Chance und Gefahr zu gleich?

YOLO - You only live online

26.10.2015 von Detlef Persin
Von mobiler Arbeit spricht man derzeit, wenn mindestens 10 Stunden pro Woche an einem anderen Ort als der zentralen Betriebsstätte oder der Wohnung gearbeitet wird und hierbei online Datenübertragung benutzt wird. Zukünftig wird diese Definition sicher nicht mehr ausreichen.

Der deutsche Mittelstand befindet sich derzeit einem Dilemma. Trotz aller Verantwortung, den Mitarbeitern gegenüber müssen sich die Unternehmen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, mit allen Veränderungen und Konsequenzen der digitalen Transformation und den daraus resultierenden mobilen Arbeitsformen auseinandersetzen. Unsere einheimischen Führungskräfte sind derzeit noch oft unzureichend auf die Führung im Zeitalter der Digitalisierung vorbereitet. Dies betrifft sowohl den Führungsstil als auch die Beherrschung digitaler Technologien. Diese Führungsqualitäten sind aber der Schlüssel um die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern zu erhalten und diese erfolgreich in die digitale Zukunft mitzunehmen.

Das Büro immer und überall dabei zu haben, ist für viele Arbeitnehmer eine schöne Sache.
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Dabei sind deutsche Arbeitnehmer nicht technologiefeindlicher als in anderen europäischen Ländern. Viele Mitarbeiter besitzen sogar zusätzlich zum Firmen-Smartphone privat noch eigene mobile Endgeräte. Von Whats App bis hin zur Drop Box wird privat der Vorteil von mobiler IT genutzt. Diese ursprünglich für den privaten Gebrauch entwickelten Apps zeigen dem Nutzer klare Vorteile auf. Wie aber sieht es im Gegensatz dazu in unseren Unternehmen aus? Firmenanwendungen haben für ihre Unternehmenskunden klare Nutzenversprechen, die sich aber oftmals nicht mit der Benutzerfreundlichkeit und intuitiven Oberfläche, wie es die Nutzer aus dem Konsumerbereich gewöhnt sind, verbinden.
Dieses führt im Endeffekt zu ermüdenden Softwareschulungen die entweder als Präsenzschulungen oder als e-Learning Programme angeboten werden. Auch wird hier meistens keine Rücksicht auf die Generationenvielfalt der Unternehmen genommen. Dadurch bekommen besonders ältere Mitarbeitern ein permanentes Gefühl des abgehängt seins.

Dabei liegt die Lösung des Problems im Bereich des Möglichen.
Anwendergerechte Bedieneroberflächen sind es die neugierig machen und die Nutzer intuitiv lernen lässt. Immer mehr Unternehmen setzen aus diesem Grund bereits schon heute, eigens für ihr Unternehmen programmierte Apps ein.

Praxisbezogene Mitarbeiter haben bekanntermaßen ursprünglich für den Konsumer-Markt entwickelte Apps zur Lösung ihrer Arbeitsaufgaben entdeckt. Wobei auf der anderen Seite der Medaille dadurch das Thema der »Schatten IT« in die Unternehmen gebracht wird. Die Nutzung von Dropbox zum Abspeichern von Teamunterlagen, Whats App zur schnellen internen Kommunikation und ähnlichen Apps, ist immer noch ein ernst zunehmendes Problem für die IT-Leiter der Unternehmen.


Gleichzeitig zeigt dies aber auch die ungebrochene Motivation der Angestellten, eigene praktikable Lösungen zu kreieren, wo die Beschaffungspolitik der Unternehmen versagt. Dies soll nicht bedeuten dass sich alle Businessprogramme durch privat angebotene Apps ersetzen lassen. Im Gegenteil, an dieser Stelle soll aufgezeigt werden, dass die Bying-Teams der Firmen bei ihrer Beschaffung auf eine anwendergerechte Benutzeroberfläche bestehen sollten. Bei der Beschaffung von interner IT sollten nicht nur die jeweiligen Abteilungsleiter einbezogen werden, sondern auch eine Vertretung der Anwender, die sich täglich mit der anzuschaffenden IT-Lösung auseinandersetzen wird. Auch hier sollte - im Bezug auf das demografische Gefüge der Unternehmen - Rücksicht auf die vorhandene Altersstruktur genommen werden.

Eines zeichnet sich schon heute ab: Die neuen Arbeitsformen werden keine perfekte Balance zwischen Arbeit und Leben sein. Neue Wissensarbeiter werden mit fließenden Übergängen leben müssen.

