Fünf Profi-Tipps

Ratgeber - Komplexe Projekte im Griff

17.11.2009 von Mario Speck und Jonas Burkard
Große Projekte enden oft in einem finanziellen Fiasko, weil die mit der Komplexität verbundenen Herausforderungen unterschätzt werden.

Für viele Projektverantwortliche bei großen IT-Vorhaben stellt das Thema Komplexität die primäre Herausforderung dar. Die Koordination der Prozesse, Mitarbeiter, Dienstleister und Marktpartner stellt hohe Anforderungen an Projektbeteiligte und Führungskräfte.

Häufig werden die Herausforderungen großer IT-Projekte unterschätzt und nicht konsequent adressiert. Beispiele hierfür sind etwa das Stocken der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, die Verzögerungen bei der Einführung des nationalen Mautsystems oder die Kosten des kanadischen Systems zur Registrierung von Feuerwaffen, welches im Jahr 1997 gestartet, bis 2004 bei nur 140 Millionen Dollar Umsatz bereits eine Milliarde Dollar kostete und noch nicht abgeschlossen war.

So wird Ihr Projekt zur Qual
Uferlose Projekte ...
sind in der Praxis häufig und kommen manchem Chef sogar gelegen. Je mühsamer das Projekt, umso besser kann sich der Chef damit profilieren, meint Projekt-Berater Jürgen Rohr. Er hat zehn Tipps zusammengestellt, wie jedes Projekt aus dem Ruder läuft.
Uferlose Projekte ...
... sind in der Praxis häufig und kommen manchem Chef sogar gelegen. Je mühsamer das Projekt, umso besser kann sich der Chef damit profilieren, meint Projekt-Berater Jürgen Rohr. Er hat zehn Tipps zusammengestellt, wie jedes Projekt aus dem Ruder läuft.
1.Setzen Sie die Verantwortlichen unter Termindruck!
Mit engen Terminen stellen Sie sicher, dass möglichst wenige Betroffene ins Boot geholt werden. Damit vermeiden Sie die sowieso unnötigen Diskussionen um Meinungs- sowie Wahrnehmungsunterschiede. Und: Sie behalten die vermeintliche Kontrolle über Budget und Termine.
2. Sehen Sie immer nur Probleme!
Beginnen Sie mit einer problemorientierten Ist-Analyse. Fragen Sie immer zuerst danach, was nicht gut läuft. Damit fokussieren Sie die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf die Schwächen der Organisation. Sie stellen sicher, dass niemand auf die Idee kommt, sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen. Und das Beste: Die Veränderungsenergie wird so gering sein, dass die operative Arbeit kaum gestört wird.
3. Lassen Sie viele Fragen offen!
Geben Sie möglichst kein zusammenfassendes Feedback! Halten Sie die Betroffenen im Unklaren. Das fördert zwar die Gerüchteküche, hält aber den Änderungsaufwand für die Konzeptionierer gering. Sie erhalten schon mit dem ersten Wurf ein Konzept aus einem Guss - ohne lästige und zeitaufwändige Anpassung an unterschiedliche Wahrnehmungen der Beteiligten.
4. Schreiben Sie das Konzept allein!
Lassen Sie das Konzept ohne Beteiligung der Betroffenen ausarbeiten. Hier können Sie Aufwand und Budget einsparen. Jeder Betroffene wird mit seinen individuellen Ansichten sowieso nur das Konzept verwässern. Außerdem: Wenn ein Außenstehender den Sollzustand konzipiert, kommt endlich frischer Wind in die Organisation. Bei der Umsetzung werden sich die Betroffenen schon an die neue Ausrichtung gewöhnen.
5. Benutzen Sie viele Powerpointfolien!
Vermitteln Sie das Konzept frontal mit mindestens 100 Powerpoint-Folien. Hier gilt: Je mehr Input, desto weniger lästige Rückfragen. Halten Sie das Präsentationstempo hoch. Planen Sie ja keine Zeit für die Diskussion ein. Das Konzept steht. Basta!
5. Benutzen Sie viele Powerpointfolien
Vermitteln Sie das Konzept frontal mit mindestens 100 Powerpoint-Folien. Hier gilt: Je mehr Input, desto weniger lästige Rückfragen. Halten Sie das Präsentationstempo hoch. Planen Sie ja keine Zeit für die Diskussion ein. Das Konzept steht. Basta!
6. Planen Sie keine Zeit für die Überarbeitung des Konzepts ein.
Das wäre ja noch schöner: Sie kalkulieren Budget und Termine knapp und wollen sich den Erfolg nicht durch unplanbare Überarbeitungsaufwände vermiesen lassen. Denn jede Überarbeitungsschleife würde den schönen Entwurf zerstören. Und am Ende wären Sie womöglich bei einer Liste von rasch wirksamen Interventionen, die es auch getan hätten. Völlig undenkbar.
7. Schränken Sie die Zugriffsrechte auf neue Tools möglichst stark ein.
Ganz wichtig: Wenn Sie im Rahmen der Organisationsentwicklung neue Werkzeuge (zum Beispiel ein IT-System) einführen, achten Sie darauf, dass niemand außer den Konzeptionierern in der Lage ist, die Werkzeuge anzupassen. Das würde nur dazu führen, dass persönliche Arbeitsprozesse abgebildet werden. Sie wollen aber, dass die neuen, besseren Prozesse gelebt werden.
8. Lassen Sie die Betroffenen beim Umsetzen des Konzepts alleine.
In diesem Punkt gilt das Motto: Die Leute werden sich schon umgewöhnen. Durch die Unterstützung während der Umsetzungsphase könnte wiederum das sorgfältig ausgearbeitete Konzept verwässert werden. Das ist unbedingt zu vermeiden. Widerstände sind normal. Manche Mitarbeiter lernen eben nie, was wirklich gut für sie ist.
9. Vermeiden Sie persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten.
Stellen Sie sich vor, was Sie hier an Reisekosten einsparen können. Diskussionen können auch per E-Mail geführt werden. Das spart richtig Geld. Und Sie können leichter die Kritiker ausschließen.
10. Betrachten Sie jegliches Feedback als persönliche Kritik.
.Wenn jemand mit einer Rückmeldung zu Ihnen kommt, will er damit eigentlich sagen, dass Sie Ihre Arbeit nicht richtig gemacht haben. Das wirkt sich schlecht auf Ihr Selbstwertgefühl aus. Möglicherweise geben Sie dem anderen noch das Gefühl, er hätte mit seiner Wahrnehmung Recht. Dann haben Sie wirklich keine Ruhe mehr, um am nächsten Konzept zu arbeiten.


