Zwei ungleiche Brüder

22.02.2002
Nach etlichen Anlaufschwierigkeiten sind Funknetze dabei, ihren Platz in der Netzwerklandschaft zu finden. Derzeit stehen vor allem zwei Techniken im Fokus: Wireless LANs nach IEEE 802.11b und "Bluetooth".

Von: Pamela Hartl

Zwei Techniken dominieren derzeit die Diskussion um drahtlose Netze: Wireless LAN und Bluetooth. Die einzige Gemeinsamkeit der beiden besteht darin, dass sie das lizenzfreie ISM-Frequenzband (Industrial, Scientific, Medical) bei 2,4 GHz nutzen. Bluetooth ist eine Spezifikation, die mehrere Firmen in Eigenregie entwickelten. Sie haben sich mittlerweile in der Bluetooth Special Interest Group (SIG) formiert. Der Wireless-LAN-Standard 802.11b dagegen stammt aus der Feder des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), also eines offiziell anerkannten Standardisierungsgremiums.

In der gängigen Low-Power-Version mit einem Milliwatt Sendeleistung hat Bluetooth eine Reichweite von zehn Metern und eine theoretische Datenrate von bis zu 1 MBit/s. In der Praxis werden wegen des Protokoll-Overheads etwa 720 kBit/s erreicht. Daher taugt das Verfahren nicht dazu, größere Datenmengen zu übertragen. Vielmehr eignet es sich für den Einsatz in mobilen Endgeräten. Dafür sprechen der geringe Stromverbrauch, die kompakte Bauweise der Komponenten und der - zumindest anvisierte - niedrige Preis.

Mit Bluetooth lassen sich Punkt-zu-Punkt- und Punkt-zu-Multipunkt-Verbindungen aufbauen. Die Geräte handeln vor der Übertragung ein Schema aus, nach dem sie im Frequenzsprungverfahren (Frequency Hopping Spread Spectrum, FHSS) die Trägerfrequenz wechseln. Dies erfolgt bis zu 1600-mal pro Sekunde zwischen 79 Kanälen mit jeweils 1 MHz Bandbreite. Während der Kommunikation können sich die Partner innerhalb des Sendebereichs von zehn Metern bewegen. Eine Sichtverbindung ist nicht notwendig.

In den vergangenen Monaten rückte bei Funknetzen das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt der Diskussion. Bei Bluetooth stellen Authentifizierungs- und Verschlüsselungsverfahren sicher, dass die Kommunikation ohne unerwünschte "Mithörer" abläuft. Mit dem Verfahren lässt sich auch Sprache übertragen. Dafür stehen bis zu drei synchrone Kanäle mit jeweils 64 kBit/s zur Verfügung. Mit Bluetooth lassen sich zudem temporäre Pico-Netze mit bis zu acht Teilnehmern aufbauen, wobei sich die Geräte automatisch erkennen. Ein Manko dieser Mininetze: Die Teilnehmer müssen sich die Bandbreite teilen, sodass nur geringe Datenraten erzielt werden.

Wireless LAN: Teil des Corporate Network

Der Wireless-LAN-Standard IEEE 802.11b wurde 1999 vom IEEE verabschiedet. Er verwendet das Direct-Sequence-Spread-Spectrum-Verfahren (DSSS) und sieht Brutto-Datenraten von 11 MBit/s vor. In der Praxis wird etwa die Hälfte erzielt. Die WLAN-Norm lehnt sich an die kabelgestützten Ethernet-Standards des IEEE an. Deshalb verhält sich 802.11 gegenüber LAN-Applikationen, Betriebssystemen und Protokollen wie kabelgestützte Ethernet-Techniken.

Ein weiterer Unterschied zwischen Bluetooth und WLAN ist die Übertragungsdistanz. Wie bereits erwähnt, überbrückt die Low-Power-Version von Bluetooth bis zu zehn Meter. Mit einer höheren Sendeleistung von 100 Milliwatt sollen größere Distanzen möglich sein. Allerdings steigt dann auch der Energiebedarf. Die Reichweite eines WLAN beträgt etwa 150 Meter, allerdings nur im Freien oder in Großraumbüros und Lagerhallen. In Bürogebäuden ist der Wert meist deutlich niedriger. Müssen die Funkwellen beispielsweise Stahlbetonwände durchdringen, sinkt die Übertragungsdistanz auf 30 bis 50 Meter.

