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Workshop - Debian 6 übers Netzwerk installieren und einrichten

03.05.2011 von Thomas Hümmler
Debian 6 bietet erstmals einen völlig offenen Linux-Kernel sowie proprietäre Firmwaredateien in separaten Paketen, die jetzt in einem non-free-Bereich zur Verfügung stehen. TecChannel zeigt, wie Sie mithilfe einer Netzwerkinstallation Debian 6 als Serverbetriebssystem vorbereiten.

Jede neue Version eines Betriebssystems sollte man erst einmal die anderen installieren lassen. Das gilt für Windows genauso wie für Linux. Denn anfangs werden schnell noch Fehler gefunden, manchmal gravierende. Davor ist auch Debian GNU/Linux 6 nicht gefeit, obwohl es als eine der stabilsten Linux-Distributionen gilt. Seit Ende März gibt es nun die fehlerbereinigte Version 6.0.1a - und damit endlich auch eine gesunde Basis für ein Debian-Serversystem. Debian 6 - auch "Debian Squeeze" benannt nach den dreiäugigen Gummi-Aliens aus dem Film "Toy Story" - bietet dem Nutzer mehr als 29.000 freie Softwarepakete.

Auswahl: In die Datei /etc/apt/sources.list tragen Sie die Non-free-Bereiche als zusätzliche Paketquellen ein.

Zum ersten Mal liefert das Projekt nun auch einen vollständig freien Linux-Kernel 2.6.32 aus - das bedeutet, proprietäre Linux-Firmware-Dateien wurden in separate Pakete ausgelagert. Der Benutzer findet sie nun auch nicht mehr im "Debian-main-Archiv"; stattdessen haben die Entwickler die nicht quelloffenen Pakete in den non-free-Bereich verlagert. Der muss, um genutzt zu werden, nachträglich als Archiv aktiviert werden. Dazu editiert der Administrator die Datei /etc/apt/sources-list und fügt den non-free-Bereich in die Zeilen

deb http://ftp.de.debian.org/debian/ squeeze main non-free,

deb http://security.debian.org/ squeeze/updates main non-free oder

deb http://ftp.de.debian.org/debian/ squeeze-updates main non-free

ein. Falls bereits während der Installation Firmware-Dateien benötigt werden, können diese, wie aus früheren Versionen gewohnt, nachgeladen werden. In diesem Workshop zeigen wir, wie Sie die aktuelle Debian-6.0.1a-Distribution mittels der Netzwerkinstallationsversion schnell und problemlos einrichten.

Freie Auswahl für unterschiedliche Einsatzzwecke

Das Debian-Betriebssystem gibt es derzeit für neun verschiedene Rechnerarchitekturen vom Palmtop bis zum Supercomputer. Debian 6 bietet darüber hinaus zwei Portierungen als sogenannte Technologievorschau mit einem FreeBSD-Kernel an. Dies sind die ersten Portierungen innerhalb einer Debian-Veröffentlichung, die nicht auf dem Linux-Kernel basieren. Die Entwickler haben sich dafür entschieden, weil FreeBSD allgemeine Serversoftware "sehr stark" unterstütze und die Debian-Funktionalitäten "mit einzigartigen Merkmalen aus der BSD-Welt" kombiniere. Allerdings werden in dieser ersten BSD-Portierung zum Beispiel einige erweiterte Desktop-Funktionen noch nicht unterstützt.

Wer hingegen weiterhin auf den Linux-Kernel setzt, hat auch auf den Clients eine reiche Auswahl an GUIs: Debian 6 enthält den KDE-Plasma-Desktop in der Version 4.4.5 ebenso wie GNOME 2.30, Xfce 4.6 und LXDE 0.5.0. Für die tägliche Office-Arbeit sind OpenOffice.org 3.2.1, GIMP 2.6.11, Iceweasel 3.5.16 (markenfreie Version von Mozilla Firefox) und Icedove 3.0.11 (markenfreie Version von Mozilla Thunderbird) enthalten. Entwickler können nun mit GNU Compiler Collection 4.4.5, OpenJDK 6b18, Perl 5.10.1, PHP 5.3.3 oder Python 2.6.6, 2.5.5 und 3.1.3 programmieren. Serveradministratoren finden eine reiche Auswahl für unterschiedliche Einsatzzwecke, unter anderem:

• die Datenbanken PostgreSQL 8.4.6 und MySQL 5.1.49,

• den Webserver Apache 2.2.16,

• den Windows-Share-Server Samba 3.5.6,

• den Kommunikationsserver Asterisk 1.6.2.9,

• das Monitoring-Tool Nagios 3.2.3,

• den Xen Hypervisor 4.0.1 und

• den Java-Servlet-Container Tomcat 6.0.18.

Ähnlich wie schon Ubuntu bootet nun auch Debian schneller. Dank eines abhängigkeitsbasierten Boot-Systems läuft der Systemstart schneller ab - und auch robuster, wie die Projektverantwortlichen mitteilen. Möglich wird das aufgrund paralleler Ausführung von Boot-Skripten und korrekt festgelegter Abhängigkeiten zwischen diesen Skripten.

