10 GbE über Cat.6-Kupferkabel

Zukunftssichere Netzwerkverkabelung für 10-Gbit-Ethernet

31.10.2007 von Andreas Kaufmann und Uli Geub
Bei 10-Gbit-Ethernet haben der IT-Manager und der Administrator die Wahl zwischen Glasfaser und Kupfer-Twisted-Pair-Lösungen. Durch die Kupfertechnologie ist Ethernet mit 10-Gbit inzwischen eine bezahlbare Alternative - selbst in der Horizontalverkabelung bis hin zum Arbeitsplatz. TecChannel bietet Hilfe bei der Auswahl der zukunftssicheren Netzwerkverkabelung.

Immer mehr Anwender und Betreiber von Datennetzen sind auf hohe und künftig noch wachsende Bandbreiten im Netzwerk angewiesen. Vorrangig sicherlich in Rechenzentren, Universitäten, Planungs- und Konstruktionsbüros sowie Krankenhäusern. Aber in zunehmendem Maß benötigen auch moderne Bürogebäude immer höhere Bandbreiten hin bis zum Arbeitsplatz. Innovative, multimediale (Streaming-) Anwendungen wie zum Beispiel Videokonferenzsysteme (TelePresence), und eBusiness-Applikationen mit Videokomponenten zeigen sich dabei besonders bandbreitenhungrig.

Horizontal noch in der Minderzahl: 10-Gbit-Ethernet wird vorrangig im Backbone eingesetzt. (Quelle: CommScope/SYSTIMAX Solutions)

Weitere Vorteile einer modernisierten Netzwerkverkabelung können sich durch die Konsolidierung der Infrastruktur etwa mit Power over Ethernet (PoE) ergeben. Auch wird ein modernes Bürogebäude langfristig nicht nur von einem Unternehmen genutzt. Im Laufe des Lebenszykluses einer Verkabelungsinfrastruktur kann ein leistungsfähiges Netzwerk ein Gebäude attraktiver machen und seinen Wert steigern – oder bei einer falschen Planung erhebliche Umbaukosten verursachen.

Langfristig planen

Als zukunftssicher gilt heute eine Kommunikationsinfrastruktur, wenn sie für eine Zeitdauer von 15 bis 20 Jahren genutzt werden kann. Mit den steigenden Anforderungen an die Netzwerke und Applikationen ergeben sich schon heute zwangsläufig Engpässe beim Datendurchsatz. Diese entstehen insbesondere durch:

Bei den Applikationen der Zukunft werden Multimedia-, Broadcast- und Telekommunikationsanwendungen eine gewichtige Rolle spielen. Ein extremes Beispiel einer bandbreitenhungrigen Geschäftsidee ist das Video-Downloadportal You Tube. Nach eigenen Angaben hat die Video-Download-Plattform einen durchschnittlichen Traffic von 20 Gbit/s. Dies entspricht 50 Millionen Videos pro Tag. Allein You Tube verursacht damit laut einer Studie vom Juni 2007 rund 20 Prozent des weltweiten HTTP-Verkehrs und 10 Prozent des gesamten Internet-Traffics.

You Tube rechnet derzeit mit einer monatlichen Bandbreitensteigerung von mehr als 20 Prozent. Auch wenn sich der Hype um die Videos im Web in nächster Zeit beruhigt: Ein Bedarf von 40 oder 100 Gbit/s an durchschnittlicher Bandbreite allein bei You Tube ist bereits in einem Jahr realistisch.

Trotz des mittelfristig sichtbaren Bedarfs ließen die Kosten einen großflächigen Einsatz von 10 GbE bislang nicht zu. Doch mit der 10-Gbit-Ethernet-Technologie über Kupfer-Twisted-Pair sinkt der Preis der nötigen Bauelemente, beispielsweise für die Transceiver der aktiven Netzwerkkomponenten. Wie in der nachstehenden Grafik ersichtlich, fallen die Kosten für die Kupfer-Transceiver im Vergleich zu den optischen LWL-Transceivern zudem erheblich schneller und stärker. Auch sind die Basiskosten für die Verkabelungsinfrastruktur bei Kupfer wesentlich geringer als bei optischen Verbindungen.

