Zwischen Fun und Business

19.04.2002
Ab der zweiten Jahreshälfte wollen die Mobilfunkbetreiber erste Multimedia-Messaging-Services anbieten. Mit MMS lassen sich nicht nur Textnachrichten übermitteln, sondern auch Bilder, Tondokumente oder Präsentationen. Ein spezielles Gremium soll sicherstellen, dass nicht unterschiedliche MMS-Standards auf den Plan treten und den Erfolg der neuen Technik torpedieren.

Von: Bernd Reder

Der Short Message Service hat sich für die Mobilfunkfirmen zu einer Goldgrube entwickelt. Vor allem Jugendliche nutzen SMS, um über das Handy kurze Textnachrichten auszutauschen. Nach Angaben des UMTS-Forums werden derzeit weltweit etwa 30 Milliarden SMS pro Monat verschickt, in Deutschland mehr als 2 Milliarden. SMS trägt mittlerweile zwischen fünf und zehn Prozent zum Gesamtumsatz der Mobilfunk-Carrier in Europa bei.

Mit Multimedia-Messaging wollen die Provider nun eine ähnliche "Erfolgsgeschichte" schreiben. Die Gartner Group erwartet, dass in Westeuropa im Jahr 2004 etwa 24 Milliarden Euro mit MMS-Services umgesetzt werden. Die Zahl der übermittelten Multimedia-Kurznachrichten soll demnach von etwa 115 Millionen in diesem Jahr bis 2003 auf mehr als eine Milliarde klettern. Etwas vorsichtiger zeigten sich die Vertreter des UMTS-Forums auf der diesjährigen CeBIT. Sie zitierten eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Telecompetition, die für das Jahr 2010 weltweit einen Umsatz von umgerechnet etwa 57 Milliarden Euro mit MMS erwartet.

WAP als Transportprotokoll

Vereinfacht gesagt, ist MMS ist ein Dienst für das Versenden von Mitteilungen zwischen Personen sowie zwischen Anwendungen und Personen. Mit ihm lassen sich Multimedia-Inhalte zwischen Endgeräten oder zwischen Endgeräten und Content-Servern austauschen. Als Trägertechnik kommt das Wireless Application Protocol (WAP) zum Einsatz. Da WAP nur als Transportverfahren dient, ist kein WAP-Browser notwendig. Das Mobilfunknetz muss bei MMS Datenraten von mindestens 14,4 kBit/s bereitstellen. Welche Technik im Netz zum Einsatz kommt, etwa GPRS oder UMTS, spielt keine Rolle.

Ebenso wie SMS ist Multimedia-Messaging-Service eine so genannte Push-Technik, die nach dem Prinzip "Store and Forward" arbeitet. Das Multimedia-Messsaging-Service-Center (MMSC) beim Provider speichert eine MMS und überträgt sie automatisch zum Mobilgerät des Adressaten, sobald der sein Handy oder seinen Handheld-Rechner anschaltet. Wer dagegen von unterwegs aus via Mobilfunk seine E-Mails abrufen oder auf einen WAP-Server zugreifen will, muss selbst aktiv werden und eine Verbindung zu einem Server aufbauen. Hier gilt das Prinzip "Store and Retrieve", also Speichern und Abholen. Eine Mailbox im E-Mailserver übermittelt in diesem Fall zunächst nur die Header der aufgelaufenen Nachrichten an das Mobilgerät des Nutzers. Der wählt dann die Nachrichten aus, die er lesen möchte, und holt diese vom Server ab.

E-Mail kein Konkurrent von MMS

Mobilfunkbetreiber und die Hersteller von MMS-Komponenten wie Nokia, Ericsson oder Materna betrachten E-Mail im mobilen Bereich denn auch nicht als Konkurrenten von MMS. Vor allem die speziellen Bedingungen, unter denen Nutzer von mobilen Geräten arbeiten, sprächen gegen "Mobile E-Mail": Das Bearbeiten der elektronischen Post erfordere die ungeteilte Aufmerksamkeit des Nutzers, und der habe in der Praxis eher selten Gelegenheit, sich auf diese Tätigkeit zu konzentrieren. Ebenfalls nicht als Konkurrenz für Multimedia-Messaging gilt Instant Messaging, das auch in Unternehmensnetzen an Bedeutung gewinnt. Eine Instant-Messaging-Software ermittelt, welche Arbeitskollegen oder Freunde gerade im Internet aktiv sind. Mit diesen kann der Nutzer dann Nachrichten austauschen. Ericsson zufolge ist Instant Messaging für Unternehmen interessant, die beispielsweise mit Außendienstmitarbeitern oder Servicetechnikern kommunizieren wollen oder die Mitglieder von Kunden- oder Projektgruppen verbinden möchten. Der Nachteil von Instant Messaging: Nur diejenigen Nutzer können Nachrichten austauschen, die gerade online sind.