Angepasste Debian Distributionen

Pure Blends heißen ab der neuen Debian-Version die angepassten Debian-Distributionen. Zu den bisherigen Spezialdistributionen Debian Edu, Debian Med und Debian Science sind weitere hinzugekommen wie Debian Multimedia für die speziellen Anforderungen an Multimedia-Rechner. Die neuen Blends sind aus vorhandenen Projekten entstanden, wie etwa Debian GIS, an dem schon seit 2004 gearbeitet wird. Debian GIS - GIS steht für Geographic Information Systems - enthält unter anderem vorbereitete Installationsgruppen (sogenannte Tasks) mit Debian-Paketen für GPS-Geräte und -Daten, OpenStreetMap, SAR und Erdbeobachtung.

Die Mischung macht’s: Debian GIS ist eine eigenständige Distribution mit Software für Geoinformationsdatenverarbeitung.

Außer mit den Pure-Blend-Distributionen glänzt Debian auch in der neuen Version wieder mit Multi-Architektur-CDs und -DVDs für die Architekturen amd64 und i386. Diese ermöglichen von nur einem Medium die Installation auf sämtlichen x86-Rechnern sowie allen 64-Bit-PCs mit AMD-CPUs mit AMD64-Erweiterung und allen Intel-CPUs mit EM64T-Erweiterung und einer gemeinsamen 64-Bit-Benutzerumgebung. Darüber hinaus gibt es nun auch Live-Images für CDs, USB-Sticks und Netz-Boot-Installationen. Diese Images können - wie in anderen Distributionen auch - für die reguläre Installation von Debian GNU/Linux verwendet werden.

Als Dateisysteme werden mit Debian 6 nun auch ext4 und Btrfs unterstützt. Die Variante mit FreeBSD-Kernel nutzt ZFS, das Zettabyte-Dateisystem. Upgrades laufen zumeist reibungslos, und die meisten Konfigurationen werden automatisch vom apt-get-Paketverwaltungs-Tool abgewickelt. Wo es Schwierigkeiten geben könnte, ist im Installationshandbuch unter http://www.debian.org/releases/squeeze/installmanual festgehalten.

Einfache Netzwerkinstallation

Wer zum ersten Mal Debian installieren will, ist nach dem ersten Besuch der Seite http://www.debian.org/releases/stable/debian-installer/ zunächst vielleicht verwirrt ob der verschiedenen Installationsarten: Es gibt vollständige Sätze für CD (52 Medien), DVD (acht Medien) und Blu-ray (zwei Medien), es gibt Images für Netzwerk-Boot, USB-Stick oder CD, es gibt die kleinen Images mit 20 bis 50 MByte für visitenkartengroße CDs, und es gibt Images mit 135 bis 180 MByte Größe für die Installation via Internet. Wer zum Beispiel eine IBM S/390 mit Debian bestücken will, macht das entweder mit CD- oder DVD-Medien oder von einem IPL-Tape (IPL = Initial Program Load) aus. Alle anderen sollten nach Möglichkeit die Netzinstallation nutzen. Denn die ist je nach Architektur nur zwischen 135 und 180 MByte groß und enthält lediglich das Wichtigste für ein funktionierendes Basissystem; der Rest an Software wird über das Internet nachgeladen.

Das soll erst mal einer nachmachen: Es gibt kaum eine Distribution, die für so viele Rechnerarchitekturen ausgelegt ist wie Debian GNU/Linux.

Falls noch nicht entsprechend vorbereitet, muss im Rechner-Bios das Booten von CD/DVD vor dem Booten von Festplatte stehen. Anschließend wird der Rechner von der Netzinstallations-CD gestartet. Das Installationsmenü ist mit vier Einträgen sehr übersichtlich - die Installation gibt es einmal im Text-, einmal im Grafikmodus. Über die Advanced options kann der Expertenmodus gestartet oder eine andere Desktop-Umgebung ausgewählt werden. Im Normalfall sollte der Install-Befehl gute Dienste leisten.

In der geführten Installation muss der Anwender zunächst Sprache, Standort und Tastaturbelegung auswählen. Anschließend werden das CD- oder DVD-Laufwerk eingebunden, die Komponenten des Installationsprogramms geladen sowie die Netzwerkkarten und -hardware wie zum Beispiel ein DHCP-Server erkannt. Danach will der Installer das Netzwerk einrichten. Geben Sie zuerst einen Namen ein, mit dem der Computer im Netzwerk identifiziert werden soll. Im folgenden Dialog nennen Sie den Domainnamen, also den Teil einer E-Mail-Adresse nach dem @-Zeichen. Haben Sie keinen DHCP-Server im Netz, müssen Sie IP-Adresse, Netzmaske, Gateway und DNS-Server angeben. Diese Angaben schreibt die Setup-Routine in die Datei /etc/network/interfaces.