Führung von Mobilen Mitarbeitern

Mitarbeiter wollen immer mehr völlig losgelöst von Zeit und Raum arbeiten. Aber ohne Selbstdisziplin der Beschäftigten wird es nicht gehen. Dazu sind aber auch die Führungskräfte gefordert. Wie gehen die Vorgesetzten damit um, dass ihre Mitarbeiter nicht vom schlechtem Gewissen geplagt werden wenn sie nicht direkt im Unternehmen anwesend sind? Klare Regeln bezüglich der neuen Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Führungskräfte müssen gelebt und notfalls auch überprüft werden, auch wenn es im Berufsalltag schwer fällt.

Wenn Leitende Angestellte nachts um 01:00 Uhr Mails versenden, werden die Mitarbeiter unter Druck gesetzt. Sie bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht reagieren und kommen am nächsten Morgen unter Zeitdruck. Wenn die Beschäftigten nicht unbedingt vor Ort sind und sogar international in interkulturellen, virtuellen Teams zusammenarbeiten, muss vor allen Dingen das Ergebnis stimmen. Die Fähigkeit miteinander zu arbeiten, ohne räumlich zusammen zu sitzen, muss ausgebaut werden. Dazu müssen Führungskräfte über den Mut verfügen Neues zu wagen und über eine emotionale Wahrhaftigkeit.

Losgelöst von Zeit und Raum arbeiten - aber ohne klare Regeln geht es nicht.
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Die mobile Worker erwarten von ihren Vorgesetzten Transparenz, Flexibilität, Gradlinigkeit und nicht zuletzt die Fähigkeit virtuelle Teams auch zu moderieren. Im Gegensatz dazu wird den Mitarbeitern auch mehr Eigenverantwortung und Leistungswille abverlangt. Das bedeutet auch, dass Vorgesetzte sich auf Führen durch klare Zielvorgaben - versus Zeiterfassung -einstellen müssen. Dabei müssen Management und Arbeitgeber neue Wertesysteme anstatt Regeln aufbauen. Der Fokus in der Mitarbeiterführung sollte nicht bei der Motivation beginnen, sondern bereits beim »nicht demotivieren« ansetzen.

Organisation der mobilen Arbeit

Ein Szenario das Philip K. Dick schon Anfang der 1950er Jahre des letzten Jahrhunderts in seiner Kurzgeschichte Service Call entwarf: Die Schwibbel (halborganische Maschinen, die fast jedermann im Besitz hat) kontrollieren unsere Einstellung und wir kontrollieren ihre Einstellung (...) ein geschlossener Kreislauf.
Dieses Gefühl darf bei den Mitarbeitern nicht aufkommen, wir müssen sie mit einem klaren persönlichen Nutzen in die neue digitale Arbeitswelt mitnehmen. Unternehmen sind in der Verantwortung, auch mit Change Management Programmen und Workshops, Mitarbeiter aller Hierarchiestufen und Altersgruppen auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten. Nicht nur anwendungstechnisch, sondern auch emotional. Ansonsten sind mentale Krankheiten und innere Kündigung vorprogrammiert. Es zeichnet sich bereits schon heute ab, dass Arbeit in Zukunft noch mehr in unsere Freizeit eindringen wird. Deshalb sind Regelungen und klare Betriebsvereinbarungen mit allen Akteuren des Themas mobiles Arbeiten zwingend notwendig. Die Revolution der geschäftlichen Anwendungen durch neue ITK- Möglichkeiten, besonders im mobilen Bereich berücksichtigt derzeit speziell bei Unternehmensanwendungen nicht die Evolution der Mitarbeiter! Arbeit entfernt sich nicht nur bei den Wissensarbeitern immer mehr vom Schreibtisch. Arbeits- und Freizeit wird fließend.

Mitarbeiter und Unternehmen müssen sich bewusst machen, auch bei mobiler Arbeit gilt das Arbeitszeitgesetz. Die Unternehmen und ihre Arbeitnehmer haben gemeinsam die Möglichkeit eine auf lange Sicht gesundheitsgefährdende Verhaltensweise zu begrenzen. Bei der Einführung von mobilen Arbeitsformen müssen vorab die Erwartungshaltungen beider Seiten abgeklärt werden. Einerseits die Anforderung der Unternehmen und auf der anderen Seite die Erholungsnotwendigkeit der Beschäftigten. Es muss allen Seiten klar sein, auch neue Arbeitsformen werden keine perfekte Balance zwischen Arbeit und Leben sein.

Wie sieht es derzeit zum Thema in den deutschen Unternehmen aus?

