Nach dem Microsoft im März 2009 den Internet Explorer 8 fertig gestellt hatte, wurde auf der MIX10 im März 2009 bereits ein erster Blick auf den Nachfolger eröffnet. In einer ersten Preview konnten sich Interessierte von den neuen Funktionen des IE9 überzeugen. Bei der Veröffentlichung geht Microsoft einen für den Konzern ungewöhnlichen Schritt: Statt lediglich eine Beta- und eine fertige Version des IE9 zu präsentieren, entscheidet sich Microsoft dafür, regelmäßig neue Vorabversionen zu veröffentlichen. Diese sind in erster Linie für Webentwickler gedacht, gleichzeitig sollen sie den Testern aber auch die neuen Funktionen und die unterstützten Techniken Schritt für Schritt näherbringen.
Zur Entwicklerkonferenz MIX10 hat der Redmonder Konzern die Website IETestDrive vorgestellt, auf der die IE9 Preview 1 zum Download bereitgestellt wurde. Etwa acht Wochen später wurde diese von der IE9 Preview 2 ersetzt. Geht es nach Microsoft, soll dieser Release-Zyklus beibehalten werden.
Der neue Internet Explorer steht dabei deutlich mehr unter Druck als jeder seiner Vorgänger. Nicht nur musste Microsoft ein Browser-Wahl-Programm ins Leben rufen, um die Vorgaben der EU zu erfüllen. Erst kürzlich fiel der Marktanteil auf des Internet Explorer auf unter 60 Prozent weltweit - so wenig Nutzer hatten den IE noch nie im Einsatz.
Allgemeine neue Features
Beim Internet Explorer 9 setzt sich ein Trend fort, den Microsoft bereits im IE7 und IE8 begonnen hat. Statt wie früher auf Biegen und Brechen eigene Standards (wie etwa ActiveX) durchboxen zu wollen, ist der Konzern nahezu zahm geworden und setzt voll auf die Spezifikationen des WWW-Konsortiums. Dazu gehört beispielsweise, dass Microsoft HTML5 als festen Bestandteil des künftigen Internet sieht, dementsprechend wird der neue Web-Standard auch in der Preview des IE9 bereits unterstützt. Ebenfalls mit integriert sind Technologien wie CSS3 oder DOM.
Ein weiteres großes Thema ist die Schnelligkeit bei der Verarbeitung von Javascript. Google hatte mit der Veröffentlichung von Chrome ein wahres Wettrennen gestartet, wechselweise behaupten Chrome und Opera von sich, der schnellste Browser zu sein. Beim IE9 soll eine neue Engine namens Chakra den Microsoft-Browser zurück ins Rennen bringen. Diese profitiert von der Verbreitung von Multi-Core-Systemen, Chakra kann für die Berechnungen einen anderen Kern nutzen als der IE selbst.
Die dritte große Neuerung ist der Einsatz der Grafikkarte, um Berechnungen durchzuführen. Mit dieser Hardware-Beschleunigung kann der IE9 auf die GPU-Recheneinheit von Grafikkarten zugreifen - ein Bauteil, das sich im durchschnittlichen Office-PC meist sowieso langweilt. Die GPU erledigt das Rendern von Grafiken deutlich schneller, als es beispielsweise die CPU kann. Selbst bei einer mittelmäßigen Grafikkarte sind die Ergebnisse teilweise erstaunlich.
IE9 Preview 1
Die erste Testversion des neuen Internet Explorers legte den Fokus vor allem auf die Hardware-Beschleunigung und HTML5. Die IE9 Preview 1 ist alles andere als ein vollständiger Browser - das zeigt sich beispielsweise am Fehlen der Adressleiste.
Die Software soll in erster Linie als Technikdemo dienen. Microsoft hat dazu drei Kategorien an Vorführungen online gestellt, es gibt Demos zu Geschwindigkeit, HTML5 und Grafik-Funktionen.
Der IE9 Preview 1 macht dabei aber bereits eine sehr gute Figur, vor allem, wenn man die Tests auf anderen aktuellen Browsern zum Vergleich ebenfalls ausführt. Vor allem die Hardwarebeschleunigung sorgt teilweise für beeindruckende Resultate. Interessant ist auch der Test, der per CSS3 abgerundete Begrenzungen darstellt.
Im ACID3-Test erzielt der IE 9 Preview 1 allerdings "nur" 55 Punkte. Das ist laut dem Entwicklerteam auch noch nicht die Priorität, sobald sich der IE9 der Fertigstellung nähert, soll er auch im ACID3-Test besser abschneiden.
IE Preview 2
Seit dem 05. Mai 2010 steht die IE9 Preview 2 zum Download auf IETestDrive.com bereit. Auch hier ist HTML5 einer der Schwerpunkte. Jede der drei etablierten Kategorien ist um neue Code-Samples erweitert worden, die Entwicklern die neuen Funktionen nahebringen sollen. Insgesamt sind zehn neuen Beispiele auf der Homepage verfügbar.
