Groupware und Unified Communication

CommuniGate Pro - Exchange-Alternative im Test

20.02.2013 von Andrej Radonic
CommuniGate Pro bündelt einen Mail-Server mit Kommunikations-Tools für Instant Messaging, Internettelefonie und Dropbox-ähnlichen Diensten. Das System macht etablierten Messaging- und Groupware-Lösungen wie Exchange Konkurrenz.

Gängige Messaging-Lösungen wie Exchange, Zimbra, Kerio oder Open Xchange sind inzwischen weit mehr als bloße Mail-Server und bieten auch Collaboration-Dienste. Allerdings endet das Angebot meist an diesem Punkt. Wer Instant Messaging, Internettelefonie oder gar Filesharing anbieten möchte, muss zumeist separate Dienste nutzen oder zusätzliche Produkte installieren. Aufwendiges Management, fehlende Übersicht und hohe Kosten sind die Folge. Der Anwender muss sich zudem mit einer ganzen Reihe uneinheitlicher Clients herumschlagen.

Bildergalerie:
CommuniGate Pro
Communigate Pro erlaubt vielfältigen Zugriff auf die Postfächer, etwa per POP3 oder IMAP. Outlook-Nutzer können das MAPI-Plugin verwenden.
CommuniGate Pro
Anrufe kann man per Klick ins Adressbuch starten.
CommuniGate Pro
Der Hersteller verspricht je Server eine Skalierung von bis zu 200.000 Usern, je nach deren Nutzungsmustern und Arbeitsintensität.
CommuniGate Pro
Pronto: Anwender können beispielsweise über den webbasierten Client kommunizieren.

CommuniGate (CG) vom kalifornischen Anbieter CommuniGate Systems erklärt Unified Communications zur wichtigsten Devise. Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist, sämtliche Kommunikationsdienste in einem einzigen User Interface zu bündeln und jeden Anwender unter einer einzigen Adresse erreichbar zu machen, egal über welchen Kanal. CommuniGate Pro ist als Kommunikationszentrale im Unternehmen gedacht. Der Hersteller packt sein Flaggschiff mit allem voll, was Kommunikationstechnik zu bieten hat: Neben den klassischen Angeboten wie Gruppenkalender, Adressbuch und Aufgabenverwaltung vereint es auch Internettelefonie, Instant Messaging, SMS, Online-Konferenzen sowie Filesharing in einem Client-Server-System. Daneben verkommt der im Kern werkelnde Hochleistungs-Mail-Server fast schon zum Beiwerk.

Lizenzierung und Preise

Die Community Edition von CommuniGate Pro erlaubt die kostenfreie Nutzung der Software mit bis zu fünf Usern. Das kleinste Lizenzpaket umfasst 25 User und kostet einmalig 999 Euro plus Mehrwertsteuer, für die 50-User-Lizenz werden 1449 Euro fällig. Die Lizenz beinhaltet sämtliche Funktionen, nur die optionalen Antiviren- und Anti-Spam-Module diverser Anbieter wie Kaspersky, Sophos oder McAfee müssen zusätzlich erworben werden.

Alternativ können Anwender über diverse Anbieter CommuniGate Pro auch via Cloud beziehen und nutzen. Eine spezielle Service- Provider-Edition liefert zusätzlich Cluster-Funktionen sowie Mandantenfähigkeit.

Kommunikationszentrale

Das proprietäre System setzt konsequent auf verbreitete Standards, Protokolle und offene Schnittstellen. POP3 und IMAP dienen der Mail-Anbindung, WebDAV und CalDAV dem Austausch von Terminen, SIP/RTP und XMPP der Telefonie und dem Instant Messaging. Die innerhalb der Groupware-Anwendungen vorhandenen Daten können in anderen Programmteilen weiterverwendet werden, beispielsweise kann ein während eines angesetzten Meetings ankommender Anruf automatisch an den Anrufbeantworter umgeleitet werden. Terminerinnerungen lassen sich per Instant Messaging oder SMS zustellen oder als automatische Anrufe ausführen.

Instant Messaging und Präsenzinformationen kann der CG-Pro-Server mittels XMPP und SIP auch mit anderen Messaging-Plattformen wie ICQ, AIM oder Yahoo über entsprechende Gateways austauschen.

