Office, Intune und EMS

Wo Microsoft mit Mobile hin will

13.02.2016
Die eigenen Apps auf konkurrierende Mobile-Plattformen zu bringen war nur der Anfang: Jetzt, wo Unternehmen diese verwalten müssen, hofft Microsoft ihnen dabei behilflich sein zu dürfen.

Auf den ersten Blick erscheint Microsofts Strategie im Mobile-Umfeld bruchstückhaft. Auf der einen Seite hat sich Windows 10 dahin entwickelt, dass es sowohl PCs, Tablets und hybride Geräte unterstützt - solche von Drittanbietern wie auch die Microsoft-eigenen Devices Surface Pro und Surface Book. Und trotz eines winzigen Marktanteils investiert die Company weiter in die Weiterentwicklung von Windows Phone, nämlich das Betriebssystem und die Hardware, wobei einige Geräte nun auch als ultraportable PCs funktionieren können.

Gleichzeitig, nachdem die Company Jahre lang rivalisierende Plattformen gemieden hatte, bemüht sich Microsoft aggressiv, seine Software auf iOS- und Android-Devices zu bringen. Begonnen hatte dieser neue Schachzug vor etwas weniger als zwei Jahren mit der Vorstellung der wichtigsten Office-Apps (Word, Excel und Powerpoint) für das iPad. Mittlerweile weitete sich die Portierung auf eine Vielzahl von Anwendungen wie Outlook, OneNote und Office Lens aus. Die jüngste Ergänzung "Microsoft Apps", im Wesentlichen ein Katalog der für Android verfügbaren Apps, ist möglicherweise der erstaunlichste Schritt für Microsoft. Eventuell aber auch der signifikanteste.

Microsofts Zug Richtung konkurrierende Mobile-Plattformen stellt eine deutliche Verschiebung der ausgeübten Taktik noch vor wenigen Jahren dar. Als Windows Phone vorgestellt wurde, bot die Plattform die einzige Möglichkeit, Office auf Smartphones zu nutzen. Dann wartete die Company solange damit, Office auch für andere Plattformen verfügbar zu machen, und öffnete damit einer Reihe von Alternativen Tür und Tor. Selbst der erste Vorstoß mit Office für iOS - eine ziemlich anämische iPhone-App - schien eine deutliche Message zu senden: Wer eine wirklich funktionierende mobile Version von Office möchte, muss Windows Phone (oder später Windows 8) kaufen.

Dann trat CEO Steve Ballmer zurück und machte Platz für Nachfolger Satya Nadella und dessen Vision "Mobile First, Cloud First". Das war der Wendepunkt in Microsofts Ansatz zum Thema Mobile. Nadellas Ziel, Office auf jedes mögliche Gerät zu bringen, machte aus einem sehr guten Grund Sinn - es war klar, dass Office Gefahr lief, in den meisten Unternehmen durch eine andere Lösung ersetzt zu werden, wenn Microsoft nichts unternimmt.

Eine größere Strategie als Office

Sicherzustellen, dass Office und Office-365 eine Zukunft haben, war entscheidend für Microsoft. Die Fähigkeit des Unternehmens, jeden Aspekt des Enterprise Computing zu beherrschen, war im Mobile-Bereich gleich in mehrerlei Hinsicht untergraben worden: durch den Erfolg von iOS, die wachsende Akzeptanz der IT gegenüber Android, neue Plattformen wie Chrome OS, und die Verlagerung bei Technologie Entscheidungsfindungen weg von der IT-Abteilung dank BYOD. Diese Erkenntnis und Nadella Aufstieg brachten Microsoft dazu, sich darauf zu konzentrieren, wie man die Bedeutung im Office aufrechterhalten oder vielleicht sogar erweitern kann.

Das ist sicherlich eine Strategie des Unternehmens im Mobile-Bereich, allerdings nicht der einzige. In vielerlei Hinsicht handelt es sich dabei wahrscheinlich nur um einen Teil der Gesamtstrategie des Unternehmens, wenn es um Enterprise-Computing geht.

Microsoft und EMM

Der andere Teil des Puzzles dreht sich um Microsofts Pläne im Bereich Enterprise Mobility Management (EMM). EMM-Lösungen ermöglichen es Unternehmen, mobile Geräte, Anwendungen, Dienste und Daten zu verwalten und abzusichern. Anfänglich konzentrierten sich diese Produkte und Dienstleistungen auf die Absicherung der Geräte selbst, indem Features deaktiviert, Passwörter erzwungen und verlorengegangene oder kompromittierte Devices gesperrt und gelöscht werden. Mit der Fortentwicklung der mobilen Plattformen wurden die Mobile-Management-Fähigkeiten um die Möglichkeit, Apps und Inhalte zu verwalten, beziehungsweise abzusichern (Copy&Paste-Sperre, Trennung von privaten und geschäftlichen Daten etc.) erweitert. Heute haben IT-Abteilungen Zugang zu einem robusten Set an Security- und Verwaltungskontrollen, die eine Reihe von granularen Bedürfnissen erfüllen.

