Microsoft zur NSA-Affäre

Microsoft: Seit Snowden sind Kunden aufgeklärter

Microsoft drängt in die Cloud und arbeitet intensiv daran, Anwender ebenfalls zu diesem Schritt zu bewegen. Warum das Unternehmen trotz Datenschutzdebatte mit Nachdruck diese Veränderungen anstrebt, erläutert Microsoft-Geschäftsführer Thomas Schröder im Interview.

Computerwoche: Microsoft bewegt das eigene Geschäftsmodell mit Vehemenz in Richtung Cloud. Folgen Ihre Kunden und Partner diesem Weg?

Thomas Schröder: Das Interesse ist riesig groß. Jüngst haben sich sehr große Unternehmen für das Public-Cloud-Angebot "Office 365" entschieden. Alle Kunden evaluieren das Thema zumindest, weil der Kostendruck in der IT nach wie vor sehr hoch ist. Standardservices wie Kommunikation müssen möglichst preiswert, effizient und sicher eingekauft werden. Dafür haben wir das Angebot.

Computerwoche: Das klingt, als ob bald alle Kunden in der Cloud arbeiten. Vermutlich ist das Groß der Bestandskunden aber noch klassisch unterwegs.

Thomas Schröder: Ja, aber alle Microsoft-Kunden, die das Lizenz-Agreement verlängern, öffnen die Tür in die Cloud. Bei einer Erneuerung ergänzen wir den Vertrag um einen Passus, der die Bedingungen regelt, unter denen der Kunde die Cloud-Services nutzen kann. Falls gewünscht, kann er von heute auf morgen aus einem bestehenden Vertrag heraus Cloud-Dienste aktivieren.

Computerwoche: Warum macht Microsoft das?

Thomas Schröder: Wir sind fest davon überzeugt, dass sich das Arbeitsleben ändert und Mitarbeiter ihre Jobs künftig mobiler und mit unterschiedlichen Geräten erledigen müssen. In einer solchen Umgebung geht es einfach nicht, eine komplette Excel-Applikation oder einen vollumfänglichen E-Mail-Client zu installieren.

Natürlich spielt auch der Wettbewerb eine Rolle. Im Office-Segment, in dem wir derzeit unser stärkstes Cloud-Angebot haben, spüren wir den Druck der Konkurrenten - etwa in Deutschland von Star Office und Open Office, aber vor allem von Google mit der preiswerten Consumer-Lösung.

Computerwoche: Seit den Snowden-Enthüllungen wird der Datenschutz in der Cloud heftig diskutiert. In dem Zuge sind vor allem US-Anbieter in die Kritik und unter Verdacht geraten. Hat Ihr Geschäft gelitten?

Thomas Schröder: Im Vergleich zum Vorjahr gibt es bei uns bestimmt die zehnfache Menge an Anfrage nach Cloud-Diensten. Die Zahl der verkauften Seats hat sich binnen Jahresfrist verdoppelt. Es gab am Anfang eine unglaubliche Aufregung um das Thema, das hat für sehr viel Verunsicherung gesorgt. Es hat aber auch zu einer allgemeinen Klärung geführt, zugegeben noch nicht vollkommen.

Wir haben seitdem sehr viel aufgeklärtere Kunden. Das gilt vor allem für solche Anwender, die international aufgestellt sind. Das Expertentum wurde durch die Diskussion geschärft, die meisten Kunden wissen heute genau, was etwa Safe Harbour bedeutet. Uns fällt es dadurch häufig leichter, Verträge abzuschließen. Wir diskutieren mit Experten sehr viel zielgerichteter.

Das Thema Datenschutz steht zumindest im Großkundengeschäft immer auf der Agenda, bei den Verhandlungen sitzt auf Anwenderseite immer der Datenschützer mit am Tisch. Neben den vertraglichen, kommerziellen und technischen Verhandlungen gibt es eigens Gespräche ausschließlich zum Thema Datenschutz.

Thomas Schröder, Microsoft: "Wir sind fest davon überzeugt, dass sich das Arbeitsleben ändert und Mitarbeiter ihre Jobs künftig mobiler und mit unterschiedlichen Geräten erledigen müssen."
Thomas Schröder, Microsoft: "Wir sind fest davon überzeugt, dass sich das Arbeitsleben ändert und Mitarbeiter ihre Jobs künftig mobiler und mit unterschiedlichen Geräten erledigen müssen."
Foto: Microsoft

Computerwoche: Im Microsoft-Portfolio gibt es die Server-Sammlung "Cloud OS" für Private-Cloud-Installationen. Wie verträgt sich das Angebot mit den Public-Cloud-Offerten?