Eine weitere Befragung, die dieses unterstützt, wurde innerhalb der Zielgruppe von Männer zwischen 18 bis 34 Jahren, die mit Kindern unter 18 Jahren im selben Haushalt leben (Generation Mobile) von MobileIron durchgeführt und ergab, dass die Vermischung von Arbeits- und Privatleben durch den Einsatz von Smartphones und Tablets bei der Mehrheit der Arbeitenden "moralisches Unbehagen" erzeugt.

Erste Anzeichen eines verantwortungsvollen Umgangs mit den mobilen Möglichkeiten zeigen sich bereits bei der Generation Y:

Handystapeln - eine neue Kultur der Digital Natives

Wenn man in einer Kneipe beisammensitzt, wird aus den Smartphones ein Stapel gebildet und wer der Erste ist, der vor der Auflösung der Runde sein Smartphone an sich nimmt um einen Anruf zu beantworten oder Soziale Netzwerke zu checken, der bezahlt eine Runde.

Die weltweite Lebenserwartung wird bis 2020 um ein halbes Jahr ansteigen. Nicht zuletzt durch die Nutzung sogenannter Wearables die als Uhr, als Datenbrille, oder direkt in der Kleidung getragen werden. In Kombination mit anderen Geräten und Systemen werden sie in Zukunft auch in Unternehmen eingesetzt und damit die Ergonomie beim mobilen Arbeiten verbessern. Weiterführend können solche Möglichkeiten auch für die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit eingesetzt werden. Sei es um den Fitnesszustand der Mitarbeiter zu kontrollieren oder als Frühwarnsystem für eventuelle Krankheiten.

Der Autor mit Datenbrille
Foto: Detlef Persin

Der demographische Wandel wirft seine Schatten voraus

Die ersten Mitglieder der Generation Y, auch Generation Diva oder Digital Bohéme genannt, sind bereits in den Führungspositionen angekommen und werden uns kurzfristig folgende Fragen in der Praxis beantworten: Wer ist diese Generation Y und was erwartet sie? Besonders neue Co-working Konzepte werden für sie durch mobile Technologien reizvoll. Dabei stellt sich die Frage: »Werden sich zukünftig die Unternehmen anpassen - oder werden die Digital Natives sich anpassen?

Fazit

Weitere neue Herauforderungen werden sich aus dem Zusammenspiel zwischen Mitarbeitern und Kunden und auch zwischen Mensch und Maschine abspielen.

Entscheidend wird auf alle Fälle eine ganzheitliche, fördernde Unternehmenskultur sein die diese Komplexität der neuen Arbeitswelt weder vom Management noch von den Beschäftigten blockiert. In den digitalisierten und vernetzten Unternehmen der nahen Zukunft werden die Mitarbeiter die digitale Transformation immer mehr in ihre Arbeitswelt integrieren müssen. Auch Mittelstandsunternehmen müssen sich schon heute mit den Veränderungen und Konsequenzen der digitalen Transformation und den daraus resultierenden Veränderungen in der Arbeitswelt auseinandersetzen.

Die Digitalisierung der Unternehmen wird auch eine große Chance für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und einer maximalen Mitarbeiterzufriedenheit eröffnen. Sie ist nicht mehr aufzuhalten, denn die Entwicklungen der ITK-Branche und sowie der Berufseinstieg und -aufstieg der Generation Y unterstützen diesen Wandel.

Diesem folgend gibt es derzeit so gut wie keine Firmensoftware die nicht auch eine mobile Variante beinhaltet und die Einführung der Industrie 4.0 in Begleitung mit dem Internet der Dinge steht bereits vor der Tür. Durch die weltweite Vernetzung der Unternehmen und Produktionen wird eine sieben Tage / vierundzwanzig Stunden Arbeitsbereitschaft bei vielen Arbeitnehmern vorausgesetzt werden. Die Freizeit der Arbeitnehmer wird sich dadurch flexibler gestalten müssen. Auch hier muss ein verstärktes Augenmerk auf eine planbare und für Unternehmen und Mitarbeiter angemessene Arbeitszeit innerhalb der neuen Flexibilitä« gelegt werden. Internationale DAX 30 Konzerne gehen dabei schon einen großen Schritt voraus. Derzeit folgt auch der deutsche Mittelstand schrittweise dem Druck des internationalen Wettbewerbs. Dabei darf neben der technischen Entwicklung, parallel die Anpassung der Unternehmensorganisation und entsprechender Führungs-Skills auf allen Managementebenen nicht aus dem Fokus verloren werden. (bw)