Dem gegenüber stehen zum Beispiel mit Amadeus, dem erfolgreichen Reisebuchungssystem in Deutschland mit mehr als 600.000 angeschlossenen Clients, auch Beispiele für Projekte, die mit der entstehenden Komplexität erfolgreich umgehen können.

Die fünf Einflussfaktoren

Wenn Großprojekte scheitern, kennen meist weder die Experten noch die Projektleitung oder das Topmanagement die Ursachen für die entstandene Komplexität. Deshalb sind sie auch außerstande, sie zu verringern oder im Idealfall von vornherein zu vermeiden.

Im Wesentlichen beeinflussen fünf Faktoren die Komplexität von Projekten. Um sie in den Griff zu bekommen, lassen sich die typischen Aufgaben des Projekt-Managements, also Zieldefinition, Aufgabenplanung, Zeit-/Ressourcenplanung und Steuerung, als Stellhebel nutzen.

1. Zu großer Umfang

Problem: Oft soll ein Projekt zu viel auf einmal erreichen. Beispielsweise sind Systemumstellungen als "Big Bang" geplant, und gleichzeitig werden die organisatorischen oder prozessualen Rahmenbedingungen geändert. Die daraus resultierenden Probleme zeichnen sich schon in der ersten Planung ab. Sie schlagen sich in einer langen Dauer des Gesamtprojekts und seiner einzelnen Phasen nieder. Mit zunehmender Projektdauer wird es dann immer schwerer, den Gesamtüberblick zu bewahren. Die Projektdokumentation legt an Umfang zu, gleichzeitig wird sie uneinheitlicher.

Hinzu kommt, dass im Lauf der Zeit Know-how-Träger das Projekt verlassen oder aus unterschiedlichen Gründen ausfallen. Auch das trägt nicht eben dazu bei, die Motivation der Mitarbeiter hoch zu halten. Zu allem Überfluss ändern sich naturgemäß auch die Rahmenbedingungen und der Zielzustand des Projekts umso häufiger, je länger es dauert. Der erfolgreiche Abschluss wird damit zum "Moving Target", dem beweglichen Ziel, das bekanntlich schwer zu treffen ist.

