Zweite Runde für WAP

13.12.2001 von Holger Reibold
Seit dem ersten WAP-Hype sind zwei Jahre vergangen. Damit der prognostizierte M-Commerce-Boom aber einsetzen kann, sind zahlreiche Verbesserungen nötig. Das kürzlich verabschiedete WAP 2.0 stellt diese nun bereit.

Schön wird die drahtlose Zukunft. Das zumindest versprechen uns die Entwickler von Handys und Mobile Devices. Schenkt man den Prognosen namhafter Marktforschungsinstitute Glauben, so naht die drahtlose Zukunft in großen Schritten. In nicht allzu ferner Zukunft werden per Handy Telefonkonferenzen abgehalten, Geldgeschäfte abgewickelt und natürlich multimediale Inhalte aus dem Internet genutzt.

Das Handy entwickelt sich unaufhaltsam zum multifunktionalen Kommunikationsgerät. Damit das vielfach prognostizierte Goldene M-Commerce-Zeitalter anbrechen kann, sind einige technologische Hürden zu nehmen. Einen beachtlichen Schritt in diese Richtung stellt die zweite Version des Wireless Application Protocol (WAP) dar.

Die Neuerungen im Überblick

WAP 2.0, das wie seine Vorgängerversion aus dem Jahre 98 in einem ganzen Paket an Spezifikationen definiert ist, bringt eine Fülle von Neuerungen. So wurde insbesondere die Unterstützung bestehender Internet-Protokolle wie TCP und HTTP hinzugefügt. Um ein hohes Maß an Interoperabilität zu sichern, arbeitet das WAP Forum eng mit der IETF und dem W3C zusammen. So kann WAP in Zukunft besser mit diesen Techniken interagieren, als das bislang möglich war. WAP 2.0 unterstützt nun auch Highspeed-Übertragungstechniken wie beispielsweise GPRS. Eine der herausragenden Neuerungen: Die aktive Verteilung (push) von Daten, Informationen etc. an Handy, PDAs & Co. wird möglich.

Die wichtigste Neuerungen der WAP 2.0-Architektur ist der erweiterte Protokollstapel. WAP 2.0 unterstützt nun auch den Internet-Protokoll-Stack. Durch diesen zusätzlichen Stapel wird WAP deutlich flexibler.

Auch für den Inhaltsanbieter gibt es Neuerungen: Bislang basierten WAP-Applikationen überwiegend auf WML, die wiederum auf XML basiert. WML2 basiert nun auf XHTML (genauer auf XHTML Basic).

WAP2 Protocol Stack

Eine der zentralen Funktionen von WAP 2.0 ist die Unterstützung von IP-Verbindungen. WAP 2.0 unterstützt auch weiterhin die von WAP 1.x bereitgestellten Schichten Wireless Session Protocol (WSP), Wireless Transaction Protocol (WTP), Wireless Transport Layer Security (WTLS ) und Wireless Datagram Protocol (WDP). Mehr dazu finden Sie in unserem Beitrag WAP-Grundlagen. Um nun auch die klassischen Internet-Protokolle mit ins Boot nehmen zu können, hat man WAP 2.0 drei neue Standards verpasst. Dabei handelt es sich jeweils um angepasste Ableger bestehender Protokolle:

Zusammenspiel von WAP 1.x und 2.0

Wie kann man nun WAP 2.0-konforme Verbindungen modellieren? Am einfachsten anhand eines Beispiels. Die nachstehende Abbildung skizziert eine Verbindung eines WAP-Geräts zu einem Webserver. Zwischen den beiden Endpunkten wird eine TLS -gesicherte Verbindung aufgebaut, die durch den WAP-Proxy ermöglicht wird. Die TCP-Schicht auf Seiten des mobilen Geräts nutzt dabei WP-TCP.

Immer dann, wenn tief greifende Änderungen einer Technologie einführt werden, ist es sinnvoll, dass Mechanismen für die Kommunikation nach "altem" und "neuen" Schema bereitstehen. Auch in WAP 2.0 ist ein entsprechender Mechanismus vorgesehen, wie man ihn beispielsweise auch bei IPv6 findet.

Das Dual-Stack sorgt dafür, dass kommende WAP 2.0-Geräte auch WAP 1.x sprechen. Allerdings handelt es sich dabei um eine optionale Komponente.

Push-Services

Um dem Anwender vom bisweilen lästigen Informationsabruf zu befreien, hat man für WAP 2.0 auch eine Push-Technologie entwickelt, mit der Inhaltsanbieter Interessenten gezielt mit Informationen füttern können. Diese Technik eignet sich insbesondere für Realtime-Applikationen.