Die meisten der Steuerelemente, die EMM-Anbieter der IT zu implementieren bereitstellen, kommen direkt von den Herstellern von mobilen Plattformen, also im Wesentlichen Apple und Google. Einige Hersteller wie Samsung bieten darüber hinaus noch eigene zusätzliche Sicherheitsoptionen. Die meisten EMM-Hersteller offerieren dabei ein ähnliches Set an Kernfunktionalitäten. Durch Partnerschaften mit Software-Anbietern oder eigene Software, die auf den Geräten installiert wird, können sie jedoch die Management-Funktionen zu einem gewissen Grad erweitern. Die Grundfunktionen jedoch kommen weiterhin vom Betriebssystem selbst.

Virtueller Ritterschlag: 2015 nahm Gartner Microsoft mit EMS als Visionär in den Magic Quadrant EMM auf.
Foto: Gartner

Mit Intune nimmt Microsoft einen besonderen Platz in der EMM Landschaft ein. Das System erlaubt es IT-Abteilungen nicht nur, Windows-Geräte zu verwalten, sondern positioniert sich auch als EMM-Lösung für iOS und Android-Devices. Das macht Microsoft zu einem Konkurrent der wichtigsten EMM-Anbieter, also etwa die VMware-Tochter AirWatch, Citrix, Good Technology (Blackberry) und MobileIron.

Zusätzlich zu Intune selbst bietet Microsoft die Enterprise Mobility Suite (EMS) an. Diese enthält neben Intune noch eine Reihe anderer Services wie Advanced Azure Active Directory (für die Integration von Single Sign-On für die Cloud) und Azure Rights Management (Sicherung von Unternehmensinhalten über einzelne Geräte hinweg). Obwohl dies Microsoft einen gewissen Vorsprung gibt, bieten andere EMM-Anbieter ähnliche Funktionalitäten an - im Alleingang oder durch Partnerschaften.

In den zwei Jahren, seit Microsoft EMS eingeführt hat, hat das Unternehmen die Suite parallel zu seinen Anstrengungen, seine mobile Präsenz auf anderen Plattformen auszuweiten, weiterentwickelt. Als Ergebnis sind Intune und EMS nun für viele Unternehmen praktikable Möglichkeiten, wenn sie auch häufig an etablierteren EMM-Anbietern aufgrund von Faktoren wie Zusatzfunktionen, Support-Services und Bundles aus EMM-Features mit anderen Enterprise-IT-Lösungen (Citrix und VMware sind gute Beispiele dafür) festhalten. Allein genutzt, bietet Intune einen bemerkenswerten Vorteil: ein schlankeres Set an Verwaltungs-Tools, die geräteübergreifend agieren - also eine "einzige Management-Konsole" erlauben - und sich gut in den System Center Configuration Manager (SCCM) integrieren lassen.

Office und Intune

Office und Intune/EMS erscheinen wie zwei komplett unterschiedliche Abteilungen von Microsoft, aber sie sind eng miteinander verbunden. So hat Microsoft seine eigene Sammlung von Intune Mobile Application Management (MAM) Richtlinien erstellt, um Administratoren die Möglichkeit zu geben, die Funktionalität der unterstützten Anwendungen zu verändern oder zu beschränken.

Diese Richtlinien können eher auf Apps als auf Devices angewendet werden. Obwohl sich einige dieser Policies auf die im Betriebssystem eingebauten EMM-Fähigkeiten stützen, kann Microsoft - und hat dies mit Outlook und dessen bedingten Zugriff (conditional access) zu einem gewissen Grad bereits getan - effektiv Richtlinien erstellen, die App--oder Office-365-spezifisch sind.

Das Potenzial liegt für Microsoft darin, die Management-Fähigkeiten für seine eigenen Anwendungen deutlich zu erweitern und zwar außerhalb der Frameworks für die mobilen Betriebssysteme, auf denen die Apps laufen. Es ist nicht schwer zu sehen, dass Microsoft dies als einen Wettbewerbsvorteil nutzt, indem es Steuerungen in die wichtigsten Business-Anwendungen einbaut, die nur seine Lösungen verwalten können.

Bisher scheint Microsoft EMS als Konkurrenz zu anderen EMM-Produkten und als ergänzende Lösung zu bewerben. Wenn die Company aber weitere Kontrollen in der Apps einbaut, die nur ihr Angebot verwalten kann, könnte sie sich in eine interessante Position bringen. Microsofts neue Story für Unternehmen lautet: Ihr könnt Euch auf andere EMM-Anbieter für eine Reihe von Mobile-Management-Features verlassen, während Ihr Intune/EMS in Eueren Management-Stack integriert - neben Intune und SCCM für die PC-Verwaltung.

