Zukünftige Speichertechnologien, Teil 3

29.08.2003 von Hermann Strass
Magnetische Speicherung ist nicht nur bei etablierten Medien wie Festplatten im Einsatz. So hat MRAM das Potenzial, in einigen Bereichen Flash und DRAM zu ersetzen.

Die vor über 100 Jahren erfundene magnetische Speicherung ist heute noch die Basis für den größten Teil der gespeicherten Daten. Abseits der wohl bekanntesten Vertreter in Form von Festplatten, existieren auch andere Ansätze, die sich Magnetismus zu Nutze machen. Den Grundlagen der Festplattentechnik und Trends bei Festplatten haben wir jeweils einen eigenen Artikel gewidmet.

Anderen Forschungsgebieten wie dem Speichern von Daten in Molekülen oder unter Zuhilfenahme von Proteinen haben wir im ersten Teil dieser Artikelserie Beachtung geschenkt. Der zweite Teil widmet sich optischen und elektrischen Ansätzen. Im Folgenden geht es um unterschiedliche Wege der magnetischen Datenspeicherung: vom MRAM als Ersatz für DRAM und Flash bis hin zur Storcard. Ein Projekt, das in naher Zukunft bis zu 5 GByte in Kreditkartengröße speichern soll.

MRAM

Beim MRAM wird ein Bit als magnetische Polarität in Magnetschichten gespeichert. MRAM soll schneller sein als Flash und etwa sechs Mal schneller als DRAM. Jedes Atom im MRAM ist ein kleiner Elektromagnet. Magnetische Domänen bestehen aus Bereichen, in denen die Nord-Süd-Ausrichtung der atomaren Magnete gleich ist. Bei einer bestimmten Art von MRAM gibt es zwei Lagen von ferro-magnetischem Material mit einer isolierenden Schicht dazwischen, wie beim GMR. Die Richtung der atomaren Magnete in der unteren Lage (Domäne) ist fest. Die magnetische Richtung in der oberen Lage lässt sich ändern. Null oder Eins ergeben sich aus der gleichen oder gegensätzlichen Magnetrichtung. Beim Lesen wird der elektrische Widerstand durch diese drei Lagen gemessen. Er ist niedrig, wenn die obere und die untere Lage parallel ausgerichtet sind, und hoch, wenn beide antiparallel sind. Dies wird auch Tunneling Magneto-Resistance (TMR) genannt. Die Widerstandsdifferenz liegt heute schon bei etwa 50 Prozent. Zum Schreiben werden die Strom- und damit Magnetrichtungen in den Bit- und Zeichenleitungen (über beziehungsweise unter diesen drei Schichten) entsprechend gewählt.

MRAM-Zellen behalten ihren Bitzustand nach dem Lesen. Sie sollten schneller sein als herkömmliche DRAMs und weniger Platz benötigen. Schwierigkeiten gibt es durch die Verunreinigung der CMOS-Materialien mit dem ferro-magnetischen Material. Die magnetische Isolationsschicht muss extrem dünn (etwa 1,5 nm) und gleichmäßig dick (etw 1 Prozent Variation) sein.

Altis Semiconductor, gegründet im Juli 1999, ist eine Tochterfirma von IBM und Infineon mit 2200 eigenen Angestellten. Bei Altis in der Nähe von Paris wurde ab Mitte 2003 mit intensiver Forschung und Entwicklung von MRAMs begonnen. Bisher wurden etwa eine Milliarde Euro in Altis investiert. Bei diesem Projekt arbeiten mehrere Bereiche von IBM und Infineon aus vielen Teilen der Welt mit hochkarätigen französischen Universitätsinstituten zusammen. Der französische Staat unterstützt dieses Vorhaben sehr stark. Motorola ist ebenfalls auf dem Gebiet MRAM aktiv.

BMR

Mit Unterstützung durch die amerikanische National Science Foundation (NSF) haben zwei Forscher an der Staatsuniversität von New York in Buffalo eine besonders empfindliche magneto-resistive Sensortechnik entwickelt. Das so genannte BMR-Verfahren (Ballistic Magneto-Resistance) erzeugt einen Widerstandsunterschied von 3000 Prozent im Sensor beim Auslesen extrem kleiner Magnetzellen. Zum Vergleich: Die heute in Festplatten eingesetzte GMR-Technik kommt auf einen Widerstandsunterschied von etwas weniger als 100 Prozent.

Bei der GMR-Technik macht man sich zu Nutze, dass sich der Widerstand von bestimmten Materialien wie Nickel-Eisen-Verbindungen im Magnetfeld ändert. Bei dem genannten BMR-Versuch kam gleichfalls Nickel zum Einsatz. Das bei Raumtemperatur durchgeführte Ergebnis des Experiments ist erheblich besser als alle bisher bekannten Verfahren. Dabei ist das BMR-Element nur einige Atomdurchmesser lang und breit. Mit BMR soll es möglich sein, Daten bis zu einer Speicherdichte von 1 Tbit/in² auszulesen.

Moleküle an Kreuzungen

Stanley Williams und andere Forscher bei HP arbeiten mit Molekülen zwischen gekreuzten Platindrähten als Speicherelemente. Ihnen ist es gelungen, in einem Raster von einem Mikrometer 64 Speicherzellen unterzubringen. Etwa tausend solcher 64-Bit-Elemente würden auf die Spitze eines menschlichen Haares passen. Beim Lesen wird nur ein schwacher Strom durch die gekreuzten Leitungen geschickt, damit der Speicherzustand ohne Refresh erhalten bleibt.