Bei WAP-Push-Operationen sind drei Beteiligte involviert. Der so genannte Push-Initiator (PI) übermittelt die zuzustellenden Informationen an den Push Proxy Gateway (PPG), der seinerseits die Informationen an das WAP-Handy zustellt. Die Kommunikation zwischen WAP- bzw. Webserver und Push Proxy Gateway wird über das Push Access Protocol (PAP), die Kommunikation zwischen Gateway und Client über das Push-over-the-air-Protocol (OTA) gesteuert.

Interessanterweise verwendet PAP für die Zustellinstruktionen XML. Die Inhalte selbst werden MIME-kodiert übermittelt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass neben Verschlüsselung und Kompression auch Multicast- und Broadcast-Services implementiert werden können.

User Agent Profile

Da Geräte und natürlich auch die Vorlieben von Benutzern naturgemäß sehr unterschiedlich sind, hat man auch in WAP 2.0 einen Mechanismus vorgesehen, der unterschiedliche Fähigkeiten von Geräten bzw. Benutzervorstellungen berücksichtigt. Die User Agent Profile Spezifikation (UAProf) erlaubt die Übermittlung von benutzerspezifischen Informationen (Capability and Preference Information, kurz CPI) an den Client. UAProf ist so ausgerichtet, dass es sich auch mit dem vom W3C entwickelten CC/PP-Standard verträgt.

Die Funktion des Profilmechanismus ist an sich recht einfach. Sendet der Client einen Request an einen Server, so übermittelt er zusätzliche Informationen über die gerätespezifischen Fähigkeiten und/oder Einstellungen. Auf Seiten des Servers werden die Inhalte für das jeweilige Endgerät optimal aufbereitet und übermittelt. CPI kann dabei gerätespezifische Charakteristika (z.B. Displaygröße, Farbunterstützung, Hersteller), Software-spezifische Fähigkeiten (z.B. Betriebssystem, Audio- und Video-Encoder), Browser-Einstellungen und auch Netzwerkeigenschaften berücksichtigen.

Verbesserte Sicherheitsmechanismen

Da die Anbieter von WAP-Lösungen gerade auch das lukrative professionelle Umfeld im Visier haben, sind Mechanismen, die die Übermittlung von relevanten Daten sichern, zwingend erforderlich. Auch in diesem Bereich haben die Väter von WAP nachgelegt. Mit Version 1.0 wurde das Wireless Transport Layer Security-Protokoll (WTLS) für die gesicherte Übertragung von Daten einführt. Die Nachfolge tritt das WAP-spezifische TLS an, das für die Datenintegrität und Privatsphäre sorgt.

Eine echte sicherheitsrelevante Neuerung ist die Einführung so genannter Zertifikatprofile. Dabei handelt es sich um Client-seitig abgelegte Informationen für die User-Authentifizierung beim Zugriff auf geschützte Inhalte. Solche Zertifikate bestehen aus sechs Komponenten: Seriennummer, Signatur, Name des Ausstellers, Betreff, öffentlichem Schlüssel und optionalen Zertifikaterweiterungen. Die Seriennummer soll auf maximal 8 Bytes beschränkt sein, für die Signatur werden insbesondere SHA-Verfahren verwendet. Der Aussteller des Zertifikats ist durch typische Informationen wie Organisationsname (organizationName), Herkunft (countryName) etc. bestimmt. Der öffentliche Schlüssel wird in erster Linie auf RSA basieren. Bislang ist noch nicht klar, wie die Zertifikatpraxis aussehen wird, wer also Zertifikate ausstellen und veräußern darf.

Multimediales WAP

Bislang muss man sich beim Zugriff auf WAP-Inhalte mit überwiegend textbasierten Informationen zufrieden geben. Das wird sich in Zukunft grundlegend ändern. Der mit WAP 2.0 eingeführte Multimedia Message Service (MMS) wird die Übermittlung von aufwendig gestalteten Inhalten ermöglichen. Es handelt sich dabei nicht um Realtime-Anwendungen, sondern um multimedial aufbereitete Nachrichten, wie man sie auch von der klassischen E-Mail kennt. MMS folgt dem Store-and-Forward-Paradigma und wird aller Voraussicht auch mit klassischen Messaging-Lösungen kommunizieren können. Realtime-Messaging a la Instant Messaging unterstützt MMS bis auf weiteres nicht.