Die 802.11b-Spezifikation sieht zwei Betriebsmodi vor: "Infrastruktur" und den "Adhoc-Betrieb". Im Infrastruktur-Modus lässt sich mithilfe von Access Points ein Funknetz aufbauen, das ganze Gebäudeteile abdeckt. Der Adhoc-Modus hingegen dient der direkten Kommunikation (Peer-to-Peer) zwischen WLAN-Geräten. Auch Sicherheitsfragen wurden bei 802.11b nicht außen vor gelassen. Siehe dazu den Beitrag auf Seite 14.

Die SIG hat den "Blauzahn" explizit als Ersatz für Anschlusskabel konzipiert, vor allem für folgende Anwendungen:

- Mobile Computing sowie

- den Einsatz in kleinen Büros (Small Office, Home Office) oder Wohnungen.

Beim Mobile Computing steht der mobile User im Vordergrund, der dank Bluetooth jederzeit und überall in der Lage ist, Handys oder PDAs zu synchronisieren beziehungsweise Daten mit anderen Geräten auszutauschen. Am heimischen Schreibtisch soll die Technik dagegen dem lästigen Kabelsalat ein Ende bereiten. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich beispielsweise Lösungen für den drahtlosen Internetzugang, etwa die "Fritzcard Bluetooth" von AVM. Auch Digitalkameras lassen sich via Funk an Fotodrucker anschließen.

Ein WLAN dagegen ist eine klassische Netzwerktechnik. Im Vordergrund stehen hohe Datenraten und Reichweiten sowie die Kompatibilität zu kabelgestützten lokalen Netzen. Firmen wie Cisco, Agere Systems, 3Com oder Artem bieten ein komplettes Portfolio von Wireless-LAN-Komponenten an, von der PCMCIA-Karte für Laptops oder PCs bis hin zu Gateways und Routern. Auch hinsichtlich der drahtlosen Anbindung von Dru-ckern hat sich einiges getan. So stellte der Bielefelder Netzwerkdruckspezialist SEH in den vergangenen Monaten eine Reihe interner und externer WLAN-Printserver vor.

Diese Unterschiede bei den Einsatzgebieten spiegeln sich auch bei den Betriebssystemen wider. Windows XP beispielsweise war von Beginn an für Wireless LANs ausgelegt. Ab Mitte des Jahres soll XP auch Bluetooth unterstützen. Dagegen ist das endkundenorientierte Windows Me bereits heute "Bluetooth ready". Die Apple-Welt wiederum ist eher WLAN-lastig. Die "Airport"-Basisstation hat hier schon seit langem einen festen Platz.

Einsatzfelder von WLAN und Bluetooth

Ausschlaggebend bei der Auswahl einer Drahtlostechnik ist in erster Linie das Einsatzgebiet. Wer sein Firmennetz um eine "Wireless-Komponente" erweitern möchte, greift am besten zu einem Wireless LAN. Die Systeme lassen sich relativ problemlos installieren, ins kabelgestützte Netz integrieren und in das Netzwerkmanagement einbinden.

Bluetooth dagegen ist im Infrastrukturumfeld schlichtweg fehl am Platz. Defizite in puncto Kompatibilität und Protokollunterstützung machen es derzeit fast unmöglich, diese Technik in LANs zu integrieren. Hinzu kommen die geringe Datenrate und Reichweite, außerdem die bislang unzureichende Unterstützung durch Betriebssysteme, die im professionellen Umfeld eingesetzt werden. Als "Luftkabel" hat Bluetooth dagegen durchaus das Potenzial, ein fester Bestandteil der mobilen Kommunikation zu werden. (re)

Zur Person

Pamela Hartl

ist Public-Relations-Managerin bei der SEH Computertechnik GmbH in Bielefeld.