Kostengünstiges Kupfer: 10-Gbit-Ethernet über eine Kupferverkabelung ist deutlich günstiger als über Glasfaser. (Quelle: CFI Group)

Standards für eine zukunftsorientierte Kommunikations-Infrastruktur

Generell stehen einem Entscheidungsträger mehrere Kupfer- und Glasfaserlösungen für die 10-Gbit-Technologie zur Verfügung, die zumeist fertig standardisiert sind. Die Übertragung über Glasfaser wird im Standard IEEE802.3ae definiert (10GBase-F).

Nachfolgende Tabelle zeigt die PHYs für optische Medien mit ihren typischen Reichweiten. Derzeit in der Entwicklung befindet sich noch der optische Standard 10GBASE-LRM (802.3aq). Dieser soll es ermöglichen, über ältere, bestehende OM2-Multimode-Glasfaserverkabelungen 10 GbE zu übertragen.

Übersichtstabelle: Optische 10GbE-PHY-Standards

LAN PHY

WAN PHY

PHY

10GBase SR

10GBase LR

10GBase ER

10GBase LX4

10GBase SW

10GBase LW

10GBase EW

Modus

Serial

Serial

Serial

WWDM

Serial

Serial

Serial

WAN Interface Sublayer

nein

Nein

nein

nein

WIS

WIS

WIS

Wellenlänge

850 nm

1310 nm

1550 nm

1310 nm

850 nm

1310 nm

1550 nm

Medium

Multimode

Single Mode

Single Mode

Multimode

Multimode

Single Mode

Single Mode

PCS-Kodierung

64B/66B

64B/66B

64B/66B

8B/10B

64B/66B

64B/66B

64B/66B

Physische Bitrate

10,3Gbps

10,3Gbps

10,3Gbps

4*3,125 Gbps

9,953 Gbps

9,953 Gbps

9,953 Gbps

Reichweite

65m

10 km

40km

300 m

65m

10 km

40 km

Nachdem Glasfaserlösungen hauptsächlich im vertikalen Bereich angewendet werden, richtet sich der Fokus der Kupfer-Twisted-Pair-Lösungen auf den Horizontalbereich. Hier gibt es bereits seit längerem einen fertigen Standard, den 10BASE-CX4. Er eignet sich allerdings aufgrund der geringen maximalen Entfernungen von 15 Metern nur für die Verbindung von Servern in Rechenzentren. Vor allem in IBM-Umgebungen ist er dabei anzutreffen.

Mehr zur stetigen Evolution des Ethernet-Standards und zu den technischen Herausforderungen speziell von 10 GbE lesen Sie in unseren Beiträgen 10GBase-T: Das 10-Gigabit-Netzwerk über Kupferkabel und mit Schwerpunkt auf die optische Übertragung in 10-Gigabit-Ethernet.

Standard-Verwirrung

Ein Problem für Entscheidungsträger ist, dass es für eine 10-Gbit-Verkabelungsinfrastruktur nicht nur einen Standard gibt. Es existieren gleich fünf verschiedene Standards, die im Zusammenhang mit 10 GbE über Twisted Pair Kabel eine Rolle spielen. Diese lauten:

IEEE 10GBASE-T 802.3an für aktive Komponenten

Bereits im Juli 2006 wurde der IEEE-Standard 802.3an verabschiedet. Er ist die Basis für die aktive Technik der 10-Gbit-Kupfertechnologie und beschreibt die Anforderungen für Switche und Netzwerk-Transceiver. Damit konnten die Hersteller von aktiven Komponenten (Switches, Netzwerkkarten) seit dieser Zeit standardkonforme Produkte produzieren. Erste Hersteller, wie etwa die im Bereich Netzwerk-Transceiver führende US-Firma Solarflare, haben bereits im November 2006 Netzwerkkarten auf Basis ihrer 10GbE-Transceiver getestet.