Benutzer anlegen

Nach dem Netzwerk werden Benutzer und Passwörter angelegt. Als Erstes geben Sie ein Passwort für den Administrator Root ein. Dieses Passwort sollte schwer zu erraten sein, weil ein Benutzer mit Root-Rechten das gesamte System zerstören kann. Das Installationsprogramm empfiehlt, keine Wörter aus einem Wörterbuch zu nutzen und Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen zu mischen. Wechselnde Klein- und Großschreibung erschwert zusätzlich das Erraten des Passworts.

Kann später geändert werden: Das erste Benutzerkonto, das Sie während der Installation einrichten, können Sie später über die Systemverwaltung in Gnome leicht ändern.

Jetzt wird ein Benutzer angelegt. Auch Root sollte möglichst immer als normaler Benutzer arbeiten, so kann er nicht versehentlich wichtige Systemdateien ändern oder löschen. Zuerst müssen Sie den vollständigen Namen eingeben - Sonderzeichen und Umlaute erkennt das Setup-Programm. Der Name wird übrigens auch für E-Mail-Konten oder in Programmen verwendet, die den Benutzernamen anzeigen. Danach schlägt Debian einen Namen für das neue Benutzerkonto vor; abschließend müssen Sie für diesen Benutzer - wie vorher für Root - ein Passwort vergeben.

Festplatte partitionieren und LVM konfigurieren

Das Partitionieren der Festplatten erfolgte in früheren Versionen vor dem Anlegen eines Benutzers, ist nun aber im Anschluss zu erledigen. Das Partitionieren kann geführt oder manuell erfolgen; das Partitionsprogramm bietet folgende Optionen:

In vielen Fällen wählt man eine geführte Partitionierung. Der Benutzer muss dann lediglich die richtige Festplatte wählen und kurz darauf einen von drei Partitionierungsvorschlägen aussuchen:

Nach dem Partitionieren wird der Logical Volume Manager konfiguriert. Das geht ähnlich leicht von der Hand wie zuvor das Partitionieren der Festplatte. Es wird eine Startpartition mit dem Verzeichnis /boot eingerichtet, ferner eine lvm-Partition, in die der Auslagerungsspeicher und die Systempartition gemappt werden. Haben Sie alles zu Ihrer Zufriedenheit eingestellt, übernehmen Sie die Änderungen und lassen den Installer die Partitionen formatieren, bevor dann automatisch das Grundsystem installiert wird.

Paketmanager und Softwareauswahl

Wählen Sie im nächsten Bildschirm ein Land mit dem Spiegelserver und dann einen Server. Standardmäßig wird hier zunächst ein FTP-Server von debian.org ausgewählt, der im jeweils gewählten Land steht. Ein Text im Installationsprogramm weist aber darauf hin, dass ein Server im eigenen oder benachbarten Land nicht unbedingt die schnellste Verbindung garantiert. Das soll im Moment aber nicht weiter stören. Um später nach der Installation einen schnelleren Server zu finden, verwenden Sie das Paket apt-spy.

Wenn das Paketverwaltungs-Tool apt konfiguriert ist, kommt der Hauptteil: Sie wählen Software aus und installieren diese. Im ersten Schritt legen Sie fest, welche Software installiert werden soll. Voreingestellt sind hier Desktop-Umgebung und Standard-Systemwerkzeuge; diese Kombination erzeugt ein System mit insgesamt etwa 1100 Programmpaketen inklusive GNOME und OpenOffice. Die werden je nach Geschwindigkeit des Internetzugangs in einigen Minuten oder mehreren Stunden heruntergeladen und anschließend installiert und konfiguriert.

Fertig: Nachdem über 1100 Pakete aus dem Internet geladen wurden, läuft das Grundsystem mit GNOME.

Wollen Sie Debian als Serversystem nutzen, haben Sie ebenfalls reichlich Auswahl: vom Web-Server über Druck-Server, DNS-Server, Datei-Server und Mail-Server bis hin zum SSH-Server. Je nachdem, welchen Task Sie markieren, werden die entsprechenden Pakete mitinstalliert und -konfiguriert. Fürs Erste sollten Sie aber die beiden voreingestellten Standard-Tasks übernehmen und installieren. Sobald Sie auf Weiter drücken, werden die Pakete auf den Computer kopiert, die Installation vorbereitet und dann alle Pakete installiert und konfiguriert. Abschließend wird noch der Bootloader installiert; danach kann das neue System gestartet werden. Die CD-Schublade wird geöffnet, damit Sie das Installationsmedium entfernen können. Wenn Sie danach Weiter drücken, fährt Debian hoch, und Sie können sich am GNOME Display Manager anmelden.

Nach der Installation ist vor der Installation: Nachdem das Grundsystem läuft, können Sie mit tasksel Ihre Serveranwendungen ins System einspielen.

Nun können Sie auf einer Konsole mit dem Befehl

tasksel --list-tasks

die Server-Tasks noch einmal auflisten, mit

tasksel --task-packages TASKNAME

die Pakete eines Tasks abfragen und mit

tasksel install TASKNAME

einen gewünschten Task installieren, etwa file-server für NFS und Samba, print-server für CUPS und mail-server für Exim sowie Spamassassin. (hal)