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Industrie 4.0: Vogel Strauß gilt nicht
Test unter realen Bedingungen
RWTH-Mann Stich: "Die Produktion in der Demonstrationsfabrik ist absolut real. Wir verwenden Hardwarekomponenten und IT-Systeme, wie sie in der Industrie Einsatz finden. Natürlich können wir nur einen beispielhaften Prozess abbilden - und nicht die Produktionsstraßen aller Industrien imitieren. Aber unsere Ergebnisse lassen sich wesentlich einfacher und schneller auf die konkreten Produktionsprozesse eines Unternehmens übertragen, als wenn das Unternehmen sich alle Vorgehensweisen selbst erarbeiten müsste."
Als ein Beispiel für solche Ergebnisse nennt Stich die Vernetzung unterschiedlicher ERP-Systeme in verschiedenen Arbeitsbereichen der Fabrik. Konkret kommen Lösungen von Psipenta, Itelligence, Alpha Business Solutions und Asseco im Verbund zum Einsatz. "Damit liefern wir die Grundlage für Vernetzungsszenarien in realen Unternehmen. Die dabei oder auch bei der Optimierung innovativer Sensorik geleistete Arbeit wird den Aufwand in folgenden Projekten erheblich reduzieren." In diesen Projekten könne man dann auch komplett neue Geschäftsmodelle realisieren, etwa im Bereich Wartung und Instandhaltung intelligenter Produkte.
Damit profitieren die Unternehmen von modellhaften Versuchen, die in der unternehmerischen Praxis so nicht stattfinden könnten, wie Stich betont: "Unsere Forschungsaktivitäten sind gemeinsam mit den Partnern im Cluster Logistik am RWTH-Aachen-Campus so organisiert, dass wir eine experimentelle Produktionsumgebung betreiben können. Damit lassen sich Verfahren und Technologien ausprobieren, deren Einsatz ein echter Unternehmer als zu risikoreich bewerten könnte."
- Diese Branchen können profitieren
Der Bitkom und das Fraunhofer IAO haben das Wachstumspotenzial für die Branchen ITK, Maschinen- und Anlagenbau, Chemische Industrie, Kraftfahrzeugbau, Elektroindustrie und Landwirtschaft erhoben. - Technologiefelder
Dabei wurden die Aktivitäten in divesen Technologiefelder bewertet, die für eine vernetzte und intelligente Fertigung relevant sind. - Gesamtpotenzial
Insgesamt erwarten die Marktexperten ein jährliches Wachstum von 1,7 Prozent, das mit Waren und Diensten rund um Industrie 4.0 zu erzielen ist. - ITK-Industrie
Der ITK-Branche eröffnen sich Chancen durch neuen Produkte und Dienstleistungen, die eine einfache, flexible und echtzeitnahe Produktionsplanung und -steuerung ermöglichen. Neue Services basieren vielfach auf Big Data und Cloud Computing. - Maschinen- und Anlagenbau
Die Branche ist Anwender und Anbieter zugleich. Betriebs-, Zustands- und Umfelddaten können genutzt werden, um effizienter zu produzieren oder neue Geschäftsmodelle zu entwerfen. Zudem statten Anbieter andere Fertigungsunternehmen mit neue Komponenten und Systeme aus. - Elektroindustrie
Die Branche der elektrischen Ausrüster umfasst vor allem die Herstellung elektrischer und optischer Geräte. Ihre Lösungen können komplexe Produktionsprozesse fast in Echtzeit überwachen. Das schafft höhere Transparenz und senkt Lagerkosten. - Chemie
In der Chemie-Industrie geht es vor allem um die bessere Überwachung und höhere Flexibilität global verteilter Produktionsprozesse. - Kraftfahrzeugbau
Die Branche ist primär Anwender von Industrie 4.0, insbesondere in der Produktion und Logistik. Neue Technologien in den Fahrzeugen erhöhen die Verkehrssicherheit und erleichtern das Management von Ersatzteilen und die Wartung. - Landwirtschaft
Das kleinste betrachtete Segment ist die Landwirtschaft. Hier sind verbesserte Prozesse und neue Geschäftsmodelle möglich. Die Effekte werden vor allem durch die Vernetzung von Landmaschinen untereinander sowie den Einsatz mobiler Geräte gesehen: Sie vereinfachen eine flexible und echtzeitnahe Produktionsplanung und -steuerung.
Die Wirtschaft ist nicht außen vor
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirtschaft in Demonstrationsfabriken wie in Aachen außen vor bliebe, sagt der Wissenschaftler: "Wir haben natürlich unsere Partner aus der Industrie, die uns in die Bearbeitung relevanter realer Fragestellungen einbinden und unsere Ergebnisse nutzen möchten. Sie bringen sich je nach Interessenlage unterschiedlich intensiv in eigenfinanzierten oder öffentlich geförderten Projekten ein." Die beteiligten Forschungseinrichtungen wie etwa Stichs Institut FIR beantragen die Forschungsaktivitäten, koordinieren, stellen Ergebnisse bereit und sorgen für die notwendige Infrastruktur. Industrieverbände wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), der Kundendienst-Verband Deutschland (KVD), die GS1 und das Deutsche Institut für Normung (DIN) beteiligen sich ebenfalls, um Mehrwerte für ihre Mitglieder zu generieren und den Transfer von Erkenntnissen zu beschleunigen.