Auf der Cisco Networkers in Cannes haben im Januar 2007 CommScope/SYSTIMAX Solutions und Solarflare die weltweit erste erfolgreiche Live-Demonstration von 10 GbE gemäß 10GBASE-T 802.3an durchgeführt. Für die Datenübertragung wurde das CAT-6A-Kupferkabel SYSTIMAX Solutions GigaSPEED X10D-UTP verwendet. Der Testaufbaus simulierte eine so genannte Worst-Case-Umgebung (siehe „6around1“-Anordnung im weiteren Verlauf des Artikels). Die Datenübertragung lief dabei über sieben gebündelte Verkabelungsstrecken auf einer Distanz von 100 Metern, unterbrochen durch vier Steckverbinder.

Wärmeproblematik im Rechenzentrum

Als Problem der ersten 10GbE-Netzwerkkarten hat sich die hohe Wärmeentwicklung bei MSA-Transceivern (X2, XPAK) herausgestellt. Vor allem kompakte Blade-Server geraten damit an ihre Grenzen. Daher denkt man derzeit darüber nach, die Leistung der Transceiver von 12 auf 4 Watt zu verringern. Dies hätte aber zur Folge, dass die maximale Verkabelungslänge in Rechenzentren reduziert werden müsste.

Bei der Planung eines Rechenzentrums sollte man die Länge der 10GbE-Verkabelung optimieren, um künftig die leistungsoptimierten Transceiver einsetzen zu können. Derzeit diskutiert man für Klasse-EA-Installationen in Rechenzentren eine maximale Strecke von 30 Metern, bestehend aus 10 Metern Patchcords, zwei Steckverbindern und 20 Metern Installationskabel.

Weitere Standards im Detail: TIA/EIA TSB-155 und ISO/IEC TR 24750

Der Standard TIA/EIA TSB-155 ist lediglich eine Anleitung zur Beurteilung einer bestehenden Verkabelung der bisherigen Kategorie 6 für die Nutzung mit 10-Gbit-Ethernet. Dieser Standard beinhaltet Übertragungstrecken- und Permanent-Link-Spezifikationen sowie Testmethoden für das Fremdnebensprechen (Alien Crosstalk). TIA/EIA TSB-155 hat aber keinerlei normative Anforderungen!

Für den Upgrade einer Cat.6.Installation auf 10GbE sind mitunter folgende Maßnahmen nötig:

Auch bei Einhaltung all dieser Vorgaben ist der Betrieb von 10GbE unter realen Installationsbedingungen nicht garantiert.

Der ISO/IECTR (Technical Report) 24750 ist ebenfalls nur eine Anleitung zur Beurteilung einer Bestandsverkabelung der bestehenden Kategorie 6, hat jedoch zum Unterschied zur TIA/EIA TSB-155 einen normativen Charakter. Aber auch er respezifiziert keine bestehende Klassen-E- oder -F-Installation nach ISO/IEC 11801:2002.

Es gelten hier dieselben Installationsrichtlinien wie bei dem vorgenannten TIA/EIA-TSB-155 Standard. Auch die Aussage ist ähnlich: ISO/IECTR 24750 gibt ebenfalls keine Garantie für den Betrieb von 10 Gbit Ethernet über das bestehende Cat.6-Kabel. Mit der Verabschiedung dieses Standards ist noch im vierten Quartal 2007 zu rechnen.

Weitere Standards im Detail: ANSI/TIA/EIA 568B.2-10 und ISO/IEC 11801

Der Verkabelungsstandard für 10-Gbit-Ethernet von ANSI/TIA/EIA 568B.2-10 wird als der kommende Cat.6A-Standard in Kürze verabschiedet werden. In dem neuen Cat.6A-Standard werden die Vorgaben für eine 10-Gbit-fähige Verkabelungslösung über eine 4-Paar-100-Ohm-Augmented-Category-6-Verkabelung definiert. Er normiert Übertragungsstrecke, Permanent-Link- und Komponenten-Spezifikationen inklusive der Alien-Crosstalk-Testmethoden bis zu einer Frequenz von 500 MHz. Über die Spezifikation der Übertragungsstrecke gibt es bereits grundsätzliche Übereinstimmung. Die Grenzwerte für den Permanent Link und die Komponenten werden noch in den Gremien diskutiert. Die Verabschiedung wird für Frühjahr 2008 erwartet.