Plattformübergreifender Client

Damit finden praktisch alle am Markt gängigen Clients für Mail, Terminverwaltung, Messaging und dergleichen Anschluss an CommuniGate Pro.

E-Mail-Anbindung: Communigate Pro erlaubt vielfältigen Zugriff auf die Postfächer, etwa per POP3 oder IMAP. Outlook-Nutzer können das MAPI-Plugin verwenden.
Foto: CommuniGate Systems

Selbst Outlook-User können bei ihrem Lieblingsprogramm bleiben und müssen für dessen Nutzung mit CommuniGate lediglich das MAPI-Plugin herunterladen und installieren. Auch gängige XMPP- und SIP-Clients erlauben den Zugang zum Unified-Communications-Server.

Für eine Client-unabhängige Nutzung des Systems liefert CommuniGate einen Web-Client auf HTML-Basis mit verschiedenen Skins und Layouts sowie den vollwertigen Client "Pronto". Der liegt als Flash-Implementierung in zwei Varianten vor: als Zero-Install-Programm mit Web-2.0-Charakter oder als Desktop-Applikation, die Adobe AIR auf dem PC voraussetzt und eine entsprechende Installation durchläuft.

Pronto: Anwender können beispielsweise über den webbasierten Client kommunizieren.
Foto: Communigate Systems

Der Client benutzt das XIMSS-Protokoll für die Anbindung an CommuniGate Pro. Je nach Freigaben im CommuniGate-Account des jeweiligen Anwenders entfaltet der Pronto-Client seinen Nutzen als Mail-Programm, Terminkalender und Aufgabenverwaltung oder übermittelt Präsenzinformationen sowie Instant-Messaging-Chats. Ist der PBX-Service für den Anwender freigegeben, kann dieser mit Pronto Telefonanrufe annehmen oder aufbauen sowie weitere Telefoniedienste wie Anrufbeantworter, Umleitungen und dergleichen mehr in Anspruch nehmen.

Bei dem im Browser eingebetteten Client muss der Anwender für die Telefonie ein zusätzliches Plugin herunterladen und im Browser einrichten. Anwender ohne Flash greifen auf den einfachen Web-Client zurück, der auf einem alten HTML-Standard beruht, kein Ajax kennt und daher auf einige Funktionen vor allem aus dem Segment der Realtime Communication (Telefonie, Instant Messaging, Presence) verzichten muss. Ein von Grund auf neuer HTML5-Client soll laut Hersteller jedoch in Arbeit sein.

XIMSS als Protokoll

XIMSS steht für XML Interface to Messaging, Scheduling and Signaling und ist eine XML-basierte offene Softwareschnittstelle für die IP-Kommunikation. Mit XIMSS muss ein Client keine komplexen Protokolle wie IMAP oder SIP selbst implementieren, sondern kann diese remote auf dem Server ausführen.

Anwender mit Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets kommen dagegen in den Genuss nativer Apps für iOS und Android, die praktisch den gesamten Funktionsumfang transparent auf das Gerät bringen und einen ausgereiften Eindruck bei guter Bedienbarkeit machen.

Das in CG Pro enthaltene ActiveSync sorgt auf Wunsch für eine vollautomatische Synchronisation von Mails, Terminen und Kontakten zwischen Server und Mobilgerät und rundet damit die Client-Anbindung ab. BlackBerrys können über das optional verfügbare AstraSync-Paket over the air abgeglichen werden.

Mehr als nur Collaboration

Der Anwender findet eine erstaunliche Fülle an Funktionen vor, die weit über die üblichen Collaboration-Lösungen hinausgehen. Besonders die vollwertige SIP-basierte Online-Telefonanlage weiß zu überzeugen. Um einen Anruf vorzunehmen, ist nur ein Klick im Adressbuch nötig. Konferenzen mit mehreren Teilnehmern stellt der Anwender einfach durch Drag and Drop der Kontakte in das Anruffenster her.

