eBook-Reader mit eInk-Display

Test: Amazon Kindle in der Praxis

25.10.2009 von Moritz Jäger
Seit der Frankfurter Buchmesse 2009 liefert Amazon seinen eBook-Reader Kindle 2 auch nach Deutschland aus. TecChannel hat eines der ersten Geräte erhalten und analysiert im folgenden Praxistest Vor- und Nachteile.

Der eBook-Reader von Amazon, der Kindle 2, besticht vor allem durch sein großes Display auf eInk-Basis. Insgesamt ist das Gerät etwas kleiner als ein DIN-A5-Blatt. Vorteil des Displays ist, dass eInk nur für den neuen Aufbau des Bildes Strom benötigt. Zeigt das Gerät also eine Buchseite an, wird nur beim Blättern Energie fällig, ansonsten schont das Gerät den Akku. Weitere Informationen zu eInk finden Sie im Artikel „Display-Trends: OLED, ePaper und 3D“.

Reader: Amazon liefert den Kindle nun auch in Europa aus. (Quelle: Amazon)

Die Hauptaufgabe des Kindle ist die Darstellung von eBooks. Und darin kann das Gerät richtig glänzen. Das eInk-Display liefert einen bislang nicht gekannten Kontrast und kommt komplett unter Hintergrundbeleuchtung aus. Dadurch kann das Gerät sehr stromsparend arbeiten; Amazon gibt die Laufzeit mit mehreren Wochen an.

Will man im Kindle lesen, benötigt man mindestens so viel Licht, wie wenn man ein Buch aus Papier lesen würde. Dafür hat man aber auch bei voller Sonneneinstrahlung ein gestochen scharfes und leicht zu lesendes Bild. Das Umblättern geht schnell vonstatten, die Größe der Buchstaben lässt sich in sechs Stufen einstellen.

Der in Deutschland gelieferte Kindle ist bereits die zweite Generation. Größter Unterschied zum Vorgänger ist die Unterstützung von 16 Graustufen in der Darstellung. Dadurch wirken Bilder und Grafiken erstaunlich gut und sind problemlos erkennbar.

Neue Bücher, Magazine und Zeitungen kann man direkt über den Kindle und Amazons Whispernet einkaufen. Das Gerät verfügt über ein 3G-Modem samt fest integrierter SIM-Karte. Zusätzliche Kosten fallen nicht an, Amazon finanziert das Whispernet über die Buchpreise. Nutzer erhalten so einen direkten Zugriff auf den Kindle-Store. Dort lassen sich neue Bücher, Magazine oder Zeitungen einkaufen. Bei Büchern kann der Nutzer das erste Kapitel als Probe vor dem Kauf lesen, Zeitungs-Abos bieten jeweils eine 14-tägige Testphase an.

Bildergalerie: Amazon Kindle
Amazon Kindle
Der Kindle in der rechten Hand. Links und rechts befinden sich Tasten zum Vor- und Zurückblättern. (Quelle: Amazon)
Amazon Kindle
Die Zeitung taz auf dem Kindle.
Amazon Kindle
Der Kindle im Vergleich mit einem Bleistift. (Quelle: Amazon)
Amazon Kindle
Im Kindle Store kann man direkt über das Amazon Whispernet, eine UMTS-Verbindung, neue Bücher, Magazine und Zeitungen einkaufen.

Derzeit mangelt es im Kindle-Store noch an deutscher Literatur, lediglich im Zeitungs- und Magazinbereich gibt es Lesestoff. Im Test haben wir eine Ausgabe der WirtschaftsWoche auf den Kindle geladen und ausprobiert. Man kann das Magazin wahlweise von vorne nach hinten durchlesen, oder über eine Schaltfläche am unteren Rand in die Kategorien, genannt Sections, wechseln. Hier erhält man auch einen kurzen Überblick über die einzelnen Kapitel und kann direkt zu diesen springen. Zudem kann man nach bestimmten Schlagworten suchen.