ISO/IEC 11801

Der Ansatz des weltweit gültigen ISO/IEC-Standards ist für die europäischen Anwender der interessanteste. Denn er bildet die Vorlage für die europäischen EN-Normen, wie zum Beispiel die DIN EN 50173 (Anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen). In dem aktuellen Entwurf der ISO/IEC 11801 wird derzeit eine neue Version für die Klasse EA erarbeitet. Es werden hierin ebenfalls Übertragungsstrecken-Spezifikationen bis zu einer Frequenz von 500 MHz sowie der Alien Crosstalk definiert.

ISO/IEC Klasse EA: Der Standard Cat. 6A stellt die höchsten Ansprüche an das Kabel und garantiert eine stabile 10-GbE-Verbindung.

Bei ISO/IEC 11801 werden für viele Parameter die Werte der bisherigen Klasse E, die bis 250 MHz spezifiziert ist, auf 500 MHz extrapoliert. Um eine schnellere Verabschiedung dieses Standards zu ermöglichen, ist die Entscheidung zudem in zwei Bereiche unterteilt:

Der Anhang 1.1 ist nun bereits zum vierten Mal in der Abstimmung der Ländergremien. Verschiedene Länder haben diesmal ihre Zustimmung zu diesem Dokument erteilt oder signalisiert. Somit kann man erwarten, dass der Anhang 1.1 zu ISO/IEC 11801 zum Frühjahr 2008 verabschiedet wird.

Zusammenfassung der verschiedenen Standards:
Da sie keinen sicheren Betrieb von 10 GbE garantieren, sollten man die Standards ISO/IECTR (Technical Report) 24750 und TIA/EIA TSB-155 nur als Anleitung zur Beurteilung von Bestandsinstallationen verwenden. Keinesfalls dürfen sie als Basis für die Auswahl einer Neuinstallation dienen. Für eine zukunftssichere Kommunikations-Infrastruktur empfiehlt es sich, ISO/IEC 11801 und gegebenenfalls ANSI/TIA/EIA 568B.2-10 anzuwenden. Nur diese garantieren eine 10GbE-Applikation unter allen Installationsbedingungen mit bis zu 100 Metern Länge und vier Steckverbindungen.

Spezielle Anforderungen der 10GbE-Übertragung

Die Anforderungen an ein Verkabelungssystem für 10GbE-Übertragung sind nicht trivial. Bereits bei der Migration von 100 Mbit/s auf 1 GbE können unzureichende Leistungsreserven des Verkabelungssystems oder eine mangelhafte Installation eine störungsfreie Übertragung verhindern. Die in der Praxis aufgetretenen Problempunkte potenzieren sich beim Einsatz von 10GbE nochmals erheblich.

Die größte Herausforderung bei der Entwicklung einer 10GbE-fähigen Infrastruktur ist die notwendige Verdoppelung der maximalen Übertragungsfrequenz. Nutzt man bei 1GbE nur das Spektrum bis 250 MHz zur Übertragung, erfordert 10GbE eine Maximalfrequenz von 500 MHz auf dem Kabel.

Die Frequenzverdoppelung stellt vor allem eine enorme Herausforderung für die Stecker und Buchsen dar. Diese Anforderungen auf Basis der weltweit etablierten RJ45-Technologie zu erfüllen, die vom Prinzip her noch aus der Zeit der 10-Mbit-Verkabelung stammt, erfordert einen hohen Aufwand im Bereich Forschung und Produktentwicklung. Daher ist der Markt der Anbieter für 10-GbE-Verkabelungssysteme derzeit noch recht überschaubar.

Eine weitere große Herausforderung für die 10-GbE-Technolgie ist das Fremdnebensprechen, das sogenannte Alien Crosstalk (AXT). Es entsteht, da ein Teil der in das Netzwerkkabel eingespeisten Sendeleistung über elektromagnetische Felder die Signale in anderen Leitungen beeinflusst. Tritt das Übersprechen zwischen den vier für eine Verbindung nötigen Aderpaaren auf, ist der Near End Crosstalk (NEXT) die entscheidende Störgröße. Diese Störung kann aber kompensiert werden, da der Empfänger das Signal der störenden Leitung kennt.

