WLAN-Markt 2005: Zwischen Normalität und Hype

06.07.2005 von WOLFGANG LEIERSEDER 
Mit Wireless-Netzen lassen sich Geschäfte heute fast so selbstverständlich machen wie mit Ethernet-Netzen– in Unternehmen und bei Privatkunden. Neue Geschäftsmöglichkeiten entstehen für Hersteller, Service Provider, Integratoren und den Handel. Doch noch sind die Wege zum Erfolg holprig.

Von Wolfgang Leierseder

Der Markt ist vorhanden, und er wächst. Das bestätigt auch die Zunft der Marktforscher übereinstimmend. Zwar differieren die Angaben der Analysten von IDC und Gartner zum WLAN-Gesamtvolumen bei Stellen hinter dem Komma, doch wenn man sich für das Jahr 2004 weltweit auf eine ungefähre Größe von 2,5 bis 2,8 Milliarden US-Dollar Umsatz einigt, liegt man richtig.

Das Gesamtwachstum von 119 Prozent gegenüber 2003 ist bemerkenswert, und die Höhenflüge einzelner WLAN-Segmente zeigen, dass das Geschäft mit Funknetzen (hier vor allem IEE 802.11x) das Insel-Stadium in LANs hinter sich gelassen hat.

So ist der Umsatz mit Wireless-Routern und -Switches um rund 500 Prozent in die Höhe geschossen. Die ernsthafte Beschäftigung von Unternehmen mit VoIP-Migrationen bewirkte ein gestiegenes Interesse an WLAN-Einwahlmöglichkeiten. Aber auch der massenhafte Verkauf von Breitbandanschlüssen im Privat- und Soho-Markt hat den Einsatz von WLANs deutlich vorangetrieben, erklärt IDC-Analystin Shing Quah.

Zwangsläufig mussten Anbieter von Wireless-Infrastruktur dieser Entwicklung folgen -was sie auch willig taten: Laut IDC-Kollege Shiv Bakhshi hat der Markt für Wireless und mobile Netzwerk-Infrastruktur im vergangenen Jahr um zirka zwölf Prozent zugelegt.

Und da mittlerweile 75 Prozent aller ausgelieferten Notebooks WLAN-fähig sind, weshalb die Mobilitätsszenarien und die dadurch bedingten Applikations-Anforderungen sich laufend vermehren, kommen beide Analysten zu dem Schluss, dass vor allem professionelle Nutzer für den kontinuierlichen Wireless-Ausbau in Unternehmensnetzen unterwegs und zu Hause sorgen (werden).

Aufregende Themen zur Genüge

Nun verhält sich dieser Markt wie alle Märkte, die zu schnell wachsen: Er kennt mehr Themen, als er sinnvoll bearbeiten kann.

Kaum war der dringend benötigte Sicherheitsstandard 802.11i von dem zuständigen IEEE-Gremium im Sommer 2004 abgesegnet, fanden einige WLAN-Anbieter daran Gefallen, Unternehmen mit Prä-Standard-Lösungen bei 100 Mbit/s-Komponenten (802.11n; auch MIMO – für multiple-input/multiple-output – genannt) zu umgarnen. Selbstverständlich würden kostenlose Updates nach Verabschiedung des Standards nachgereicht. Damit sorgten Belkin, Linksys, Netgear, D-Link und Buffalo Technology zwar für Aufregung, doch vor Ende 2006 dürfte es herstellerübergreifende, interoperable 100-Mbit-Funknetze nicht geben.

