht, in denen Zeitmultiplexing (Time Division Multiplexing, TDM) eingesetzt wird. GMPLS stellt eine Control Plane zur Verfügung, mit der sich nicht nur die paketorientierten Teile der Netzinfrastruktur verwalten lassen, sondern auch Wellenlängen, Zeitschlitze oder Fasern. Die Mitglieder der IETF-Arbeitsgruppe CCAMP (Common Control and Measurement Plane) haben bereits mehrere Normentwürfe (Drafts) zu GMPLS vorgelegt. Der jüngste beschreibt die Architektur eines GMPLS-Netzes. Noch offen ist, wann die Spezifikation fertig sein wird. Dies könnte jedoch noch in diesem Jahr der Fall sein.