Abstandshalter und Abschirmung gegen Alien Crosstalk

Die Kompensation ist beim Alien Crosstalk nicht möglich, da sich hier die Signale unabhängiger Netzwerkverbindungen stören. Alien Crosstalk tritt vor allem zwischen direkt benachbarten Kabel und benachbarten Steckverbindern im Patchfeld auf. Da in lokalen Datennetzen die Datenkabel üblicherweise gebündelt verlegt werden, liegen die Leitungen über eine weite Strecke eng nebeneinander. Dies verstärkt den bei niedrigeren Frequenzen weniger kritischen Effekt erheblich.

Störende Ordnung: Durch die Bündelung liegen zwei Kabel über weite Strecken im Kabelkanal parallel und stören so ihre elektrischen Signale durch AXT. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Durch die runde Bauform der Netzwerkkabel passen exakt sechs Kabel (Störkabel) um ein in der Mitte verlaufendes Kabel (Opferkabel). Diese Anordnung bezeichnet das „6around1“-Worst-Case-Szenario. Abhilfe schafft entweder eine metallische Abschirmung des Kabels und der Steckverbinder oder ein geändertes Design des Kabelmantels, das die Abstände der Kabel voneinander vergrößert.

Da Alien Crosstalk auch im Bereich der Panels und Anschlussdosen auftritt, sind auch hier Anpassungen nötig: Entweder man erweitert den Abstand zwischen den Steckverbindern, oder man sorgt für eine bessere Abschirmung zwischen den Patchbuchsen.

Worst Case: Sechs umliegende Kabel stören das Signal des Opferkabels. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Im folgenden Bild des ungeschirmten Kabels SYSTIMAX GigaSPEED X10D der Firma CommScope Solutions ist der spezielle Kabelmantel deutlich zu sehen. Er erhöht den Abstand der Leitungen, ohne diese schwerer oder mechanisch steifer zu machen.

Auf Distanz: Der innere Aufbau des UTP-Kabelmantels erhöht den effektiven Abstand von den umliegenden Störleitungen. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Bei dem geschirmten Kabel GigaSPEED X10D FTP reduziert ein äußerer, gemeinsamer Metallfolienschirm das Alien Crosstalk AXT. Der Near End Crosstalk NEXT, bei dem sich die Leitungen einer Verbindung selbst stören, wird in beiden Kabeln durch einen zentralen Abstandshalter im Kabel reduziert. Beide Lösungen entsprechen den Anforderungen der künftigen Cat.6A-Klasse EA.

Mit Abschirmung: Beim FTP-Kabel reduziert eine geerdete Metallfolie den AXT, der zentrale Abstandhalter im Inneren minimiert das NEXT. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Probleme mit geschirmten Kabeln

Nachteil bei dem vorwiegend in Deutschland angewendeten geschirmten Ansatz ist, dass die Abschirmung der Kabel und Stecker mit dem Gebäudepotenzialausgleich erfolgen muss. Das bedeutet, dass die Abschirmung geerdet wird. Dies geschieht vorwiegend aus Gründen des Personenschutzes und der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV).

Common-Earth-Problem: Der durch den Neutralleiter zurückfließende Strom teilt sich im Schaltschrank und fließt auch über den Schutzleiter und das geschirmte Netzwerkkabel in einen anderen Gebäudeteil. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

In der Praxis ergeben sich in vielen Installationen massive Probleme mit teils hochfrequenten Ausgleichsströmen auf diesen Kabelschirmen. Das Netzwerkkabel dient dabei nicht mehr nur als Schirm, sondern sorgt selbst für einen Potentialausgleich zwischen verschiedenen Gebäudeteilen. Der angeschlossene Netzwerkadapter bekommt dann nicht nur das ohnehin schon schwache Signal der 10GbE-Pakete, sondern auch alle Fehlerströme über den Kabelschirm mitgeliefert.