Die zweite große Komponente der IE9 Preview 2 ist das "Same Markup"-Feature. Die Idee dahinter ist eigentlich einfach: Egal auf welchem Bildschirm, egal auf welchem Gerät, der Browser soll dieselbe Markup-Language immer gleich darstellen. Bislang war es häufig so, dass Webentwickler für zahlreiche verschiedene Systeme eigene Workarounds für die entwickeln müssen, damit die Website richtig dargestellt wird.
Der integrierte Code wurde weiter verbessert, was sich beispielsweise im Sunspider-Benchmark niederschlägt - die Preview 2 arbeitet noch fixer als die erste Version. Auch im ACID3-Test schlägt sie sich besser. Statt 55 Punkten wie bei der Preview 1 erreicht die Preview 2 nun 68 Punkte.
Neu: IE9 Preview 3
Microsoft hat eine weiter Vorabversion des Internet Explorer 9 über die IE Testdrive-Website zur Verfügung gestellt. Dabei hat der Redmonder Konzern nicht nur die IE9-Grundlagen weiter überarbeitet, auch neue Technik-Demos wurden eingestellt. Insgesamt 15 neue Demos sollen zeigen, was der künftige Windows-Browser zu bieten hat und wie er sich im Vergleich mit anderen Browsern schlägt.
Microsoft selbst setzt scheinbar große Hoffnungen in den Webstandard HTML5 - anders ist kaum zu erklären, dass auch in der IE9 Preview 3 weiter HTML5-Funktionen integriert bzw. verbessert wurden. Vor allem die Hardwarebeschleunigung wurde ausgeweitet - dabei kann der Browser rechenintensive Aufgaben an die GPU der Grafikkarte auslagern, die Animationen und Bilder deutlich flinker berechnen kann als eine normale CPU.
Aus dem Blog-Eintrag, den das Entwicklungsteam zur Veröffentlichung geschrieben hat, das Microsoft die neue Bedeutung des Internets durchaus erkannt hat. Mit dem Internet Explorer 9 sollen das Web und Web-basierte Anwendungen nicht mehr nur auf Windows laufen, sondern auch die wie "normale" Windows-Apps auch deutlich mehr Zugriff auf Ressourcen bekommen - die GPU-Beschleunigung ist ein entsprechendes Beispiel dafür.
Komplett neu in dieser Auflage des IE9 Preview ist die Unterstützung für Hardwarebeschleunigung des HTML5 Canvas Element, das in den Spezifikationen von HTML5 genauer erklärt wird. Faszinieren für Webentwickler ist auch die neue Unterstützung für hochauflösende Schriften.
Auch die IE9 Preview 3 ist noch kein vollständiger Browser, sondern ist lediglich dazu gedacht, Entwicklern und anderen Interessierten einen Ausblick zu geben. So fehlen etwa noch immer Bedienelemente wie die Adressleiste oder eine Lesezeichenverwaltung - es ist also davon auszugehen, dass der fertige Internet Explorer 9 noch deutlich anders aussehen wird.
Ausblick und Fazit
Microsoft zeigt sich bei der Entwicklung des Internet Explorer 9 offen wie selten. Der Redmonder Konzern arbeitet eng mit Institutionen wie dem W3C zusammen, bei der IE9 Preview 2 wurden bereits 192 Tests zur Verfügung gestellt. Microsoft scheint es mittlerweile mehr als leid zu sein, noch immer das schwere Erbe des Internet Explorers 6 mitschleppen zu müssen. Die Offenheit kommt in der Entwicklergemeinde gut an, zu den Vortragenden auf der MIX10 gehörte auch eine Vertreterin von Opera, die dem Plenum die Neuerungen von HTML5 nahe brachte.
Für die allgemeine Entwicklung des Internets ist ein Standard-basierter Internet Explorer alles andere als schlecht. Auch wenn die Nutzeranzahl fällt, noch immer ist der IE der Browser, mit dem nahezu jeder Computernutzer die ersten Erfahrungen im Web machen. Auch in den meisten Unternehmen ist der IE alles andere als unverzichtbar. So ist er etwa der einzige Browser, von dem Administratoren sicher annehmen können, dass er auf allen Windows-Systemen installiert ist.
Nicht zu vergessen ist, dass Microsoft noch immer als einziger Konzern einen Browser zur Verfügung stellt, der sich zentral administrieren lässt. Das bezieht sich nicht nur auf die Verteilung und Vorabkonfiguration, sondern beispielsweise auch auf das Patch-Management. Mit einem aktiven WSUS kann man nicht nur Updates ausrollen, sondern auch fehlerhafte Updates zurückmelden lassen.
Davon abgesehen ist der IE9 bereits in dem frühen Teststadium ein interessantes Stück Software. Die neuen Funktionen können überzeugen, vor allem das Rendern per Grafik-Hardware und die neue Javascript-Engine gefallen. Sollte Microsoft den neuen IE in dieser Geschwindigkeit und Qualität weiterentwickeln, könnte die finale Version durchaus wieder einige Marktanteile zurückerobern. (mje)