Zu viele Infos schaden nur

07.02.2003
Ein Gewirr verschiedender Gesetze und Verordnungen macht es den Mobilfunkprovidern nicht leicht, ortsbezogene Mehrwertdienste nutzerfreundlich und gesetzeskonform anzubieten. Netzbetreiber und Diensteanbieter sollten beim Datenaustausch sparsam sein, um rechtliche Probleme zu vermeiden und die Privatsphäre des Nutzers zu schützen.

Von: Dr. Thomas Hafen

Die westeuropäischen Mobilfunkbetreiber werden 2007 rund 135 Milliarden Euro umsetzen. Etwa 37 Prozent dieser Summe stammen aus dem Datengeschäft. Das prognostizieren die Marktforscher von Analysys. Weltweit stammen dann laut ARC Group über 40 Prozent der Datenumsätze aus ortsbezogenen Diensten, also Services, die den Standort des Teilnehmers abfragen und diese Information verarbeiten. Nicht alle Analysten sind so optimistisch. Die Kunden sparen, fand die Unternehmensberatung Arthur D. Little heraus. Sie wollen 2005 im Durchschnitt pro Monat nur zwei Euro mehr für die Handynutzung ausgeben als heute. Auch Ken Hyers, Analyst bei Instat/MDR, ist skeptisch. Carrier setzen 2006 gerade einmal 167 Millionen Dollar mit ortsbezogenen Diensten um, so seine Prognose.

Ob Millionen oder Milliarden, Netzbetreiber und Provider haben noch einige Probleme zu lösen, bevor Location Based Services eine größere Verbreitung finden. So ist beispielsweise die Ortung noch sehr ungenau, vor allem in ländlichen Gebieten (siehe NetworkWorld 10/02, Seite 36). Wer die Standortdaten eines Handybesitzers weiter verarbeiten will, muss sich zudem mit diversen Gesetzen und Verordnungen herumschlagen. Die Lage ist verworren. "Derzeit gibt es in Deutschland kein Gesetz, das sich explizit mit ortsbezogenen Informationen befasst", erklärt Peter Büttgen, Pressesprecher von Dr. Joachim Jacob, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz. "Wir brauchen eine besondere Regelung für Location Based Services", fordert Dr. Bernhard Kölmel, beim LBS-Spezialisten Yellow Map für Strategieentwicklung zuständig. Der Mobilfunkprovider E-Plus sieht dagegen keinen Handlungsbedarf: "Die derzeitigen Regelungen stellen den Schutz der Daten ausreichend sicher", sagt Sprecherin Christiane Kohlmann.

EU-Richtlinie für ortsbezogene Dienste

Auf EU-Ebene ist man schon einen Schritt weiter. Dort gibt es seit Juli 2002 eine Richtlinie (2002/58/EG), die den Umgang mit persönlichen Daten in der elektronischen Kommunikation regelt. In ihr sind standortbezogene Informationen explizit als schützenswert genannt. "Die neue Direktive räumt der Privatsphäre einen hohen Stellenwert ein", sagt Uwe Herzog. Der Programm-Manager beim Forschungsinstitut Eurescom (European Institute for Research and Strategic Studies in Telecommunications) untersucht im Rahmen des Projektes Location Awareness (Locawa), wie sich ortsbezogene Informationen anwenderfreundlich nutzen lassen.

Gesetzeslage ist komplex

Bis der Bundestag die Richtlinie jedoch in nationales Recht umsetzt, bleibt die Lage für die Anbieter in Deutschland kompliziert. Auf dem Weg vom Netzbetreiber zum Serviceprovider überschreiten die Daten nämlich die Grenze vom Telekommunikations- zum Mediendienst. Der Umgang mit TK-Diensten ist durch das Telekommunikationsgesetz (TKG), die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) und das Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG) geregelt. Für Mediendienste gibt es dagegen einen eigenen Mediendienste-Staatsvertrag der Länder.

Datenschutz entscheidet über Nutzerakzeptanz

Eine rechtlich einwandfreie und für den Anwender durchschaubare Regelung ist jedoch Grundvoraussetzung. "Die Angst vor Missbrauch ist groß", weiß Christoph Bach, Manager Corporate Communications bei Apollis, einem Spezialisten für mobile Datendienste. "Eine sehr hohe Bedeutung" misst auch Herzog einem angemessenen Datenschutz bei. "Die Botschaft, dass jeder jeden überwachen kann, wäre fatal", sagt er. Die Studie "Nutzererwartungen an Location Based Services" von Bernhard Kölmel und Martin Hubschneider bestätigt diese Einschätzung. Im Rahmen des EU-geförderten Projekts "Elba" (European Location Based Advertising, siehe NetworkWorld 19/02, Seite 44) werteten die Autoren eine Online-Umfrage mit knapp 500 Teilnehmern aus. Fast alle Teilnehmer wären bereit, sich im Notfall orten zu lassen (siehe Grafik). Rund zwei Drittel lehnen es jedoch ab, dass Carrier ihre Standortdaten an Dritte, wie etwa Internetportale, weitergeben. Ein ähnlicher Prozentsatz will zudem vor jeder Lokalisierung um Erlaubnis gefragt werden. Herzog sieht vor allem Probleme, wenn Aufenthaltsinformationen in die Hände Dritter gelangen könnten, so etwa wenn potenzielle Arbeitgeber Ortungsdaten zur Gesundheitsprognose eines Kandidaten nutzen würden. "Die rechtlichen und technischen Grundlagen müssen sicherstellen, dass ein solcher Missbrauch nicht möglich ist." Auch Büttgen sieht vor allem dann Akzeptanzprobleme, wenn Ortsinformationen mit sensiblen Daten kombiniert werden, so zum Beispiel im Flottenmanagement oder bei Lokalisierungsdiensten für Jugendliche ("Friend Finder"). "Wer will schon, dass jeder weiß, wo man sich befindet." Reine Lokalisierungsdienste nach dem Prinzip "Wo ist die nächste Tankstelle?" seien dagegen unproblematisch.

Tipps für Provider

Die Botschaft für Netzbetreiber und Diensteanbieter ist deshalb eindeutig: Transparenz und Sparsamkeit beim Datentransfer sind entscheidend. Der Nutzer muss vor jeder Ortung informiert werden. Eine Lokalisierung darf nur mit seinem ausdrücklichen Einverständnis erfolgen. Der Netzbetreiber sollte Ortsinformationen nur anonymisiert an den Diensteanbieter weitergeben. "Am besten eignen sich für diese Aufgabe intelligente Agenten", erklärt Kölmel. Dabei übernimmt ein mobiler Teil die Anfrage und übergibt sie an den stationären Partner beim Anbieter. Dieser kombiniert die Positionsinformationen mit den Mehrwertdiensten und schickt sie an den mobilen Agenten zurück. "Diese Technik ermöglicht ein großes Angebot von Mehrwertdiensten, ohne dass die Privatsphäre des Nutzers gefährdet wäre", beschreibt Kölmel die Vorteile des Systems. Ohne diesen Schutz werde es nicht gehen, sagt Herzog, denn "im Vertrauen der Endbenutzer liegt der Schlüssel zum Erfolg."