Zwei Seiten einer Medaille

20.07.2001
Werkzeuge für das IT-Asset-Management wollen zwei bislang getrennte Welten unter einen Hut bringen: das Terrain des IT-Administrators und die Domäne der Kaufmännischen Abteilung. Für welche Anwender sich der Aufwand lohnt, ist allerdings noch unklar.

Von: Berthold Wesseler

Konsequentes Management der IT-Infrastruktur verbessert die Verfügbarkeit des Netzes und die Performance der Dienste. Durch ein ausgeklügeltes Lizenz- und Vertragsmanagement zum Beispiel sparen Unternehmen Kosten für Soft- und Hardware. Und dennoch ist das so genannte IT-Asset-Management, zu deutsch die Verwaltung der IT-Ressourcen, in Firmen noch kaum verbreitet.

Asset-Management bringt neuen Schwung in die Verwaltung und den Betrieb der IT-Services. Denn das Verfahren fasst technische und kaufmännische Aspekte der Verwaltung als zwei Seiten ein und derselben Medaille auf. Kaufleute und Techniker arbeiten besser zusammen, denn sie benutzen eine gemeinsame Datenbasis für das Beschaffungsmanagement, die Finanz- und Anlagenbuchhaltung, den Help Desk und das Troubleshooting, die Softwareverteilung sowie das Lizenzmanagement.

Lebenszyklus im Firmennetz

Nach Angaben von Peregrine Systems, dem führenden Anbieter von Asset-Management-Software, entfallen mehr als 80 Prozent der Infrastrukturkosten auf die Verwaltung der IT-Ressourcen. Dazu gehört der gesamte "Lebenszyklus" des Bestands, der bei der Planung anfängt und mit der Entsorgung endet. Diese Idee des "Lifecycle" als einem ganzheitlichen und prozessorientierten Ansatz für das Management von Investitionsgütern propagieren auch andere Pioniere in diesem Bereich, darunter USU, Circle Unlimited und die französische Firma PS Soft.

Untersuchungen von Peregine zu- folge belaufen sich die Kosten für die Bereitstellung der technischen Arbeitsmittel eines Beschäftigten für das Unternehmen auf durchschnittlich 44 000 Dollar jährlich. Laut einer Studie der Gartner Group können Unternehmen durch die Lifecycle-Betrachtung ihre "Besitzkosten" über einen Zeitraum von fünf Jahren um 20 bis 50 Prozent reduzieren.

Freilich belastet auch das Asset-Management den Firmengeldbeutel. Allein die Lizenzen für die Ausstattung mit den nötigen Werkzeugen fressen mehrere hunderttausend Mark. Und die Projektkosten für die Datenerfassung, die Ein-führung und den Betrieb der Systeme betragen ein Mehrfaches, zumal wenn eine Firma zuerst die Voraussetzungen schaffen muss. Asset-Management ist deshalb eher ein Thema für Großkonzerne als für mittelständische Unternehmen. Anwender arbeiten besser mit pragmatischen Lösungen auf der Basis von vorhandenen "Bordmitteln", wenn sie zum Beispiel ihren Bestand noch nicht elektronisch erfasst haben: Ohne Bestandsführung kein Asset Management.

Unbekannte: Installationsaufwand und Betriebskosten

Unklarheit herrscht auch, was den Aufwand für den Betrieb einer Asset-Management-Lösung in Unternehmen anbelangt. So haben Hersteller und Kunden zu dem Thema sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das wurde Ende April auf der 14. Jahrestagung der Computer Measurement Group Central Europe (CECMG) in Ulm deutlich, dem wichtigsten Expertenforum für Netz- und Systemmanagement im deutschsprachigen Raum. Um Fragen wie "Was kostet IT-Asset-Management wirklich?" und "Wie real ist die Person des IT-Asset-Managers?" zu klären, hat die CECMG eine Arbeitsgruppe zum Thema IT-Asset-Management eingerichtet. Zudem wurde eine Fragebogenaktion gestartet, die laut Arbeitsgruppenleiter Torsten Watzel alle IT-Manager ansprechen soll, welche die Technik bereits einsetzen. "Unser Ziel ist es, den durchschnittlichen Aufwand bei der Auswahl-, Einführungs- und Pflegephase einer Asset- Managementlösung zu erfahren."

Die CECMG-Arbeitsgruppe will zudem klären, welche Aufgaben ein "Asset-Manager" hat und in welche organisatorische Einheiten er passt. Noch haben Anwender kein "Gefühl" dafür, ob es in ihrem Unternehmen die Stelle eines zentralen Asset-Managers gibt, oder ob dessen Aufgabe besser auf den Schultern vieler Personen und mehrerer organisatorischer Einheiten ruht.