Der Kindle im Überblick

Version

Kindle 2

Speicher

2 GByte intern, keine Erweiterungsmöglichkeit

Unterstützte Formate

Kindle (.azw), Text (.txt), Mobipocket (.mobi, .prc), MP3, Audible Audio

Datenübertragung

EDGE/UMTS, USB

Anschlüsse

Micro-USB, 3,5-mm-Klinkenstecker

Abmessungen

203 x 135 x 9 mm

Zusätzliche Fähigkeiten

MP3-Player, experimenteller Browser, Sprachausgabe

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Beitrags hatten wir angegeben, dass Magazine keine Inhaltsangabe bieten - dem ist nicht so.

Beschränkungen und Nachteile des Kindle

Bei aller Begeisterung über das kontraststarke Display, das Design und die Bedienung: Es fallen auch einige Nachteile des Kindle ins Auge. Zu den größten gehört sicher, dass das Gerät weder PDF- noch Word- oder epub-Dateien anzeigen kann. Erstere wandelt Amazon zwar auf Wunsch um, dennoch gehört zumindest die Unterstützung für PDF eigentlich zur Standardausstattung. Andere eBook-Reader haben hier die Nase vorn.

Konverter: Schickt man ein Dokument an „Name“@free.kindle.com, konvertiert Amazon das Dokument und schickt es als azw-Datei zurück.

Auch die fehlende Unterstützung für epub ist nicht verständlich. Das Format ist ein internationaler, offener Standard und würde auch DRM unterstützen. Stattdessen setzt Amazon auf das eigene, proprietäre Format azw. Dazu kommt das sehr restriktive Rechtemanagement. Erst kürzlich hat Amazon Schlagzeilen gemacht, als es die Orwell-Bücher „1984“ und „Die Farm der Tiere“ von den Geräten gelöscht hat, ohne die Nutzer zu informieren.

Zusätzlich treffen europäische User weitere Einschränkungen. Dem Kindle liegt beispielsweise nur ein US-Netzteil bei, allerdings lässt sich der Reader auch über das beiliegende USB-Kabel laden. Die größte Einschränkung betrifft allerdings die Whispernet-Nutzung. Während Kindle-Besitzer in den USA über einen rudimentären Browser das Internet durchstreifen und Blog-Einträge abonnieren können, darf man mit einem Euro-Kindle nur bei Amazon einkaufen.

Fazit: Interessante Technik für Early Adopter

Amazon macht sich beim Kindle den iPhone-Effekt zunutze: Altbekannte Technologie wird mit einem aktuellen Design und praktischen Zusatzfunktionen in ein modernes Kleid gesteckt. Allerdings übernimmt Amazon auch die negativen Seiten von Apple: Der Nutzer erhält nur Funktionen, an die Amazon auch gedacht hat respektive die es zulässt. Solange man sich in den vorgegebenen Pfaden bewegt, lässt sich der Kindle prima nutzen. Der Einkauf im US-Kindlestore funktioniert einwandfrei, die Bücher sind über das 3G-Netzwerk schnell auf das Gerät eingespielt.

Einkaufsportal: Über das Whispernet erhält man direkt vom Kindle aus Zugriff auf den Buchladen.

Sobald man allerdings eine Funktion oder ein Format nutzen will, an das Amazon nicht gedacht hat, fangen die Probleme an. Ein Gerät, das keine PDF-Dateien anzeigen kann, ist heutzutage absolut deplatziert. Das gilt auch für die Beschränkungen, die europäischen Kindle-Nutzern auferlegt werden. Dazu gehören beispielsweise der deaktivierte Browser, der Verzicht auf Blogs oder das US-Netzteil. Eine weitere Ähnlichkeit zum iPhone: Auch beim Kindle ist der Akku fest verbaut und nicht ohne Weiteres austauschbar.

Trotz der Nachteile ist der Kindle ein faszinierender Ersatz für ein normales Buch. In der derzeitigen Form ist der Kauf aber nur Technologieliebhabern und Early Adoptern zu empfehlen. Für den Massenmarkt fehlen einfach noch die Inhalte. Außerdem muss man viel Zeit investieren, um Bücher und andere Inhalte in die passenden Formate zu konvertieren. In jedem Fall wird Amazon den Kindle so schnell nicht wieder verschwinden lassen. Neben dem eigentlichen Lesegerät gibt es zudem einen Client für das iPhone, ein weiterer für Windows ist geplant. (mje)