PC-Maus hat ausgedient

Deutsche Forscher schicken PC-Maus in Rente

Neue Ansätze bei der Computerbedienung entwickelt der Münchner Professor Andreas Butz mit seinem Team.

"Collaborative Working" ist derzeit eines der Schlagworte der ITK-Industrie. Durch das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten sollen die Menschen produktiver werden. Eine Grundidee, die auch Andreas Butz noch teilt. Allerdings stören den Professor vom Institut für Informatik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) an den heutigen Ansätzen zwei Punkte: Zum einen sitzt jeder Mensch alleine vor seinem Computer und eine echte, soziale Interaktion findet nicht statt; zum anderen, so Butz, "tut eine heutige Maschine nur was ich ihr sage, aber nicht was ich will".

Das Grundproblem sieht Butz bei allen Arten von Computern, egal ob es sich um PCs, Handys etc, handelt. Sein Grundziel war deshalb, dass sich die Rechner an den Menschen anpassen sollten und nicht umgekehrt. Dieser Gedanke ist in der Wissenschaft besser als "Ubiquitous Computing" bekannt und steht im Gegensatz zur "Virtual Reality", bei der der Mensch mit Hilfsmitteln in technische Welten eintaucht. Butz wollte deshalb ein allgemeines Bedienkonzept entwickeln, das die Bedienung von Rechnern per Gestik erlaubt.

In einem ersten Ansatz entwickelte der Forscher hierzu mit seinem Team einen interaktiven Tisch mit einem integrierten Bildschirm sowie einer berührungsempfindlichen Oberfläche. Für diese Hardware sind je nach eingesetzter Software verschiedene Anwendungen und Einsatzszenarien vorstellbar. Im kreativen Bereich, also etwa bei Agenturen, Fotostudios oder Magazinen könnte so wieder der gute alte Leuchttisch im Zeitalter der digitalen Fotografie sein Revival erleben: Die Fotos werden auf dem interaktiven Tisch per Finger beliebig sortiert, verkleinert oder vergrößert, ohne dass der Benutzer dabei direkt mit der Computertechnik in Berührung kommt. Einen entsprechenden Preisverfall vorausgesetzt, ist aber auch der Einsatz im privaten Bereich vorstellbar, etwa um die digitale Fotosammlung wie in einem Album zu betrachten.

Faszinierend ist dabei, dass der Tisch die Kombination mit physikalischen Körpern wie einem Drehknopf erlaubt und diese so in das Bedienkonzept eingebunden werden können. Mit anderer Software mutiert der Tisch dann zum interaktiven Musikarchiv. Der Clou der Münchner Software "Audioradar" ist dabei, dass sie beispielsweise einem Genesis-Fan auf einem Radarchart ähnliche klingende Musik vorschlägt, die er dann per Fingerberührung auswählt. Eine Idee, die etwa Online-Läden ganz neue Verkaufsmöglichkeiten eröffnet, wie sie mit den heute üblichen Musiklisten nicht zu realisieren sind.

Vorstellbar ist aber auch eine Verwendung der neuen Technik auf Workshops, wo sie die bekannten "Postit"-Zettel ersetzen. Im Gegensatz zum realen Vorbild haben die elektronischen Zettel den Vorteil, dass sie sich per Fingerschnippen einer anderen Person auf dem interaktiven Tisch zustellen lassen. In Verbindung mit einem interaktiven Whiteboard, also einer berührungssensitiven Wand, wie sie die Forscher in ihrem Münchner Labor aufgebaut haben, lassen sich so Besprechungen in einer ganz neuen Qualität durchführen. Bei der Vorführung enttäuschte auf den ersten Blick allerdings eines: So wiesen die Postits etwa das bekannte Windows-X zum Schließen auf, womit die Maschine doch wieder dem Mensch das Bedienkonzept aufdrängte. Darauf angesprochen, widerspricht Professor Butz vehement dieser These, "denn das Bedienelement ist vielmehr den vorgeschädigten PC- und Windows-Nutzern geschuldet". Auf den ersten Blick klingt diese Erklärung nach einer faulen Ausrede. Doch wenige Augenblicke später hat Butz die Testpersonen überzeugt, wenn er ihnen ihr eigenes Verhalten vorhält: Warum vollführen die Anwender auf dem interaktiven Tisch per Finger bei Aktionen den bekannten Doppel-Klick von Windows?

Für seine Forschungen zum Thema Interaktion von Mensch und Technik erhielt Professor Butz den mit 20.000 Euro dotierten Forschungspreis der Alcatel-Lucent-Stiftung. Zudem hat der Forscher bereits zwei Partner gefunden, die ab 2008 seinen interaktiven Tisch vermarkten wollen. Als potenzielle Zielgruppe wollen diese beispielsweise Architekten adressieren. Im Gegensatz zu Microsofts "Surface Table" versagt der interaktive Tisch "Made in Germany" allerdings nicht bei stärkerem Umgebungslicht wie durch direkte Sonneneinstrahlung. (Computerwoche/hal)