Die Werkzeuge des Asset-Managemens sind in drei Kategorien unterteilt: Zusätze der Netz- und Systemmanagement-Frameworks, Add-ons der kaufmännischen Standardsoftwarepakete wie SAP und ausgesprochene Asset-Management-Tools. Asset-Management-systeme, die in der IT-Abteilung entstehen, sind oft die logische Erweiterung des Netz- und Systemmanagements um kaufmännischen Belange. Als Werkzeuge kommen dann Ergänzungen zu solchen Programmen in Frage, die der Leistungsverrechnung oder dem Service-Level-Management dienen; zum Beispiel "MICS" von Computer Associates oder "IT Service Vision" von SAS Institute. Auch Pakete für das IT-Controlling wie beispielsweise "Ares" von der Wehrheimer Comlab GmbH können in solche Ansätze einbezogen werden.

Warenwirtschaft mit Erweiterungen

Wichtig ist bei der Einführung des Asset-Managements, dass Fragen der Betriebssicherheit und der Vertragssicherheit geklärt sind. Für Herbert Pfeifer von der Syskoplan AG ist die Aufgabe daher dreigeteilt: Zum Asset-Management gehören das "Customer Relationship Management" (CRM), die "Lagerverwaltung" der IT-Abteilung beziehungsweise des IT-Providers und die Beschaffung der IT-Ressourcen. Diese drei Aufgaben bilden einen Regelkreis, der über Mechanismen wie Service Level Agreements, ein Service Accounting und die Integ-ration in die Netz- und Systemmanagement-Frameworks implementiert wird. Bei der Bestandsführung helfen dem Anwender Auto-Discovery-Funktionen, mit denen die führenden Produkte von BMC, Computer Associates, Compuware, Hewlett-Packard, IBM/Tivoli und Microsoft ein Repository mit den relevanten Daten über viele, jedoch in der Regel nicht alle Komponenten der Infrastruktur füllen.

Pfeifer plädiert jedoch dafür, dass SAP-Anwender diese Aufgaben mit ihrer ohnehin vorhandenen Standardsoftware abwickeln, die ja über ausgeklügelte Applikationen für die Anlagenbuchhaltung, die Warenwirtschaft oder das Controlling verfügt. Eine entscheidende Rolle für die Effektivität des Asset- Managements spielt dabei die laufende Aktualisierung der Bestandsdaten. Dafür hat Syskoplan Tools wie "Noah" für automatische Updates der SAP-Bestandsdaten aus den Systemmanagement-Umgebungen sowie "Object Contract Management" (OCM) für die Verwaltung von Kaufverträgen der IT-Abteilung entwickelt.

Wie die Erfahrungen aus mehreren Syskoplan-Projekten zeigen, lassen sich IT-Bestände durchaus mit dem SAP-System verwalten. Auch andere Anbieter denken in die gleiche Richtung, beispielsweise Realtech mit den Systemmanagement-Lösungen für SAP "The Guard!". So erkennt "The Guard! Networkmanager" (vormals: "Cinema") mehr als 250 unterschiedliche Netzwerkkomponenten von allen namhaften Herstellern. Neben der automatischen Erkennung erlaubt die Software auch die grafische Darstellung der Netzwerktopologie und dazugehöriger Komponenten. Im Zusammenspiel mit dem "The Guard! Inventorymanager" (vormals:"Cinema easy") sind auch eine Bestandsführung und eine Inventarisierung möglich.

Dedizierte Software statt Zusätze

Was dabei die Spreu vom Weizen trennt, ist der Funktionsumfang der Produkte. Denn mit der Buchführung über Softwarelizenzen allein ist es nicht getan. Vielmehr müssen die Tools alle gebräuchlichen Vertragsarten meistern, zum Beispiel Wartungs-, Leasing- und Kaufverträge. Auch sollten die Werkzeuge Klarheit in die Kostenverwaltung bringen, so dass der Manager bei Bedarf erkennt, welche Kostenstellen betroffen sind, wie lang die Verträge laufen und welche Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden. Es geht dabei nicht nur um den Bestand der Standard-PCs, sondern um sämtliche Netzwerk-, Software- und Hardware- Komponenten vom Telefon über den Schreibtisch bis zum Mainframe.

Aus diesem Grund favorisieren Hersteller wie Peregrine, Maincontrol oder die Usu AG in Möglingen eigenständige Asset-Management-systeme. Die Firmen bieten dedizierte Softwarepakete an, die das gesamte betriebswirtschaftliche, strategische und technische Wissen der Informationstechnik auf einer Plattform zusammenführen sollen. Und zwar ohne Kompromisse auf der kaufmännischen oder technischen Seite, wie sie Zusatzlösungen zwangsläufig mit sich bringen. Kleine Unternehmen freilich brauchen solche umfassenden Lösungen wie Management-Tools nicht oder können sich ihren Einsatz nicht leisten.

