Mitarbeiter abgelenkt

Führungsstil: Feedback kann Entscheidungen auch verschlechtern

17.09.2012 von Andrea König
Eine Forscherin widerlegt die gängige Annahme, dass Feedback stets sinnvoll ist. Wer Mitarbeitern während komplexer Aufgaben Rückmeldung gibt, lenkt sie ab. Kein Feedback ist auch keine Lösung, auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an.

Positives Feedback und konstruktive Kritik gegenüber Mitarbeitern zählen in der allgemeinen Wahrnehmung zu den wichtigsten Management-Instrumenten.

Timing: Bekommt ein Mitarbeiter bei der Bearbeitung einer komplexen Aufgabe Feedback, können ihn diese Informationen so überfrachten und ablenken, dass er im Anschluss schlechtere Entscheidungen trifft.
Foto: MEV Verlag

Wer gut führen möchte, sollte seinem Team regelmäßig Feedback geben, liest und hört man von Karriereexperten. Auch in der Wissenschaft ist man lange davon ausgegangen, dass Feedback positive Auswirkungen auf Menschen hat. Doch eine Forscherin der Queen Mary Universität in London behauptet nun das Gegenteil. Feedback kann auch negative Auswirkungen haben kann, sagt Magda Osman.

Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass Angestellte schlechtere Entscheidungen treffen, wenn Ihnen zuvor jemand Feedback zu einer sehr komplexen Angelegenheit gibt. Und das geschieht ganz unabhängig davon, ob diese Rückmeldung positiv oder negativ ist. Osmans Erklärung dafür: Das Feedback für diese schwierige und fordernde Aufgabe hat die Menschen mit Informationen überfrachtet und sie davon abgelenkt, anschließend eine gute Entscheidung zu treffen.

Rückmeldung nur zum passenden Zeitpunkt

Osman hält den Stellenwert von Feedback für überzogen. Menschen würden fälschlicherweise davon ausgehen, dass Rückmeldungen die Leistung steigern und das umso mehr, je häufiger Feedback gegeben wird. Stattdessen sollte man bei einer Rückmeldung immer berücksichtigen, wie komplex die Aufgabe war, die man kommentiert. In Osmans Versuchsreihe mussten 100 Probanden komplexe Entscheidungen zum Gesundheitszustand von Babys treffen. Dass durch das Feedback schlechtere Entscheidungen getroffen wurden, hält die Wissenschaftlerin auch für übertragbar auf andere fordernde Aufgaben.

Was also sollten Führungskräfte tun, deren Team komplexe Themen bearbeitet? Fortan kein Feedback mehr zu geben, wäre natürlich auch nicht die richtige Lösung. Doch man sollte den richtigen Zeitpunkt abpassen und die Rückmeldung nicht gerade dann geben, wenn Angestellte sich gerade mit einer komplexen Sache beschäftigen und kurz vor einer Entscheidung stehen. Osman rät, Mitarbeitern beim Lösen einer schwierigen Aufgabe mehr Zeit zu geben, um Dinge zu analysieren und auszuwerten. So können sie ohne Ablenkungen eine Lösung finden.

Widerspruch zur gängigen Ansicht über Feedback

Die Forschungsergebnisse von Magda Osman widersprechen - wie sie selbst einräumt - den Aussagen anderer Wissenschaftler, etwa denen des Psychologen Daniel Kahneman. Der Nobelpreisträger, der unter anderem den Bestseller Thinking, Fast and Slow verfasst hat, hält Feedback für gut und sinnvoll.

Auch Richard Thaler, Professor an der Universität Chicago, und Cass Sunstein von der Harvard Law School gehören zu denjenigen Forschern, die Feedback als positiv bewerten. Die beiden haben zusammen das Buch Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt verfasst.

Magda Osman von der Queen Mary Universität in London hat ihre Forschungsergebnisse in der Zeitschrift "Frontiers in Neuroscience" veröffentlicht. Der Beitrag ist unter dem Titel "The role of reward in dynamic decision making" erschienen. (mje)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO.de