Die zur Speicherung genutzten Moleküle an den Kreuzungspunkten haben eine Widerstandsänderung mit dem Faktor 10.000 zwischen dem Null- und dem Eins-Zustand. Das ist um Größenordnungen mehr als bei MRAMs. Die Silizium-Strukturen werden nicht in tage- oder wochenlangen Prozessschritten herausgeätzt, sondern in ein paar Minuten eingestanzt, ähnlich wie beim Pressen von CDs oder DVDs. In die eingepressten Gräben werden dann die Platindrähte eingelegt. Williams sieht noch mindestens fünf Jahre Forschungsarbeit vor sich, bevor kommerzielle Produkte denkbar sind.

StorCard

Die StorCard der amerikanischen Firma mit gleichem Namen ist ein Informations-Server auf einer Kreditkarte. Technisch gesehen ist es ein rotierender flexibler Datenspeicher mit den äußeren Maßen einer Kreditkarte (86 x 54 x 0,75 mm). Als mögliche Hauptanwendung werden die Speicherung von (biologischen) Identitätsdaten und Krankenpassinformationen sowie als Sicherheitsausweis gesehen.

Eine StorCard soll mit einer Speicherkapazität von heute 100 MByte bis zum Jahr 2005 auf 5 GByte anwachsen. Im Vergleich dazu haben heute Kreditkarten einige hundert Byte und SmardCards etwa 64 KByte Speicherkapazität. Als Schnittstelle zum Lese-/Schreibgerät dient das übliche Kontaktfeld auf einer SmartCard mit einem Protokoll nach ISO 7816-1. Die Verschlüsselung nach AES (Advanced Encryption Standard) kann mit einer Schlüssellänge von 1024 Bit durchgeführt werden. PKI-Authentifizierung dient zur Identifizierung der Person mit der Speicherkarte. Das Lesegerät kann als PC-Karte (5 mm dick, Typ II) oder als USB-Gerät ausgeführt sein.

Die flexible Speicherscheibe rotiert mit 3600 U/min. Sie ist 0,038 mm dick, aus Stahl oder Titan. Das Innere des Laufwerks ist gegenüber der Außenwelt nicht komplett hermetisch abgedichtet. Auf Grund geometrischer Anordnung von Kopf, Scheibe und aerodynamischer Strömungskanäle im Kopf werden kleinste Verunreinigungen am Lese-/Schreib-Element des Kopfes vorbeigeleitet. Gibt es doch einen direkten Kontakt, dann weicht die harte, aber flexible Scheibe aus, ohne einen Head-Crash zu verursachen. Im Betrieb kann das Gerät Stöße bis zu 150 g aushalten. Vier Patente schützen die StorCard-Technik gegen Nachbau.

Seit Januar 2003 wird die StorCard von der kanadischen Firma Xwave für den Einsatz in öffentlichen Sicherheitsbereichen vermarktet. Chairman of the Board ist Finis Conner, Mitgründer von Shugart und Gründer von Conner Peripherals.

Flächenoptimierung

Am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden wurde für IBM eine neue Methode für die Beschichtung von Festplattenoberflächen entwickelt. Nach dem Verkauf der Festplattensparte von IBM an Hitachi Data Systems ruht dieses Vorhaben derzeit aus Geldmangel. Wesentlich an der neuen ultradünnen Beschichtung ist der damit geringere Abstand zwischen Kopf und Plattenoberfläche. Die bisherige Grenze liegt bei 10 nm Abstand. Für höhere Speicherdichten wird aber eine Verringerung des Abstands auf 3 nm benötigt.

Für die extrem dünne Oberflächen-Schutzschicht wird im Lichtbogen ein diamant-ähnliches Graphitplasma erzeugt. Magnetfelder sorgen dafür, dass dieses so dünn (bis 1,2 nm) und glatt aufgetragen wird, damit noch Platz für ein Luftpolster bleibt, auf dem der Kopf gleitet. Bei der Bogenentladung entstehen kleinste Partikel, die per Magnetfeld ausgesondert werden, da sie ansonsten die Glattheit der Schicht beeinträchtigen würden. Von Vorteil ist auch die ungewöhnliche Härte dieser Oberflächenbeschichtung als Schutz gegen Oxidation und mechanische Beschädigungen.

Ausblick

Von den beschriebenen Technologien werden insbesondere in MRAM große Hoffnungen gesetzt. Das verdeutlichen nicht nur die oben genannten Investitionen von IBM und Infineon. Im Juni 2003 haben beide Unternehmen einen 128-Kbit-MRAM-Core präsentiert. Der Chip wurde laut Infineon in einem 0,18-µm-Logikprozess gefertigt. Dank diesem konnten die Hersteller eine MRAM-Zelle von nur 1,4 Quadrat-Mikrometer erzeugen. Nach Einschätzung von IBM und Infineon könnten die nicht flüchtigen MRAMs bereits 2005 einige bekannte Speichertechnologien ersetzen. Vorstellbar sind dann auch PCs und mobile Rechner, die dank MRAM auf Knopfdruck betriebsbereit sind. (mje)

Der Autor

Hermann Strass ist Berater für neue Technologien, insbesondere für Busarchitekturen, Massenspeicher sowie industrielle Netzwerke und Automation, Mitglied in nationalen und internationalen Normungsgremien, in der IEEE Computer Society sowie Technical Coordinator der VITA in Europa. Daneben ist er Autor von Fachbüchern und Zeitschriftenartikeln und organisiert Seminare.