Angst vor dem Chef?

Die wahre Macht der Mitarbeiter

Was tun, wenn der Chef eine Fehlentscheidung trifft? Mund halten oder aus der Deckung gehen? Mitarbeiter haben viele Wege, sich zu wehren. Sofern sie nicht in Ohnmachtsgefühle oder Schockstarre verfallen. Die richtige Kommunikation ist alles.

Auch Vorgesetzte machen Fehler oder treffen Fehlentscheidungen. Nicht selten merken das die Mitarbeiter, trauen sich aber meist nicht, zu widersprechen oder etwas dagegen zu tun. Es ist ja schließlich der Chef. Dass Mitarbeiter nicht in Obrigkeitshörigkeit oder Ohnmacht verfallen sollten und sich wehren können, davon ist Klaus Grochowiak, Coach und NLP Experte, überzeugt. Er schildert ein Beispiel:

Was tun, wenn man sich bei einer Entscheidung des Chefs nicht sicher ist und diese insgeheim hinterfragt? Nur ja nicht in Ohnmacht oder Ergebenheit versinken, rät Coach Klaus Grochowiak.
Was tun, wenn man sich bei einer Entscheidung des Chefs nicht sicher ist und diese insgeheim hinterfragt? Nur ja nicht in Ohnmacht oder Ergebenheit versinken, rät Coach Klaus Grochowiak.
Foto: LZ Image - shutterstock.com

Der Finanzvorstand einer großen internationalen Bank habe einer Fachabteilung den Auftrag gegeben, die Folgen für einen "Haircut" bei den griechischen Staatsanleihen abzuschätzen. Die Chefin dieser Abteilung war von Anfang an nicht von dieser Aufgabe begeistert, unter anderem deshalb, weil sie sich selbst erst in die Materie hätte einarbeiten müssen. Zum anderen war ihr ein Dorn im Auge, dass namentlich ein Kollege, mit dem sie schon Probleme hatte, sich hier als Spezialist hätte profilieren können.

Nachdem die europäischen Finanzminister für die Kredite eine Bürgschaft ausgesprochen hatten, teilte ihr der Finanzvorstand mit, dass das Projekt zwar weiterbetrieben werden sollte, aber auf kleiner Flamme. Die Abteilungschefin wies daraufhin den oben erwähnten Spezialisten an, alle Kollegen, die seit Wochen an diesem Projekt arbeiteten, unverzüglich davon abzuziehen.

Jetzt hätte dieser Spezialist natürlich den Vorstand anrufen können, um zu erfragen, ob diese Maßnahme tatsächlich beschlossen wurde. Dies wäre aber eine offene Misstrauenserklärung gegen seine Chefin gewesen.

Der Spezialist habe einen anderen Weg gewählt, so Grochowiak weiter: Dieser schickte eine E-Mail an alle Kollegen, in der er sachlich mitteilte, dass er um 10:30 Uhr von seiner Abteilungsleiterin die Anweisung bekommen habe, die Arbeiten an dem Projekt "Haircut" sofort einzustellen, quasi als Vollzugsmeldung. Auf CC gesetzt war auch der Vorstand.

14 Tage später kündigte die Abteilungsleiterin.

Was ist passiert? Mitarbeiter wie im besagten Beispiel fühlen sich oft den Entscheidungen Ihrer Chefs "hilflos" ausgeliefert. Im konkreten Fall hat der Mitarbeiter einen klugen Schachzug gemacht. Grochowiak: "Der Mitarbeiter hat per Mail alle Kollegen informiert und die erste Führungsebene CC gesetzt. So hat er höflich und formal korrekt eine Bestätigung seines Arbeitsauftrages angefragt." Diese Form der Absicherung biete sich immer dann an, wenn Mitarbeiter nicht sicher sind, ob alle mit einer Entscheidung konform gehen. Nicht immer müssen die Folgen allerdings so drastisch sein wie in diesem Beispiel.