Lösungsansatz: Der zentrale Stellhebel, um diese Art von Komplexität zu vermeiden, liegt in einer Verringerung des Zielumfangs. Man muss der Versuchung widerstehen, zu viel auf einmal zu wollen. Die Erfahrung zeigt, dass es mehr Erfolg verspricht, Ziele sequenziell anzustreben als sie alle auf einmal erreichen zu wollen.

2. Zu viele Abhängigkeiten

Problem: Komplexe Systeme mit zahlreichen internen Abhängigkeiten lassen sich schwer in Teilsysteme zerlegen, denn Einzelaspekte können nur unter Berücksichtigung des Ganzen bearbeitet werden. Je stärker die Abhängigkeiten zwischen den Aufgabenpaketen, desto schwieriger eine verlässliche Zeitplanung.

Sind die Abhängigkeiten besonders stark ausgebildet, so liegen fast alle Aktivitäten des Projekts auf dem "kritischen Pfad". Das heißt, jeder Mitarbeiter und jedes Team wartet dann ständig auf die für seine Aufgabe notwendigen Vorarbeiten. Jede kleine Verschiebung führt unweigerlich zu einer Verschiebung aller nachfolgenden Aufgaben. Daraus ergibt sich ein "Stop-and-go"-Betrieb - und das ist eine für alle Beteiligten nervzehrende und demotivierende Situation.

Lösungsansatz: Werden die Aufgabengebiete den Teilprojekten nicht überschneidungsfrei zugeordnet, entsteht Abstimmungsaufwand zwischen den Teilprojekten. Vermeiden lässt er sich folglich durch einen weitgehend unabhängigen Zuschnitt der Teilprojekte. Dazu sind Erfahrung, politische Neutralität und Fachwissen notwendig. Im Projektverlauf ist es ratsam, offene Enden mit gebündelten Ressourcen abzuschließen, anstatt an allen Themen gleichzeitig zu arbeiten.

3. Zu hoher Abstimmungsaufwand

Problem: Je mehr Menschen in ein Projekt involviert sind, desto stärker wächst der Aufwand für Kommunikation und Abstimmung - und zwar überproportional. Nun hängt die Zahl der erforderlichen Mitarbeiter selbstverständlich davon ab, wie viele Aufgaben gleichzeitig bewältigt werden müssen und wie viele unterschiedliche Kompetenzen hierfür gebraucht werden.

Soll ein Projektziel in der halben Zeit erreicht werden, werden (bei sonst gleich bleibenden Rahmenbedingungen) doppelt so viele Mitarbeiter gebraucht, so zumindest die einfache Rechnung. Aber sie stimmt nicht ganz, denn der Abstimmungsaufwand zwischen den Mitarbeitern wird sich mehr als verdoppeln. Ganz zu schweigen davon, dass es schwierig ist, größere Teams von bereits eingespielten Mitarbeitern zusammenzustellen.

Lösungsansatz: Um die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter so weit wie möglich einzuschränken, sollten sie alle möglichst in Vollzeit für das Projekt tätig sein. Ein Glücksfall ist es, wenn Experten in der Lage sind, gleich mehrere Kompetenzfelder zu überblicken. Das erspart immensen Kommunikationsaufwand. Zur Unterstützung der Projektleitung lassen sich Kommunikationsspezialisten einsetzen, deren Aufgabe es ist, für Transparenz, also reibungslosen Informations- und Meinungsaustausch, zu sorgen.

4. Schlecht eingebundenes Spezialwissen

Problem: Die Leitung eines Kostensenkungsprojekts hat üblicherweise keine Schwierigkeiten, die Erfolg versprechenden Maßnahmen in allen erforderlichen Details zu verstehen. Und ein Bauherr ist auch ohne Detailkenntnisse der einzelnen Gewerke durchaus in der Lage, den Projektfortschritt sowie eventuelle Baufehler zu erkennen und zu bewerten.

Anders sieht es in IT-Projekten oder ähnlichen techniknahen Vorhaben aus. Hier ist Spezialwissen vorab erforderlich. Das aber erschwert die Kommunikation zwischen dem Management, der Projektleitung und den Experten, die letztlich die Projektarbeit machen.

Lösungsansatz: Wenn Spezialwissen notwendig ist, muss es auch in der Projektleitung vorhanden sein; Methodenwissen allein reicht in diesem Fall nicht. Wird dieser Grundsatz nicht beherzigt, so fehlt dem Management und der Projektleitung bereits in der Konzeptionsphase das Detailwissen, um realistische Ziele zu formulieren sowie ein dementsprechendes Vorgehen zu planen. Und in der Umsetzung fällt es der Projektleitung schwer, Status oder Risiken zu bewerten sowie adäquate inhaltliche Entscheidungen zur Steuerung zu treffen.