Empfindliche Kodierung: Gegenüber dem 1 Volt bei 1GbE hat man den Spannungsabstand der Logikpegel bei 10GbE auf 0,125 Volt reduziert, um mehr Bits gleichzeitig übertragen zu können. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Die Folge: Aufgrund des drastisch reduzierten Abstands zwischen den 0- und 1-Zuständen bei der von 10GbE verwendeten PAM16-Koderung (zirka 125 mV) entsteht das Risiko einer hohen Bit-Fehlerrate beim Empfangen der Datenpakete. Dies hat ein erneutes oder sogar mehrfaches Versenden der Datenpakete und damit eine drastische Reduzierung des Datendurchsatzes zur Folge.

Problematisch für geschirmte Netzwerkinstallationen im deutschsprachigem Raum ist, dass hier sogenannte gemeinsame Erdungssysteme angewendet werden (Common Earth). Dabei liegt der Potenzialausgleich für die Stromversorgung und die Datentechnik auf einem gemeinsamen Erdungssystem. In weiten Teilen der Welt werden im Gegensatz dazu getrennte Erdungssysteme aufgebaut (Clean Earth), bei denen der Potenzialausgleich der Stromversorgung und Datentechnik voneinander getrennt sind. Dadurch sind Störungen in der Kommunikationsinfrastruktur, verursacht durch Fehlerströme der Stromversorgung im Potenzialausgleich der Datentechnik, praktisch ausgeschlossen. Auch in Deutschland wird ein derartiges Erdungskonzept (Funktions-PE, Clean Earth) zurzeit diskutiert. Die Anwendung eines derartigen Erdungskonzeptes verteuert allerdings die Installation erheblich.

Potenzialausgleich: Geschirmte Verkabelungssysteme erfordern teils massive Kupferleiter parallel zu den Datenkabeln, um Ausgleichsströme im Kabelschirm zu vermeiden. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Mixed and Match – Komponenten-Mix mit unkalkulierbarem Risiko

Nicht aufeinander abgestimmte Komponenten in einer Übertragungsstrecke können die Datenübertragung maßgeblich negativ beeinflussen. Vor allem bei der anspruchsvollen 10GbE-Verkabelung kann die Verwendung von Komponenten verschiedener Hersteller, sogenannte Mixed-and-Match-Installationen, schnell zu Problemen führen. Die Kombination von Komponenten verschiedener Hersteller (Kabel Hersteller A, Buchse Hersteller B, Patchkabel Hersteller C) findet man fast nur in Zentraleuropa. Der Rest der Welt setzt grundsätzlich nur Lösungen eines Systemherstellers ein und schließt damit unnötige Komplikationen aus.

Der Komponenten-Mix ist häufig auch ein Grund für rechtliche Auseinandersetzungen, weil im Fehlerfall nicht eindeutig zu definieren ist, welche Komponenten die Ursache waren. Leidtragender in diesem rechtlichen Chaos ist zumeist der Kunde, der sich in einem oft äußerst langwierigen Reklamationsprozess gleich mit mehreren Herstellern auseinandersetzen muss. Allein die einmalige Typmusterprüfung eines Messlabors einer Kombination verschiedener Hersteller ist keine Garantie für eine homogene Qualität und die Vermeidung von Fertigungstoleranzen.

Messungen sehen auf den ersten Blick oft besser aus, als sie eigentlich sind. Speziell wenn sie nicht gemäß Standard durchgeführt werden, müssen die Messergebnisse ausreichend Reserve zum Grenzwert aufweisen. So werden hierzulande häufig nur zwei Steckverbinder anstelle der standardgemäßen vier Steckverbinder bei der Channel-Messung verwendet. Gleiches gilt bei der Permanent-Link-Messung. Hier werden anstatt drei Steckverbinder oft nur zwei berücksichtigt.