MMS-Nachrichten mit Audio- und Bild-Files

Eine MMS-Nachricht zu verfassen und zu versenden, funktioniert ähnlich wie bei SMS. Gravierende Unterschiede weisen beide Techniken jedoch in Bezug auf den Informationsgehalt der Nachrichten auf. Eine SMS ist eine Textnachricht, die in der Regel etwa 140 Byte groß ist und 160 Zeichen umfasst. Im Gegensatz dazu unterliegen Inhalt und Größe einer MMS keinen Beschränkungen. Folgende Informationen lassen sich übermitteln:

- Text, den der Nutzer formatieren und mit Fotos, Grafiken oder Videoclips kombinieren kann,

- Grafiken, etwa Diagramme,

- Sprach- und Tonsignale, inklusive MP3- und Midi-Files, WAV-Dateien und Sprachsignalen

- Bilder in den Formaten JPEG, GIF und WBMP (Wireless Bitmap),

- Videos in den Formaten MPEG 4, Quicktime und H.263.

Ein wichtiges Element von MMS ist die "Synchronized Multimedia Integration Language" (Smil) auf Grundlage von XML. Mithilfe dieser Beschreibungssprache lässt sich quasi eine "Choreografie" für unterschiedliche Multimedia-Elemente festlegen, etwa wie bei einer "Powerpoint"-Präsentation. Der Anwender kann Bilder, Töne, Animationen und Text kombinieren, die dann nach einem festen Zeitplan auf dem Empfangsgerät ausgegeben werden.

Eine MMS-Nachricht wird anfangs im Schnitt etwa 30 bis 100 KByte groß sein. Eine 30 KByte große Mitteilung über ein GPRS-Netz mit einer Nettokapazität von 10 kBit/s zu übertragen, dauert etwa 48 Sekunden.

In der Vielfalt der Datenformate, die MMS unterstützt, liegt jedoch die Gefahr, dass Endgeräte und die Komponenten in den Netzen der Mobilfunkbetreiber "unterschiedliche Sprachen" sprechen, also nicht interoperabel sind. Dem will eine "Gruppe für Interoperabilität" (IOP) vorbeugen, die folgende Hersteller im Februar gründeten: CMG Wireless Data Solutions, Comverse, Ericsson, Motorola, Nokia, Siemens und Sony Ericsson. Die Gruppe plant, Interoperabilitäts-Tests durchzuführen und auf diese Weise sicherzustellen, dass MMS-Nachrichten in allen Mobilfunknetzen und über möglichst viele Endgeräten empfangen werden können.

Zum Abschluss noch ein Blick auf die Einsatzmöglichkeiten von MMS im professionellen Umfeld. Logica, ein britischer Anbieter von Messaging-Lösungen, geht davon aus, dass Multimedia-Messaging nicht alleine dazu dienen wird, bunte Bildchen auszutauschen. MMS sei auch für Firmenkunden interessant, etwa um einem Außendienstmitarbeiter Geschäftsdaten, Tagespläne, Präsentationen oder die Anfahrtsskizze für den nächsten Kundenbesuch zu übermitteln.

Etwa ab 2004 werde MMS mit Unified-Communication-Services (UC) verschmelzen. Solche UC-Dienste sollen dem Nutzer auch den Zugriff auf Fax- und Sprachdokumente sowie Instant-Messaging-Services erlauben. Ericsson sieht weitere Anwendungsfelder in Adressbuchabfragen über LDAP (Lightweight Directory Access Protocol) oder ortsbezogenen Diensten (Location Based Services).

Die meisten Fachleute gehen allerdings davon aus, dass MMS zuerst dort Fuß fassen wird, wo auch SMS zu Hause ist: in der Altersgruppe zwischen 16 und 30 Jahren, für die das Austauschen von Kurznachrichten in erster Linie "Fun" bedeutet. Für diese Klientel dürfte die neue Technik allerdings ein teurer Spaß werden, denn eine MMS-Nachricht wird etwa dreimal so viel kosten wie eine SMS. Allerdings haben die Mobilfunkbetreiber die Option, preiswertere Varianten ihrer MMS-Dienste anzubieten, etwa indem sie Firmen erlauben, Multimedia-Messaging für Werbezwecke oder das 1-zu-1-Marketing zu nutzen. Und noch ein Trost für Eltern, die befürchten, dass Juniors Mobiltelefonrechnung dank MMS in ungeahnte Höhen schnellt: Das lässt sich über Prepaid-Karten steuern.