Eine der Schlüsselfunktionen von MMS ist die Unterstützung traditioneller Messaging-Systeme. In nachstehender Abbildung ist ein typisches MMS-Netzwerkszenario skizziert. MMS werden mehrere Verbindungen zu klassischen Messaging-Systemen aufbauen können. Auch die Integration von Fax- oder Voice-Mail-Diensten ist denkbar. Die wichtigsten Komponenten eines MMS-Netzes sind neben MMS-Client, -Server und -Proxy verschiedene MMS-spezifische Schnittstellen (blau gekennzeichnet). Bei MMSm, MMSS und MMSR handelt es sich um Schnittstellen zwischen den jeweiligen MMS-Komponenten, bei E um ein E-Mail-Interface zum Internet, bei L um eine Schnittstelle zu drahtlosen Messaging-Systemen.

Für die Aufbereitung der multimedialen Inhalte kommen WML und SMIL zum Einsatz. Gerade SMIL eignet sich für die Entwicklung multimedialer Animationen auf XML-Basis. Erwähnenswert ist auch die Unterstützung von Content-Adaption: Bei Bedarf können Inhalte für MMS-Clients angepasst aufbereitet und anschließend zugestellt werden.

WML2

Die Neuerungen von WAP 2.0 beschränken sich keineswegs nur auf die unteren Schichten, sondern bieten auch für Inhaltsanbieter Interessantes. Für die Inhaltsentwicklung steht ein XHTML-basierter Auszeichnungssatz sowie ein CSS-Subset für die Formatierung zur Verfügung. XHTML und CSS lösen also die bisherigen WML-Elemente ab. Die wichtigsten Bausteine von WML2 sind XHTML Basic des W3C sowie verschiedene WML-Erweiterungen, die insbesondere für die Abwärtskompatibilität sorgen. Die Dokumentenstruktur ist in nachstehender Abbildung skizziert.

WAP 2.0 verfügt außerdem über einen Transformationsmechanismus, der die Umwandlung von WML1-Dokumenten nach WML2 erlaubt. Dieser Mechanismus basiert auf XSLT.

Bemerkenswerte Feinheiten

Die Liste der Neuerungen ist damit keineswegs abgearbeitet. WAP 2.0 hat weitere - nicht minder interessante - neue Funktionen zu bieten. Eine dieser Neuerung nennt sich Wireless Telephony Application (WTA). Dahinter verbergen sich verschiedene Services, die die Ausführung traditioneller Telefonanwendungen innerhalb einer WAP-Anwendung erlauben und zudem auch Datenfunktionalität bieten. Diese Dienste können beispielsweise Anrufe durchführen, eingehende Anrufe beantworten oder umleiten.

Interessant ist auch die flexible WAP-Architektur. Mit Version 2.0 wurde das External Functionality Interface (EFI) eingeführt. Diese Schnittstelle stellt eine ähnliche Funktionalität wie typische Plug-in-Module bereit, mit der sich beispielsweise die Leistungsfähigkeit des WAP-Browsers oder einer WAP-Anwendung erweitern lässt. Die Schnittstelle taugt auch für die Anbindung von externen Geräten wie beispielsweise digitalen Kameras.

WAP 2.0 ist auch für den Datenabgleich zwischen unterschiedlichen Geräten gerüstet. Dabei nutzt man SyncML, das den Abgleich zwischen unterschiedlichen Gerätetypen über beliebige Netze ermöglicht, beispielsweise den bidirektionalen Abgleich von Informationen in Unternehmensdatenbanken und von Web-basierten Dokumenten.

Fazit

So beeindruckend die Liste der Neuerungen auch ist, so dürftig sieht es bislang noch mit WAP 2.0-Implementierungen aus. Zwar hat Jataayu im Oktober die erste Gateway- und Browser-Software für WAP 2.0 veröffentlicht. Anbietern von WAP-Handys ist aber bislang nicht zu entlocken, wann mit entsprechenden Geräten gerechnet werden kann. Die Zurückhaltung hat einen einfachen Grund: Die Änderungen sind so umfassend, dass sich die Implementierung nicht auf die Schnelle realisieren lässt.

Die Väter und Mütter von WAP haben ganze Arbeit geleistet. WAP 2.0 hat sich wahrlich das Prädikat "evolutionärer Schritt" verdient. Die Neuerungen und Erweiterungen der bisherigen Architektur scheinen in sich schlüssig. Damit ist WAP bestens für kommende Anforderungen gerüstet. Wann allerdings Anwender und Inhaltsanbieter in den Genuss dieser Vorzüge kommen, scheint noch ungewiss, da es bislang an WAP 2.0-Implementierungen fehlt. (ala)