Verteilte Teams erfolgreich führen

Digitale Nähe bis ins Home Office

Disziplin unabdingbar

Hinzu kommt noch ein Erfolgskriterium, dass so gar nicht ins Bild der freizügigen Heimarbeit zu passen scheint: Disziplin. "Flexibilisierung funktioniert nur", so Hofmann, "wenn sich alle Beteiligten an ihre vereinbarten Erreichbarkeiten, zugesagten Liefertermine für Arbeiten oder Rückmeldungen halten, um das Vertrauen zu rechtfertigen." Zwar würden Regelhaftigkeit und Flexibilität wie ein Widerspruch aussehen ("In meinem Home Office kann ich machen, was ich will"), aber genau das Gegenteil sei der Fall.

"Natürlich kann man sich Aufgaben und Zeiten anders einteilen, aber gerade die aktive, verlässliche und eben auch personenorientierte und informelle Kommunikation ist extrem wichtig, damit solche Teams nicht auseinanderfallen." Mit der "Splendid Isolation" von Mitarbeitern gerät das fragile Gefüge rasch ins Wanken.

"Unternehmen müssen erkennen", ergänzt Communardo-Beraterin Wittenberger, "dass es nicht nur um Home Office und die Anpassung der Arbeitsregelungen sowie technischen Grundlagen geht, sondern darum, die nötigen Kompetenzen in der Belegschaft zu entwickeln." Diese - ob Führungskraft oder Geführte - müssten schließlich damit umgehen, dass sie in verteilten Teams arbeiten und Verständnis für die Bedürfnisse der anderen entwickeln. Zudem sollten sich Unternehmen darauf einstellen, dass sie trotz aller digitalen Vernetzung weiterhin in Reisezeiten und Reisekosten investieren müssen, damit sich Menschen real begegnen und Beziehungen aufbauen können.

Und man dürfe nach einer ersten Experimentierphase keine schnellen Erfolge erwarten, so Wittenberger: "Nur weil man einen Mitarbeiter ins Home Office schicken kann, heißt es nicht, dass die Produktivitätskennzahlen sofort nach oben gehen." Weit mehr Aspekte der neuen Arbeitsweisen seien zusammen zu betrachten und schrittweise - mit Beteiligung aller Betroffenen - zu etablieren, um wirksame Veränderungen hin zu einem digital vernetzen Unternehmen zu bewirken.

Ohne Führung geht es nicht

Trotz der virulenten Diskussion ist Fraunhofer-Expertin Hofmann überzeugt, dass Führung immer wichtiger wird: "Aber nicht im klassischen Sinne als Transmissionsriemen der Macht - Arbeit delegieren, kontrollieren und wieder nach oben zurückspielen." Generell sei es die eigentliche Aufgabe der Führungskräfte, das Personal zu entwickeln, zu fördern sowie die Mitarbeiter zu vernetzen und zu orientieren. Hofmann zufolge werde gerade in den flexiblen Netzwerken die Bedeutung eines Bindeglieds immer wichtiger, das den Mehraufwand in Kommunikation und Koordination leistet. "Und nicht zuletzt sollen Führungskräfte auch Identifikationsfiguren sein, die hoffentlich mehr leisten als Mitarbeiter zu kontrollieren und einmal im Jahr Gespräche zu führen."

So treten denn durch flexible Arbeitsumgebungen plötzlich wieder die klassischen Tugenden einer Führungskraft zutage, um Loyalität und Bindung herzustellen: Ideen entwickeln, Orientierung bieten und Identität stiften. Wer das nicht beherrscht, ist keine moderne Führungskraft, sondern nur ein klassischer Vorgesetzter.