Thomas Schröder: Private- und Public-Cloud-Installationen nutzen den gleichen Stack, so dass eine nahtlose Integration möglich ist. Wir sprechen über hybride Szenarien, die dann sinnvoll sind, wenn beispielsweise die Entwicklungsabteilung eines Unternehmens kurzzeitig viel Rechen-Power für Simulationen aus dem Rechenzentrum von Microsoft beziehen möchte. Anders als beim Wettbewerb lassen sich die Workloads tatsächlich einfach hin- und herschieben.

Computerwoche: Problematisch für Anwender von Microsoft-Servern sind die immer kürzeren Produktzyklen. Sie können mit den Release-Wechseln kaum noch Schritt halten. Schlägt Microsoft vielleicht ein etwas zu hohes Tempo an?

Thomas Schröder: Die Produktzyklen werden sich weiter verkürzen, weil in der Cloud ein anderer Rhythmus erforderlich ist. Wenn wir einen Service verbessern können, werden wir das Update einspielen.

Klassische Release-Zyklen von zwei Jahren sind heute nicht mehr denkbar. Das liegt auch an unseren Marktbegleitern, die sehr schnell sind. Wir haben den Anspruch, stets die beste Lösung zu bieten.

Computerwoche: Problematisch scheint zu sein, dass Entwicklungen zwischen Desktop-Betriebssystem, Browser und Server oftmals nicht abgestimmt sind. So funktionierte beispielsweise OWA (Outlook Web App) zu Beginn mit dem Internet Explorer 11 nur in einer reduzierten Version, selbst wenn Exchange 2013 zum Einsatz kam.

Thomas Schröder: Das Portfolio von Microsoft ist groß und die Entwicklungsaufgabe komplex. Dennoch sollte so etwas nicht passieren, gerade im Enterprise-Geschäft nicht.

Computerwoche: Im weltweiten Cloud-Geschäft entstehen zurzeit unterschiedliche Cloud-Stacks, unter anderem ist auch Microsoft an der Entwicklung beteiligt. Darunter leidet die Interoberabiltät, so dass ein wichtiges Cloud-Argument, die Flexibilität, aufgrund der drohenden Bindung an einen Cloud-Anbieter hinfällig wird. Ist das im Sinne von Microsoft?

Thomas Schröder: Die wichtige Frage lautet: Warum entwickeln sich diese Stacks? Der Kunden hat Interesse an einem Service, er möchte Rechenleistung kaufen oder E-Mails schicken können. Welche Technik im Rechenzentrum läuft, interessiert ihn nicht wirklich. Um einen Service zu vereinfachen bieten die Firmen eine ganzheitliche, abgestimmte Lösung, den Cloud-Stack an. Dafür gibt es Zertifizierungen, so dass Kunden wissen, die Lösungen etwa von Oracle und Cisco können auf Microsoft Azure laufen.

Computerwoche: Nur Microsofts Cloud-Stack ist geschlossen. Andere bieten offene Implementierungen an.

Thomas Schröder: Wir sind schon offen, denn ganz unten laufen Server etwa von Dell oder von HP. Selbst ganz oben sind wir offen, wenn es um den Einsatz von Applikationen geht. Haben wir oder andere Anbieter den gesamten Stack als Open Source implementiert? Nein, das machen die Anderen genauso wenig wie wir. (mje)

Zur Person

Thomas Schröder verantwortet seit Dezember 2010 das Geschäft von Microsoft mit großen Unternehmen. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens und berichtet in dieser Funktion an den Vorsitzenden der Geschäftsführung Microsoft Deutschland und Area Vice President International, Christian P. Illek.

Schröder absolvierte ein Studium der Elektrotechnik mit Schwerpunkt Telekommunikation an der Fachhochschule Hamburg. Nach verschiedenen Vertriebsrollen bei Philips Business Communications übernahm der Diplom-Ingenieur 2001 als General Manager und Director Sales and Marketing die Führung des gesamten Bereiches Philips Business Communications Germany.

Im Jahr 2004 folgte der Wechsel zur Sun Microsystems GmbH, wo er als Director Industry Sales Organisation und Mitglied der Geschäftsleitung einstieg. Nach der Übernahme durch Oracle bekleidete Schröder ab Februar 2010 die Position des Vice President Hardware Sales Northern Europe. Wenige Monate später wechselte er zu Microsoft.