Gesprächsbereit: Anrufe kann man per Klick ins Adressbuch starten.
Foto: CommuniGate Systems

Neben normalen Voice-Calls sind auch Videotelefonate möglich, allerdings nur zwischen zwei Teilnehmern. Neben üblichen TK-Features wie Mailbox und Anrufbeantworter sowie Weiterleitungen finden sich auch Konferenzfunktionen inklusive eines virtuellen Whiteboards. Dieses kann von allen Teilnehmern für das Einsehen von Texten und Bildern und das Austauschen von Informationen simultan genutzt werden.

Die üblichen Mail- und Groupware-Funktionen sind solide ausgeführt und lassen nur wenige Wünsche offen. Darüber hinaus erfreut das System den Anwender mit vielen weiteren nützlichen Features: Der integrierte Media-Player spielt Musik, Fotos und Videos direkt ab. Diese Medien kann der Anwender selbstständig in seinem Account verwalten, begrenzt nur durch die vom Administrator vorgegebene Quota. Web-Radio, RSS-Feeds sowie ein Social-Media-Client für Twitter, Facebook und Flickr runden das Angebot ab. Der eDisk-Dienst etabliert einen Online-Speicher für jeden User, in dem er Dateien direkt aus seinem Pronto-Client, von Smartphones oder alternativ per WebDAV oder FTP ablegen und abrufen kann.

Einfache Administration

Angesichts des Funktionsumfangs überrascht die einfach geratene Installation, die auf allen Betriebssystemen ähnlich abläuft: Das komprimierte Installationspaket ist zu entpacken, anschließend sorgt die Installationsroutine dafür, dass das Serversystem in genau zwei Ordnern angelegt wird - einem für die Programme, einem anderen für Einstellungen und Konfiguration.

CG Pro startet anschließend einen eigenen Webserver, der zunächst - um Konflikten mit einem eventuell schon vorhandenen Webdienst aus dem Weg zu gehen - auf Port 8010 beziehungsweise 9010 (SSL) die Administrationskonsole anbietet. Der Web-Client für User ist über die Ports 8100 sowie 9100 (SSL) erreichbar.

Der Administrator kann nun direkt damit beginnen, den Server mit der Außenwelt zu verbinden, Domains zu definieren und Benutzer mit ihren Konten anzulegen. Ein CG-Pro-Server ist in wenigen Minuten betriebsbereit, auch wenn die antiquiert wirkende Web-GUI zunächst keine Freude aufkommen lässt. Ambitionierte Administratoren können alternativ eine mächtige CLI für das Konfigurieren und Managen des Systems nutzen.

Skalierbarkeit: Der Hersteller verspricht je Server eine Skalierung von bis zu 200.000 Usern, je nach deren Nutzungsmustern und Arbeitsintensität.
Foto: Communigate Systems

CommuniGate Pro unterstützt serverseitig eine ungewöhnlich große Bandbreite an Betriebssystemen: Neben Windows kann es auch auf Linux, diversen Unix-Derivaten, Solaris, Mac OS sowie einigen exotischeren Systemen wie FreeBSD installiert werden. Dementsprechend ist auch die Unterstützung für Hardwareplattformen breit angelegt. So ist ein Betrieb unter anderem auch auf IBM-Mainframe- (zum Beispiel S/390) und -Midrange-Systemen (AS/400) möglich. Die Systemvoraussetzungen sind gering und hängen nur von der Anzahl der User ab. Der Hersteller verspricht je Server eine Skalierung von bis zu 200.000 Usern, je nach deren Nutzungsmustern und Arbeitsintensität.

Updates der Software erfordern lediglich ein Darüberinstallieren der Programmdateien mit anschließendem Neustart des Dienstes. Wird CommuniGate Pro im Cluster betrieben, ist durch ein rollierendes Aktualisierungsverfahren ein unterbrechungsfreies Update durchführbar.

Skalierbarkeit

CG wurde ursprünglich für den Hosting-Bereich entwickelt. Hier werden mehr als 150 Millionen User weltweit bedient. Dementsprechend spielten beim Design der Software Stabilität und Performance auch bei größten Nutzerzahlen von Anfang an eine wichtige Rolle. CommuniGate Pro hält den SpecMail2001-Rekord für ISP-Messaging und empfiehlt sich damit auch unter Hochlast als besonders stabiler Mail-Server.