Eine mobile Plattform über den anderen Plattformen

Bemerkenswert an Microsofts Ansatz ist, dass das Unternehmen im Wesentlichen eine Enterprise-Mobility-Plattform auf die Plattformen der Konkurrenz baut. Indem die Company ein solides Set an Apps für iOS, Android und Windows schafft und die Möglichkeit bietet, diese mit einer einzigen Lösung zu verwalten - egal, auf welchen Geräten sie laufen und welche anderen Management-Lösungen genutzt werden, schafft Microsoft gleiche Voraussetzungen für die Unternehmen und IT- Abteilungen. Dies ist ein Ansatz, der die Fragmentierung der verschiedenen Plattformen (und sogar mehrere Versionen einer einzigen Plattform wie Android) in einer bestehenden Umgebung effektiv adressieren könnte.

Gibt man nun alles in ein einzelnes Werkzeugset von einem einzigen Anbieter werden die Dinge für die IT und die IT-Einkäufer sogar noch weiter vereinfacht. Das heißt nicht, dass sich Unternehmen ausschließlich auf Microsoft-Lösungen verlassen sollten. Es kann gut sein, dass einige der von anderen EMM-Firmen angebotenen zusätzlichen Funktionen, die Benutzerfreundlichkeit, die Services, , Bündeln oder Integrationen von Drittanbieter-Lösungen eine bessere Option darstellen. Aber es macht Microsoft zu einem Player in dem Spiel.

Dominanz, Relevanz, oder etwas dazwischen?

Was ist Microsofts finales Ziel? Bislang gibt es dafür noch keine klare Antwort. Aber Microsoft stellt sicher, dass die Company weiterhin von großer Bedeutung bleibt, während sich das Thema Enterprise Computing vom PC zu einer mobilen Multi-Plattform-Realität hinbewegt. Dafür zu sorgen, dass Office ein wichtiger Teil der Gleichung bleibt, wird äußerst wichtig für Microsoft sein - sogar wenn das Unternehmen nicht die einzelnen Plattformen besitzt. Und andere Management-Tools sind ebenfalls Teil dieser Gleichung.

Sicherlich könnte Microsoft diesen Ansatz nutzen, um mehr Einfluss im Enterprise-Mobility-Markt auszuüben. Wenn die Company etwa die Funktionalität von Office auf dem Smartphone so erweitert, dass Microsoft-Werkzeuge für die Verwaltung erforderlich sind, würde das Unternehmen eine erhebliche Hebelwirkung im EMM-Markt erzielen.

Es gibt aber keine Garantien. Microsoft muss sich daher auf die mobilen Plattformen, auf denen Office läuft, verlassen. Wenn es die Company zu weit treibt, vor allem, indem sie gegen die Richtlinien für Entwickler verstößt, könnten Apple und Google zurückschlagen und sogar die Aufnahme zukünftiger Versionen von Office-Anwendungen in den App Store oder Google Play verweigern. Von den beiden Plattformbetreibern tendiert eher Apple dazu, Grenzen zu setzen, wenn Microsoft damit beginnt, dessen iOS-Management-Framework weiträumig zu umgehen. Angesichts der Tatsache, dass iOS derzeit die Unternehmensmobilität dominiert, wäre dies eine große Herausforderung. Andere EMM-Anbieter, insbesondere diejenigen, die zusätzlich zum mobilen Management komplette Unternehmens-IT-Stacks bieten, könnten außerdem Microsofts Einfluss ausgleichen.

Eine weniger von Monopolgedanken geprägte Möglichkeit ist, dass Microsoft einfach sicherstellen will, dass es bei der künftigen Gestaltung von Mobilität mitredet, insbesondere im Enterprise-Umfeld. Das Unternehmen stand kurz davor, diese Gelegenheit zu verlieren - mit dem verspäteten Release von Windows Phone (zusammen mit dem anfänglichen Fehlen jeder EMM-Funktionalität oder einer Integration mit den wichtigsten Unternehmenssystemen, einschließlich Exchange), den negativen Reaktionen auf Windows 8 und der Entscheidung, Office über lange Zeit seinen Konkurrenten vorzuenthalten.

Der Umstand, dass Apple und Google sowohl das Consumer- wie auch das Enterprise-Segment im Mobility-Bereich beherrschen - und das in einer Zeit sinkender PC-Verkäufe - stellt ein existenzielles Dilemma für Microsoft dar. Sicherzustellen, dass er weiterhin beim Thema Technologie mitredet, insbesondere im Business, ist für den Softwareriesen genauso wichtig wie, dass seine Produkte weiterhin genutzt werden. Und das ist genau, wohin sich Microsoft aktuell hinzubewegen scheint. (mb)