Ohne die im Standard mitberücksichtigten Steckverbindungen und deren Störbudget (Near End Crosstalk NEXT, Dämpfung und Return Loss – RL) werden die Testinstallationen „schöngemessen“: Beim Vergleich verschiedener Verkabelungslösungen sollten daher stets standardkonforme Messaufbauten Anwendung finden, da nur so ein wirklicher Vergleich vorgenommen werden kann:

Normgerecht: Laut EN50174-2 enthält eine Übertragungsstrecke vier Steckverbinder. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Geschirmt, ungeschirmt oder mit Cat.7 verkabeln?

Die primäre Frage bei der Errichtung einer Gebäudeinfrastruktur lautet, ob man ein geschirmtes oder ein ungeschirmtes Verkabelungssystem einsetzen möchte. Grundsätzlich kann man ein ungeschirmtes, standardkonformes 10GbE-UTP-System in fast allen Umgebungen ohne besondere Infrastrukturvoraussetzungen einsetzen. Es sind hierbei lediglich die Installationsanleitungen der Hersteller zu berücksichtigen.

Es gibt nur eine Ausnahme: industrielle Umgebungen (Heavy Industrial Environment nach IEC/EN 61000-6-2) mit mehr als 10 V/m EME-Belastung (Elektromagnetische Emission). In einer solchen Installationsumgebung muss man die Kabel in einem metallischen Kabelführungssystem (Stahlrohr, geschlossenes Kabelführungssystem aus Metall) verlegen.

Bei den geschirmten FTP/STP/SFTP-Systemen ist wegen der notwendigen Erdung der Kabelschirme und der bereits angesprochenen Risiken einer Potenzialverschleppung ein gewisser Mehraufwand nötig. Als Erstes ist für den Betrieb eines geschirmten 10GbE sicherzustellen, dass ein TN-S-Stromversorgungssystem installiert ist und dies auf Dauer erhalten bleibt. Dazu darf im gesamten Hausnetz der Schutzleiter (PE) nur an einer Stelle mit dem Neutralleiter des Stromnetzes verbunden werden.

Auch ist zwingend eine permanente Überwachung der Stromfreiheit des Erdungssystems mittels eines RCM-Systems (Differenzstrom-Überwachungsgeräte nach DIN EN 62020) notwendig. Denn die einmalige Installation eines TN-S-Stromversorgungs-Systems (Fünfleiternetz mit separatem PE- und N-Leiter) ist keine Garantie für eine dauerhaft fehlerstromfreie Erdungsanlage. Bei späteren Umbauten legt der Elektriker gerne mal in einem der Stromverteilerkästen eine Brücke zwischen Schutz- und Neutralleiter und macht so das ursprüngliche Erdungskonzept zunichte.

TN-S-Stromversorgung: Für eine geschirmte Verkabelung ist ein Fünfleiterstromnetz nötig. (Quelle: BSI)

Weiter ist zwingend ein maschenförmiges Erdungskonzept gemäß DIN EN 50310 im gesamten Gebäude vorzusehen. Dass unter einem solchen Konzept nicht nur ein einziger Erdungsleiter von der Potenzialausgleichschiene zum Datenverteiler zu verstehen ist, zeigen die Bemühungen um eine verbindliche Richtlinie in Österreich. Hier wurde in der E-8014-Norm definiert, wie ein solches Maschenerdungssystem aufzubauen ist.

Warum nicht gleich Cat.7 installieren?

Kategorie 7 ist ein Verkabelungssystem aus einem sogenannten PiMF-Kabel (TP, Shielded TP, alle Paare separat in Metallfolie geschirmt), Vierkammerbuchsen und Patchkabeln mit Vierkammerstecker. Dieses proprietäre Steckgesicht ist das generelle Problem der Kategorie 7 / Klasse F.

Nachdem derzeit nahezu 98 Prozent der bestehenden Installationen weltweit auf einem Steckgesicht nach EN 60603-7 (RJ45-Stecker) basieren, zeigen die Hersteller von aktiven Komponenten (Netzwerkkarten, Switche) kein Interesse, ihre Geräte mit Vierkammerbuchsen anzubieten. Zum Anschluss ist stets ein Adapter in Form eines Hybrid-Patchkabel notwendig, was die Leistung eines Klasse-F-Links aber auf die einer Kategorie-6-Leistung reduziert.

