Data Governance

Mehr aus Geschäftsdaten machen

03.05.2011 von Andreas Schaffry
Sprunghaft steigende Datenmengen stellen Unternehmen vor Probleme beim Daten-Management sowie in punkto Datenqualität und Business-Analytik. Marktforscher raten deshalb zu einer Data-Governance-Strategie.

Unternehmen müssen in ihren Business-Applikationen sowie Storage-Systeme bis Ende 2014 rund 650 Prozent mehr an geschäftlichen Informationen verarbeiten als 2010. Dies prophezeite David Cappuccio, Analyst beim US-Marktforschungsinstitut Gartner, 2009 auf der Gartner Data Center Conference. Die Flut der zu verwaltenden strukturierten wie auch unstrukturierten Daten schwillt demnach rapide an. Dazu tragen auch immer neue Datenformate bei, etwa aus Sensoren oder RFID-Chips (Radio Frequency Identification). Ebenso greifen immer mehr Anwender mobil über Smartphones oder Tablets auf geschäftliche Informationen zu.

Daten-Management kanalisiert Datenflut

Den Forschern des BARC zufolge steht Data Governance in Unternehmen noch am Anfang.
Foto: BARC

Alles zusammen macht den Aufbau eines effektiven Daten-Managements zum geschäftskritischen Faktor. Die Grundlagen dafür schaffen CIOs mit der Umsetzung einer Data-Governance-Strategie, die Personen, Prozesse und IT-Technologien umfasst und diese Bereiche so aufeinander abstimmt, dass Geschäftsdaten konzernweit in hoher Qualität sowie konsistent, valide und aktuell vorliegen.

Sinn und Zweck von Data Governance ist es, den Wert von Geschäftsdaten im Unternehmen, ob Finanzdaten, Produktdaten, oder Daten von Kunden und Partnern, für das eigene Geschäft bestmöglich zu nutzen und diese gleichzeitig kontinuierlich zu optimieren. Dazu müssen Informationen nach fest definierten Regeln verwaltet, verteilt und für Auswertungen bereitgestellt werden.

Das Data Governance Institute (DGI) definiert Data Governance als "ein System von Entscheidungsrechten und Verantwortlichkeiten für alle informationsbezogenen Prozesse, durchgeführt auf Basis anerkannter Modelle. Darin ist festgelegt, welche Personen, zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Bedingungen, welche Aktionen mit welchen Informationen durchführen dürfen."

Steve LaValle, Autor der IBM-Studie "Breaking away with Business Analytics and Optimization", fordert im Rahmen von Data Governance eine unternehmensweit eindeutige und einheitliche Definition von Begriffen für alle Anwendergruppen. In der Praxis ist das meist nicht der Fall. Während die Finanzabteilung unter dem Begriff "Kunden" laufende Verträge versteht, meint das Marketing damit jede Person, mit der sie jemals ein Geschäft gemacht hat. Für den Vertrieb wiederum sind Kunden Geschäftschancen, bei denen er auf die Angebotsannahme wartet.

Ohne Data Governance keine Datenqualität

Firmen, die Data-Governance-Projekte durchführen, profitieren von besseren Auswertungen.
Foto: IBM

Die Beispiele zeigen es: Richtlinien zur Datenhaltung vereinen unterschiedliche Disziplinen wie Datendefinition, Datenintegration, Datenqualität oder Stammdaten-Management unter einem Dach. Es verwundert daher kaum, dass Data-Governance-Projekte oft mit MDM-Initiativen verknüpft sind, die wiederum durch Business-Intelligence-Vorhaben initiiert werden. In diese logische Reihenfolge stellen die Analysten des Business Application Research Center (BARC) die Data-Governance-Pläne von Unternehmen - sofern es diese überhaupt gibt.

Denn besonders weit scheint es damit nicht her zu sein, wie eine BARC-Umfrage unter mehr als 110 deutschen SAP-Anwenderunternehmen herausfand. Wegen schlechter Datenqualität leiden 72 Prozent der befragten Firmen unter sinkender Kundenzufriedenheit. 53 Prozent klagen über steigende Kosten, 63 Prozent über unzufriedene Mitarbeiter.