Klaus Grochowiak, Coach, gibt wertvolle Tipps, wie Sie Ihre Angst vor dem Chef überwinden und mit diesem das Gespräch suchen können, um Unsicherheiten zu beseitigen.
Klaus Grochowiak, Coach, gibt wertvolle Tipps, wie Sie Ihre Angst vor dem Chef überwinden und mit diesem das Gespräch suchen können, um Unsicherheiten zu beseitigen.

Was aber können Mitarbeiter in Situationen tun, die sich nicht durch eine sachliche E-Mail klären lassen? Wenn sie unangenehme Themen klar ansprechen müssen oder sollten und in die direkte Konfrontation mit dem Chef gehen? Wie Mitarbeiter bei schwierigen Machtkonstellationen und Ohnmachtsgefühlen sicherer werden, dafür hat Coach Grochowiak einige Tipps parat:

  • Gehen Sie als Mitarbeiter die übertriebene Angst vor einer Konfrontation unbedingt an. Derart ausgeprägte Angstgefühle spiegeln kindliche Verhaltensweisen, die unaufgearbeitet auch bei Erwachsenen bestehen bleiben. Begreifen Sie alte Muster aus Kindertagen als Gefahr. Weder Führungskräfte noch Kritik versetzen Sie in eine Angststarre. Unverarbeitete kindliche Autoritätskonflikte sollten Sie unter keinen Umständen auf den Chef projizieren, wenn Sie glaubwürdig und machtvoll arbeiten möchten.

  • Ihre eigenen Fähigkeiten und ihre informelle Macht sind als Mitarbeiter Ihr Schlüssel zu mehr Erfolg, wenn Sie die tatsächlichen Machtverhältnisse eruieren. Oftmals sind Sie viel mächtiger, als es Ihr Arbeitsvertrag darlegt. Woran das erkennbar ist? Der laute Ton Ihres Vorgesetzten, seine Körpersprache oder auch das Maß an Aufmerksamkeit des Chefs der übergeordneten Führungsebene sind Indikatoren. Die direkte Machtkonfrontation darf nicht zur gefürchteten Angstdisziplin werden.

  • Respekt und Sachlichkeit: Bei Diskussionen mit Ihrem Chef ist die angemessene Höflichkeit fast die ganze Miete - Souveränität in Konfliktsituationen ist ein Ausdruck informeller Macht. Wer schreit, lebt Ohnmacht, wer gelassen ist und stark, bleibt ruhig und selbstsicher.

  • Zeigen Führungskräfte Widerstände gegen Machtkonstellationen, gibt das Auskunft über die wahre Machtposition. Fehlt die informelle Macht, fühlen sich Entscheidungsträger oftmals machtlos. Das bringt Abhilfe: Mitarbeitern sollten sich im Unternehmen den wahren Chef suchen und das Anliegen dort klären.

  • Absprachen und mündlich getroffene Vereinbarungen werden bestritten? Verschriftlichen Sie Ihre Ergebnisse. Unterschriebene Protokolle sind als Absicherung genauso geeignet wie eine Mailantwort. Wenn Sie sich auf Zusagen verlassen, sind Sie verlassen. Wer nicht beweisen kann, was vor Wochen entschieden worden ist, läuft Gefahr, dass die eigene Position bestritten wird.

  • Die Machtinteressen Ihres Chefs müssen nicht mit den Machtinteressen seines Chefs oder anderen Führungskräften auf gleicher Ebene identisch sein. Häufig begegnen Ihnen im Berufsalltag divergierende oder sich ausschließende Anweisungen. Achten Sie darauf, nicht zwischen die Fronten zukommen. Ändern Sie Ihren Blickwinkel und erkennen Sie, dass viele Entscheidungsträger in Ihrem Umfeld viele verschiedene Interessen haben - und auch Ihr Chef ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

  • Sie möchten nicht ausweichen? Dann lassen Sie sich auch von Zeit zu Zeit auf direkte Machtkonfrontationen ein - immer aber unter dem Bewusstsein, was der eigenen Position entsprechend möglich ist. Erst Konfrontationen zeigen Ihnen auf, wei viel Macht Sie besitzen.