5. Politische Komplexität

Problem: Sind die Stakeholder und Akteure eines Projekts von den angestrebten Zielen individuell betroffen, entsteht neben der oben beschriebenen fachlichen und inhaltlichen eine nicht zu unterschätzende politische Komplexität. Potenzielle Verlierer eines Projekts werden ihre Interessen nicht kampflos aufgeben.

Lösungsansatz: Sensibilität für mögliche Widerstände ist hier wieder einmal das A und O. Kein Mitarbeiter sollte gezwungen werden, gegen seine eigenen Interessen zu arbeiten. Eine systematische Stakeholder-Analyse gibt wertvolle Hinweise auf mögliche Widerstände - und darauf, wie sie zu vermeiden sind. Sinnvoll ist es, die Mitarbeiterinteressen schon bei der Zieldefinition zu berücksichtigen, die Projektmitarbeiter im Hinblick auf deren individuelle Interessen auszuwählen sowie im Zweifelsfall offen und gemeinsam nach Kompromissen zu suchen.

Fazit:

Mit zunehmender Komplexität steigen die Anforderungen an das Projekt-Management. Die Führungskräfte sollten sich also mit den Ursachen der Komplexität vertraut machen und die möglichen Stellhebel kennen, mit denen sich die Hindernisse umgehen oder verkleinern lassen. Es gibt durchaus Ansätze, mit denen auch komplexe Projekte steuerbar zu machen sind. (mec)

SaaS-Projekte
Anpassungsbedarf und -möglichkeiten
Kostenvorteile sind nur durch einen gemeinsamen, standardisierten Betrieb zu erzielen. Im Zuge der Produktauswahl muss geklärt werden, ob die Anforderungen mit den im System vorhandenen Anpassungsmöglichkeiten umgesetzt werden können. Programmatisches Customizing ist eher unüblich und darf nur erfolgen, wenn es den gemeinsamen Betrieb und die Wartung nicht verhindert.
Effizientes Identitäts-Management
Bei SaaS-Angeboten ist die Vergabe von individuellen Benutzerzugängen beim Anbieter der Regelfall. Nutzt ein Unternehmen Angebote verschiedener SaaS-Anbieter, müssen pro Mitarbeiter mehrere Accounts eingerichtet werden. Dies führt schnell zu Organisations- und Sicherheitsproblemen. Hier bietet sich eine Integration von SaaS-Single-Sign-on (SaaS-SSO) in das Intranet an. Dazu können SSO-Standards wie SAML oder Cryptotickets verwendet werden.
Usability der Benutzerschnittstelle
Web-Benutzerschnittstellen sind oft nicht so effizient und bequem zu bedienen wie lokal installierte Software. Mit Techniken wie Ajax oder auch nur Javascript können die meisten Web-Anwendungen allerdings für den normalen Anwender sinnvoll nutzbar gemacht werden. Dieser Aspekt sollte vor der Einführung bedacht werden.
Flexibilitäts- und Preis-Check des Mietvertrags
Ein schlechter Mietvertrag für die SaaS-Lösung kann die erhofften Flexibilitäts- und Preisvorteile schnell zunichtemachen. Im Vorfeld ist unbedingt zu prüfen, ob der Vertrag einen zeitnahen Auf- und Abbau von Kapazitäten erlaubt und ob die vertragliche Preisgestaltung die erwünschten Kosteneinsparungen bringt.
Technische Nutzungsvoraussetzungen
Effizientes verteiltes Arbeiten ist nur möglich, wenn die Anwendung tatsächlich über das öffentliche Internet nutzbar ist. Wenn einem nur kurzfristig aktiven, freien Mitarbeiter erst spezielle Hardware, wie zum Beispiel eine Virtual Private Network Box zur Verfügung gestellt werden muss, gehen Flexibilitäts- und Kostenvorteile verloren.
Tragfähige Konzepte für Sicherheit und Notfälle
Bei einem gehosteten Angebot muss der IT-Manager für alle möglichen Problemfälle einen „Plan B“ parat haben, um schnell reagieren zu können. Bedacht werden müssen Datenschutzproblematiken, Notfallpläne für den Netzausfall, und wie man bei einer Insolvenz des Anbieters an die gespeicherten Daten gelangt.