Trotz dieser eindeutigen Warnsignale verzichten 91 Prozent der Befragten bislang auf die Etablierung von Data-Governance-Programmen um eine durchgängig hohe Datenqualität in ihren SAP-Anwendungen zu gewährleisten. So lautet das ernüchternde Fazit der Studienautoren. Die Folgen: In den IT-Systemen lagern inkonsistente und unvollständige Informationen, was wiederum die Genauigkeit von BI-Analysen beeinträchtigt. Knapp die Hälfte der Studienteilnehmer gab an, dass es keine Aktivitäten in Richtung Data Governance gibt. Falls doch Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität von Stammdaten und Bewegungsdaten ergriffen werden, bleiben diese meist Stückwerk.

Gemeinsame Sprache für Daten schaffen

Steve LaValle hält dies für ein Unding. Unternehmensweite Data-Governance-Konzepte haben für ihn grundsätzlich strategische Bedeutung, denn: Sie bilden die Voraussetzung für eine effiziente Geschäfts-Analytik und sind damit wettbewerbsrelevant. Damit sind Firmen in der Lage, Bereichs- und funktionsübergreifend eine gemeinsame "Sprache" für geschäftliche Informationen, wie "Kunde" oder "Produkt", herzustellen und somit auch eine identische Sicht auf die entsprechenden Daten zu schaffen.

Der Zusammenhang zwischen Business Intelligence und Data Governance ist dabei evident. Laut der oben zitierten IBM-Studie führen von den weltweit knapp 400 Studienteilnehmern zurzeit 17 Prozent Data-Governance-Projekte durch, um ihre Business-Analysen zu optimieren. Von den Firmen, die besonders gut darin sind, Absätze und Geschäftsentwicklungen vorauszusagen, gehören 42 Prozent auch bei der Umsetzung von Data-Governance-Richtlinien zu den Top-Performern. Diese zeichnen sich beim Daten-Management durch ausgefeilte Prozesse und Management-Systeme mit Automatisierungs-Funktionen aus. Bei den Low-Performern sind es nur 14 Prozent.

Das Data Governance Institute hat ein Framework entwickelt, das Firmen Praxistipps zur Durchführung von Data-Governance-Vorhaben liefert.
Foto: DGI

Wie Firmen Data-Governance-Vorhaben in der betrieblichen Praxis zielgerichtet durchführen können, zeigt wiederum das DGI in einem Framework, das aus folgenden zehn Bausteinen besteht:

Baustein 1: Data-Governance-Projekte brauchen eine Mission und eine Vision, die Antworten auf die Kernfrage "Warum machen wir das überhaupt?" liefern.
Baustein 2: Projektziele werden formuliert, Metriken und Kennzahlen für die Erfolgsmessung festgelegt und die Finanzierung gesichert.
Baustein 3: Durch die Festlegung von Daten-Regeln (Data Rules) und Daten-Definitionen wird eine hohe Datenqualität gewährleistet.
Baustein 4: Davor muss fixiert sein, welche Personen die Regeln und Definitionen für die Daten erstellen. Wer entscheidet über die Länge einer bestimmten Datenbank-Tabelle in einem neuen System?
Baustein 5: Zuständigkeiten und Rechte im Umgang mit den Daten sind zu klären.

Data Governance Office bündelt Initiativen

Baustein 6: Durch effiziente Daten-Kontrolle und ein Risiko-Management lassen sich Datenverluste verhindern und Datenverletzungen korrigieren.
Baustein 7: Die Interessen der jeweiligen Data Stakeholder werden berücksichtigt und geregelt. Es gibt drei Typen von Stakeholdern: Solche, die Daten erzeugen und anlegen, solche die Daten nutzen und solche, die Regeln und Anforderungen für die Daten und deren Verwendung festlegen.
Baustein 8: Aktivitäten im Rahmen einer Data-Governance-Initiative werden in einem Data Governance Office (DGO) gebündelt. Das sorgt für mehr Transparenz und macht die Verwaltung einfacher.
Baustein 9: Der Einsatz von Data Stewards hilft, um die Daten-Qualität kontinuierlich zu verbessern. Diese prüfen Geschäftsinformationen auf Konsistenz, Vollständigkeit und Genauigkeit.
Baustein 10: die letzte Komponente beschreibt Prozesse und Methoden mit denen Daten verwaltet und gesteuert werden. Im Idealfall sind diese standardisiert, dokumentiert und damit beliebig oft wiederholbar. Auch gesetzliche Regelungen und Compliance-Anforderungen sind im Hinblick auf Daten-Management, Datenschutz, Datensicherheit und Zugangs-Management zu erfüllen.