Der Marktführer Peregrine, der in diesen Tagen mit dem Übernahmeangebot für den Rivalen Remedy aufhorchen ließ, hat den Markt mit "Assetcenter" früh geprägt. Was die Akquisition für die Asset-Management-Suite von Remedy bedeutet, ist allerdings noch unklar. Peregrine und Remedy sind nur ein Beispiel für eine Reihe von Kooperationen, Mergern und Übernahmen, die den Asset-Managementmarkt in Bewegung halten. Noch ein paar weitere: Die 1992 gegründete Firma Janus, Hersteller eines IT-Asset-Management-Repositories, wurde von dem E-Marktplatz-Anbieter Intraware erworben. Ähnlich wie Intraware hat auch die Usu AG mit dem Geld vom Neuen Markt das Produktportfolio abgerundet. Ihre Strategie zielt darauf ab, die Cont-rolling-Tools der Software-Suite "Valuecenter" zu einem "IT-Knowledge-Portal" auszubauen, und zwar mit der von ITM/Cristal gekauften "Cristal"-Suite für das IT-Infrastrukturmanagement. "Dieses Portal", so die Vision des Usu-Vorstandes Klaus-Rüdiger Willer, "liefert dann neben dem IT-Asset-Management auch eine verursachergerechte Kosten- und Leistungsverrechnung sowie ein Kabel- und Facility-Management und soll durch weitere Funktionen für das System-, Service- und Change-Management ergänzt werden."

Auf Kooperationen setzt dagegen die 1994 gegründete Firma Maincontrol, deren Produktserie "MC/EM Power" eigenen Angaben zufolge weltweit bei rund 250 Unternehmen im Einsatz ist. Ende Mai unterzeichnete der Hersteller ein Abkommen mit Techsmart, einem Anbieter von so genannten "Asset-Recovery-Lösungen". Diese sollen Leasingfirmen, Großkonzerne und Handelsunternehmen beim Wiederverkauf gebrauchter Systeme unterstützen. Mit der jüngsten Zusammenarbeit will Maincontrol-CEO Alex Pinchev den Fokus stärker auf das häufig vernachlässigte Ende des "Lebenszyklus" legen. Gemeinsam mit Techsmart will er den IT-Managern helfen, ihre IT-Komponenten zum richtigen Zeitpunkt zu verkaufen, und zwar zu einem möglichst guten Preis.

Auf eine Verwaltung von IT-Investitionen konzentiert sich auch Wolfgang Stratenwerth von der Firma Circle Unlimited: "Im Vordergrund steht die Beschreibung von technischen Prozessen wie Installation, Support, Move/Add/Change sowie deren Verknüpfung mit kaufmännischen Prozessen, vor allem im Rechnungswesen, beim Controlling oder bei der Lizenz- und Vertragsverwaltung." Ähnlich sieht man die Entwicklung des Bedarfes bei der Chemnitzer Uniware Consulting GmbH, die mit dem französischen Softwarehaus PS Soft kooperiert und auf Basis von deren "Qualiparc"-Suite verschiedene Werkzeuge zu einem "Meta-Tool" bündelt.

Qualiparc gestattet nicht nur die Verwaltung aller Serviceverträge, die ein Unternehmen abgeschlossen hat, sondern verfügt auch über Hilfsmittel für Kundenumfragen, Reports und Simulationen. Die Grundlage dafür ist das "Qualiparc-Asset-Management", mit dessen Hilfe ein Unternehmen alle IT- und TK-Ressourcen administriert. Dazu zählen neben dem Hardware-Equipment auch Applikationen, Lizenzen, Benutzer und Projekte sowie Verträge und deren Bedingungen und Kontaktpersonen. Ergänzt wird diese Suite durch zehn weitere Komponenten, etwa für den Helpdesk-Betrieb, das Trouble-Ticket- und Change-Management, das Billing von IT-Dienstleistungen und die Vorbereitung und Kontrolle des IT-Budgets.

Die Beispiele zeigen: Das Angebot an Werkzeugen für ein konsequentes IT-Asset-Management wächst. Dem steht eine noch gebremste Nachfrage gegenüber, die sich auf Großkonzerne und Behörden beschränkt. Dort ist die notwendige Masse an IT-Assets vorhanden, die ein systematisches Management trotz hoher Anlaufkosten lukrativ macht. Dort sind auch die organisatorischen und personellen Ressourcen vorhanden, um ein solches Projekt zum Erfolg zu führen. Umgekehrt fehlen am Markt noch einfache und auf das Wesentliche fokussierte Tools, die ein Mittelständler bräuchte.

Ob sich für das IT-Asset-Management eine dedizierte Suite besser eignet als eine Erweiterung der kaufmännischen Systeme, muss die Praxis erst noch zeigen. Beide Ansätze haben ihre Stärken und Schwächen. Nur eines scheint sicher: Die Zeiten, in denen der IT-Chef mangels passender Angebote noch sein eigenes Asset-Management-System entwickeln musste, sind endgültig passé. (kpl)

Zur Person

Berthold Wesseler

ist freier Journalist in Brühl.