Cat.7-Stecker: Der GG-45-Stecker mit einzelnen Kammern für jedes Adernpaar ist durch einen integrierten Umschalter in der Buchse abwärtskompatibel zu RJ-45, bietet dann aber keine Kasse-F-Leistung mehr.
Der Klassiker: Auf RJ45-Steckern basieren 98 Prozent aller Netzwerke. (Quelle: Commscope/SYSTIMAX Solutions)

Ein weiteres Problem einer Cat.7-Installation ist der Zwang zur Erdung der Verkabelung. Wie bereits beschrieben, ist dies nur in einem Bruchteil der Gebäude weltweit wirkungsvoll zu realisieren. Besonders außerhalb Europas sind TN-S Stromversorgungsnetze nur selten anzutreffen und Erdungskonzepte in den Gebäuden meist nicht vorhanden.

Außer 10GbE ist zudem nach wie vor keine Applikation für Cat.7 / Klasse F in Sicht. „Cable Sharing“ ist nach Einführung der vierpaarigen Anwendungen, wie 1GbE und 10GbE, kein Thema mehr. Auch multimediale Anwendungen wie das analoge Cable-TV werden zunehmend digital und IP-basierend implementiert und benötigen somit keine bis 600 MHz spezifizierte Klasse-F-Verkabelung mehr. Spätestens wenn bis 2012 EU-weit alle analogen Rundfunk- und Fernsehdienste auf digitale Sender umgestellt sind, besteht kaum noch ein Bedarf an einer Hochfrequenzverkabelung in Gebäuden. Deutschland will, wie auch etliche andere europäische Länder, die Umstellung auf digitales Fernsehen und Radio bereits 2010 vollzogen haben.

Vorteile von Cat.6A

Zusammengefasst hat eine Verkabelung nach Kategorie 6A Klasse EA folgende Vorteile gegenüber der Kategorie 7 Klasse F / Kategorie 7A Klasse FA:

Was kommt nach Cat.6A und Cat.7?

Die Frage nach dem nächsten großen Schritt bei den Verkabelungsstandards ist schwer zu beantworten. Derzeit arbeitet man zwar schon an einer 100GbE-Lösung. Diese basiert im ersten Schritt allerdings nur auf Glasfaser und nicht auf einer Kupferverkabelung.

Die maximale Übertragungsfrequenz wird sich im Kupferbereich nur unter großen Schwierigkeiten weiter steigern lassen. Die bei höheren Frequenzen rasch zunehmende Dämpfung des Signals ist schon heute die größte Herausforderung. Eine Erhöhung der Übertragungsfrequenzen deutlich über 500 MHz führt zu einer Signaldämpfung jenseits von 50dB. Kompensieren ließe sich dies nur über noch mehr Sendeleistung, was den Trend zu immer energiesparenden Systemen unterlaufen würde. Bereits 6 dB mehr Dämpfung bedeuten den Faktor 2, also ein Verdoppelung der Dämpfung. Allein aus diesen Gründen ist eine Erhöhung von Datenübertragungsfrequenzen derzeit unerwünscht.

Eine andere Möglichkeit, dem Empfänger noch einen ausreichenden Nutzsignalpegel zu bieten, wäre die deutliche Reduzierung der maximalen Kabellänge. Aber auch das lässt sich in der Horizontalverkabelung wohl kaum realisieren.

Fazit: Wie sollten die Verkabelungslösungen für 10GbE aussehen?

Folgende Voraussetzungen sollten bei der Auswahl einer Lösung für 10GbE unbedingt beachtet werden:

Eine wichtige Hilfestellung erfährt man über die Datenblätter der Hersteller. Die Leistungsdaten (bis 500MHz) eines Cat.6A-Klasse-EA-Systems sollten folgender Tabelle entsprechen.

Standard: Eine Verkabelung nach Cat.6A Klasse EA muss diese Grenzwerte einhalten.

Beachtet man all diese Kriterien, steht einem garantierten Betrieb von 10GbE über 100 Meter Kupferkabel nichts im Wege. (ala)