Um maximale Skalierbarkeit zu bieten, unterstützt CG Pro einen Multi-Server-Betrieb. Es unterscheidet dabei zwei Setups: Zum einen gibt es den Partitionierungsmodus, bei dem User-Konten auf verschiedene Server verteilt werden, wobei kein gemeinsamer Daten-Pool vorgehalten wird. Als zweite, leistungsfähigere Option sieht das System dynamische Cluster vor, die auf Shared Storage zurückgreifen und so höhere Flexibilität und Sicherheit durch Failover ermöglichen.

E-Mail-Verkehr kann vom VoIP-Traffic getrennt werden, indem die Telefoniefunktionen auf dedizierten Servern zu einer sogenannten SIP-Farm zusammengeschaltet werden. Dieser Schritt hilft, die Quality of Service für die Sprachdienste auch unter widrigen Bedingungen wie etwa einer DoS-Attacke oder einer Spam-Welle aufrechtzuerhalten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Lösungen benötigt CommuniGate Pro keine Datenbank, um Nutzdaten zu speichern. Sämtliche Daten wie Mails, Termine, Aufgaben und Adressen werden als Mails gespeichert, und zwar getrennt voneinander, sodass Administratoren beim Sichern und Wiederherstellen von Daten sehr flexibel sind. Spezielle Datensicherungsprogramme, wie sie beispielsweise für Microsoft Exchange erforderlich sind, sind daher nicht nötig.

Sicherheit für Anwender und Daten

Bei den Sicherheitsvorkehrungen bietet CG Pro solide Hausmannskost. Anwender können sich via SSL/TLS auf sichere Weise von unterwegs mit dem Server verbinden, ohne einen VPN-Tunnel dafür bereitstellen zu müssen. Dabei werden jegliche Kommunikationswege automatisch verschlüsselt. Mail-Verschlüsselung ist mittels S/MIME möglich. Alle auf dem Server gespeicherten Nutzdaten werden automatisiert verschlüsselt abgelegt.

Ein großes Manko dürfte für viele Unternehmen jedoch die stark eingeschränkte Integration mit Microsofts Active Directory sein. Aufgrund unterschiedlicher Schemata sowie inkompatibler Authentisierungsmechanismen kann das AD nicht für die Benutzerverwaltung verwendet werden, sodass die CG-Account-Daten immer separat im Groupware-Server geführt werden müssen. Als Multi-Domain-System unterstützt CG Pro mit seiner Web-GUI eine hierarchische Domain-Delegation, sodass jede Domain von unterschiedlichen Administratoren verwaltet werden kann.

Fazit

CommuniGate Pro gelingt der Spagat zwischen Anwenderfreundlichkeit und dem Funktionsumfang eines mächtigen Unified-Communications-Systems. Anwendern liefert es mit dem Pronto-Client eine funktionierende Kommunikationszentrale, die alle Kanäle in einem Tool bündelt und einheitlich nutzbar macht.

Durch seine einfache Einrichtung und die geringen Ansprüche an die Systemumgebung eignet es sich auch für kleine Unternehmen. Seine Hochverfügbarkeits-Features und die breite Plattformunterstützung machen es zugleich interessant für große Umgebungen und Hosting-Anbieter.

Auch für Unternehmen, die Unified Communications nicht in Reinkultur benötigen, kann CommuniGate Pro eine Alternative zu etablierten Marktgrößen wie Microsoft Exchange oder Novell Groupwise sein. Die breite Unterstützung für viele gängige Clients inklusive Outlook macht's möglich.

Vorteile:

+ Installation und Betrieb einfach, dadurch auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geeignet;

+ sehr umfangreiche Features für Unified Communications;

+ Unterstützung für viele Serverplattformen;

+ Support für viele gängige Standards, Protokolle und Clients;

+ kompletter Rich-Media-Client im Paket enthalten;

+ umfassende Skalierungsoptionen inklusive Hochverfügbarkeit (HA).

Nachteile:

- Admin-GUI (HTML) nicht mehr zeitgemäß, teilweise unübersichtlich;

- separate Benutzerverwaltung für den Betrieb des CG-Systems erforderlich, keine Integration mit Microsoft Active Directory möglich. (mje)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche.