Bewerben für Einsteiger

Wunschgehalt im Anschreiben nennen

30.08.2014 von Bernhard Kuntz
Wenn Stellensucher ihre Gehaltsvorstellung nennen sollen, geraten sie meist unbegründet ins Schwitzen. Mit dieser Frage wollen Unternehmen in der Regel checken, ob der Bewerber seinen Marktwert realistisch einschätzt.

"Bitte senden Sie Ihre Bewerbung mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung an: ..." Dieser Satz steht am Ende vieler Stellenanzeigen und bringt Bewerber regelmäßig ins Schwitzen, weiß Klaus Scholbeck, Vergütungsexperte bei der Personalberatung Conciliat, Stuttgart. Kaum haben sie den Satz gelesen, beginnt in ihrem Kopf ein Karussell zu kreisen: "Soll ich ein eher hohes Gehalt nennen, um Selbstbewusstsein zu zeigen? Oder katapultiere ich mich damit aus dem Bewerbungsrennen?" Wenn sie auf diese Frage keine befriedigende Antwort finden, gehen Bewerber auf die in der Stellenanzeige formulierte Bitte oft überhaupt nicht ein.

Das ist laut Scholbeck die "falscheste Reaktion", und führt dazu, dass die Bewerbungsunterlagen unvollständig sind. Als Folge beginnt nun bei den Personalverantwortlichen das Kopfkarussell zu kreisen: "Warum nennt der Bewerber keine Zahl? Kann er seinen Marktwert nicht einschätzen? Wie reagiert er sonst auf Wünsche? Negiert er diese ebenfalls?"

Scholbeck rät im Anschreiben beispielsweise durch Nennung des aktuellen Jahresgehalts zumindest zu signalisieren, dass man den Unternehmenswunsch registriert hat. Besser ist es aber, sich im Vorfeld zum Beispiel bei Personen, die eine vergleichbare Position haben, darüber zu informieren, was eine angemessene Forderung ist.

Firmen erwarten früher oder später eine Antwort

Das tun die meisten qualifizierten Bewerber, berichtet Maike Unger, Personalreferentin beim Versicherungskonzern Allianz Deutschland. Dort bittet man zum Beispiel die Hochschulabsolventen, die sich für ein Trainee- oder Vorstandsassistenten-Programm bewerben, stets, auch ihre Gehaltsvorstellung zu nennen. "Wir wollen, dass die Bewerber sich mit der Frage befassen, welches Gehalt bei vergleichbaren Positionen üblich ist und sich eine eigene Meinung bilden", erklärt Unger. Fast alle Bewerber gehen auf diesen Wunsch ein. Wenn ein Bewerber dies nicht tut, wird er in der Regel in dem Telefoninterview, das sich meist an das erste Sichten der Bewerbungsunterlagen anschließt, nach seiner Gehaltsvorstellung gefragt.

Was verdienen Hochschulabsolventen?
Frisch von der Uni, keine Ahnung vom Gehalt
Die Managementberatung Kienbaum hat in der Studie "Absolventenvergütung 2014" 656 Unternehmen befragt, wie viel Gehalt sie ihren Berufsanfängern zahlen. Wenn es nach dem Studiengang geht, ist recht eindeutig, was man studieren sollte:
Junge Juristen verdienen ...
als Einstiegsgehalt im Jahr.
Natürlich gibt es hier noch Luft nach oben und nach unten. Wer in einem Unternehmen in der Rechtsabteilung arbeitet, verdient im Schnitt 48 800 Euro Einstiegsgehalt.
Naturwissenschaftler haben am Jahresende ...
... eingeheimst - und das in ihrem ersten Berufsjahr.
Ein Ingenieur kommt auf ...
... Einstiegsgehalt, frisch von der Uni.
Wer dann in die Forschungs- und Entwicklungsabteilung geht, kann dort mit 46 000 Euro im ersten Jahr rechnen. Dasselbe bekommen dort natürlich auch andere Studiengänge, wie etwa junge ITler.
Ein junger Informatiker verdient ...
... in IT-Abteilungen von Anwenderunternehmen.
Damit gehören Informatiker zu den Absolventen, die von Anfang an überdurchschnittlich bezahlt werden.
Absolventen in Kunst und Design kommen nur auf ...
... im Jahr als Einstiegsgehalt.
Damit stehen Kunst-und Designstudenten auf der Gehaltsliste ganz unten. Nicht nur die Studienrichtung, auch der akademische Grad wirken sich auf das Gehalt aus.
So ein Doktortitel lohnt sich einfach:
Unternehmen mögen Absolventen mit einem höheren akademischen Abschluss und honorieren die Arbeit.
... verdient, wer promoviert hat im ersten Jahr des Berufslebens.
Bachelor-Absolventen liegen da weit zurück:
... machen sie in ihrem ersten Jahr.
Dafür sind die Bachelor-Absolventen viel jünger als ihre promovierten Kollegen - nur nicht neidisch werden!
Wer wegen eines Master-Abschlusses länger büffelt, hat's gut:
... kassieren Absolventen mit Master.
Damit verdienen sie aber nur unwesentlich mehr als ihre Bachelor-Kollegen. Ob sich der Master also finanziell lohnt, muss letztlich jeder selbst wissen. Wer seine Fachrichtung schon gefunden hat, aber noch nicht weiß, in welche Richtung er später beruflich gehen will, für den hat die Kienbaum-Studie auch ein paar Zahlen parat.
Wo arbeitet es sich lukrativsten?
Die Branche kann, unabhängig vom Abschluss selbst, entscheidend sein für das Einstiegsgehalt.
In der Beratung lässt sich am meisten abgreifen:
... winken als Einstiegsgehalt.
Oft haben Berater Jura oder Wirtschaftswissenschaften studiert - aber auch als Informatiker oder gar Germanist kann man dort unterkommen.
Auch Wirtschaftsprüfer können nicht meckern.
... gibt es für die harte Arbeit allein im ersten Jahr.
Wer im Handel tätig ist, verdient schlecht:
... bekommt ein Absolvent im Schnitt als Einstiegsgehalt.
Ein Informatiker oder Wirtschaftswissenschaftler sollte sich also genau überlegen, ob er im Handel tätig sein will - finanziell ist das Einstiegsgehalt überschaubar.
Die Kreativen in der Medienbranche haben am Jahresende ...
... verdient als Einstiegsgehalt und arbeiten in der am schlechtesten zahlenden Branche.
Eine dritte Entscheidungshilfe gibt die Kienbaum-Studie außerdem: Wer als Einstiegsgehalt zu wenig bekommt, kann ja immer noch auswandern. Zum Beispiel....
... in die Schweiz?
... gibt es im ersten Jahr nach Abschlusszu verdienen.
Allerdings sind auch die Lebenshaltungskosten deutlich höher - insofern nivelliert sich der Gehaltsvorteil schon wieder.
Solange man nicht nach Österreich geht. Nur.
... gibt es im Nachbarland im Schnitt.
Gehaltstechnisch sind Jungakademiker dort also nicht sonderlich gut bedient. Das wäre aber auch der einzige Grund, dort nicht hinzuziehen.

Ähnlich agieren die meisten Unternehmen. Nennt ein interessanter Bewerber seinen Gehaltswunsch nicht, muss er spätestens im Bewerbungsgespräch eine Zahl nennen. "Warum diese also nicht gleich im Bewerbungsschreiben nennen und so verhindern, dass man beim Sichten der Unterlagen einen Minuspunkt erhält?", fragt Scholbeck. Die Angst, bei einem zu hohen Betrag aus dem Rennen zu fliegen, ist ohnehin meist unbegründet.

Das Gesamtpaket entscheidet

"Die Bewerber für unser Trainee- und Vorstandsassistenten-Programm nennen tendenziell eher ein zu hohes Gehalt." berichtet Maike Unger von der Allianz. Eine Absage erhalten sie deshalb nicht. Gerade Top-Bewerber pokern oft bewusst etwas hoch, um Selbstbewusstsein zu signalisieren und Verhandlungsspielraum zu schaffen. Das wissen auch die Personaler in den Unternehmen. Außerdem: Ob sich ein Bewerber letztlich für die Allianz entscheidet, hängt nicht davon ab, ob das Unternehmen ihm im Monat 200 Euro mehr oder weniger bezahlt. "Entscheidend ist das Gesamtpaket, das die Allianz dem Bewerber bietet und die Entwicklungsperspektiven, die er in unserem Unternehmen sieht."

Ähnlich äußern sich Vertreter kleinerer Unternehmen - zum Beispiel Rudolph Welcker, Geschäftsführer der Weseler Teppich GmbH, die Teppichböden produziert und vertreibt. Welcker fragt in Stellenanzeigen nie nach der Gehaltsvorstellung der Bewerber, sondern stellt diese Frage beim ersten Treffen. Dann erwartet er eine Antwort, die zeigt, dass der Bewerber seinen Marktwert realistisch einschätzt. Realistisch heißt, dass die Gehaltsvorstellung der Qualifikation und vakanten Stelle "angemessen" sein muss. Ist dies nicht der Fall, fliegt der Bewerber in der Regel aus dem Rennen. Ist die Vorstellung hingegen einigermaßen realistisch, dann notiert sich Welcker diese zunächst - ohne Kommentar. Das heißt, das Auswahlverfahren wird fortgesetzt. Nach dem ersten Bewerbungsgespräch folgt meist noch ein zweites und drittes, bis das Unternehmen sicher ist, die richtige Person gefunden zu haben. Erst dann unterbreitet Welcker dem Bewerber ein Gehaltsangebot - "und dieses ist zuweilen höher als der Gehaltswunsch, den der Bewerber formulierte".

Die Gehaltsvorstellung muss "angemessen" sein

"Wenn Unternehmen nach der Gehaltsvorstellung fragen, geht es ihnen meist nicht um den konkreten Betrag", betont Vergütungsexperte Scholbeck. Sie wollen vielmehr eine Art "Hausnummer" wissen, aus der hervorgeht: ob der Bewerber seinen Marktwert realistisch einschätzt.

Unangemessen wäre es zum Beispiel, betont Uwe Goldschmidt, Key-Account-Manager bei der Werbeagentur Creativteam, Hannover, wenn ein frischgebackener Grafiker ein Jahresgehalt von 60.000 Euro fordern würde. "Denn dies ist eher das Gehalt eines Art-Directors mit mehrjähriger Berufserfahrung."