WLAN-Hardware-Markt in Westeuropa

Land

Umsatz 2004 (in Mio. US-Dollar)

Umsatz 2003 (in Mio. US-Dollar)

Wachstum (in Prozent)

In jedem westeuropäischen Land stiegen im Jahr 2004 die Umsätze mit WLAN-Hardware gegenüber 2003. Mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes entfiel dabei auf Deutschland. (Quelle: IDC)

Deutschland

313,9

144,0

118,0

Österreich

21,7

14,2

52,8

Schweiz

47,6

36,9

29,0

Großbritannien

189,5

115,9

63,5

Frankreich

130,6

69,5

87,9

Italien

87,0

42,0

107,1

Spanien

113,4

50,4

125,0

Andere

257,5

157,8

63,2

Westeuropa gesamt

1.161,2

630,7

84,1

Beispiel Strategiewechsel. Nachdem der Marktprimus Cisco nach langem Zögern doch noch seine Liebe für WLAN-Switches entdeckt hatte, angelte er sich für viele Millionen US-Dollar den Switch-Anbieter Airespace. Da er nun darangegangen ist, alle bisherigen Aussagen zu zentralisiertem, durch Software realisiertem Management von Access Points umzuschreiben, sind Kunden aktuell mit drei verschiedenen Lösungsansätzen konfrontiert. Welche Strategie aber dem Airespace-Kauf folgen wird, bleibt offen.

WLAN-Positionierung

Intel fährt beispielsweise parallel zur Centrino/WLAN-Offensive die Marketing-Strategie für die MAN-Technologie WiMAX (802.16) und IEEE 802.20 für mobile Endanwender in Autos. Zwar sind die Nachrichten über funktionierende Test-WiMAXe bislang an einer Hand abzuzählen, doch die Technologie wird bereits als WLAN-Alternative gehandelt. Was sie nicht ist, wie Intel selbst sagt.

Das macht nichts, sagen die einen, diese Vielfalt müsse als Zeichen dieses ausgesprochen lebendigen Markts gewertet werden. Andere aber wenden ein, dass diesem Markt nach Jahren der Unsicherheit Stabilität Not tut, und dass Kunden, die gerade gelernt haben, den Buchstabensalat des 802.11-Standards zu beherrschen, wenig Wert darauf legen, zu Opfern proprietärer Erweiterungsabenteuer zu werden.

"Hochprofessionelle Lösungen" würden verlangt, sagt Thomas Rödel, Geschäftsführer des Münchner Netzwerkdistributors Seicom, niemand wolle mit einem "Kümmerhaus" zusammenarbeiten. Saubere Implementationspläne inklusive der versprochenen WLAN-Rentabilität seien bei Kunden "das K.o.-Kriterium für WLANs".

Dual-Band und Switches

Abgesehen davon, dass noch kein junger IT-Markt an obigen Querelen vorbeikam, haben sich mittlerweile ein paar gute Geschäftsmöglichkeiten im professionellen Umfeld herausgeschält.

Da ist erstens die definitive Ablösung der 2,4-GHz-Komponenten (802.11b) durch Dual-Band-Access-Points (Zugangsknoten), also mit 11a,b,g. Der 2,4-GHz-Standard 802.11g werde kurzfristig vorne liegen. 11a, im 5-GHz-Bereich funkend, werde aber wegen des größeren, von weniger Interferenzen geplagten Frequenzspektrums langfristig das Rennen machen. In jedem Fall steht für Cisco-Manager Christoph Prus fest, "2005 ist der Wendepunkt für 11g", weshalb besser skalierbare 54-MByte/s-Funknetze selbstverständlich werden dürften. Mit Dual-Band-Access-Knoten könnten bandbreitenintensive "Multi-Service"-Lösungen wie Campus-Telefonie und Applikationsverbreitung realisiert werden. Die "WLAN-Inseln" (Prus) verschwinden.

So hat zweitens das Thema "zentrales Management" eindeutig Priorität bei Unternehmen. Dass Cisco sich deshalb mit dem Switch-Anbieter Airespace verstärkt hat, liegt in der Logik dieser Entwicklung. Aber auch des Marktprimus' eigene, proprietäre Catalyst-Lösungen wie die "WLAN Solution Engine", die immerhin Funknetze bis zu 2500 Access Points konfigurieren könne, zeigten den "grundsätzlichen Bedarf nach planbaren und deutlich die Kosten darstellenden WLANs" (Prus) an. Diese Aussage ist übrigens Ciscos WLAN-Switches-Konkurrenten wie Aruba, Trapeze oder Symbol sowie diversen durchaus zum Verkauf bereitstehenden Start-up-Unternehmen mit Schwerpunkt zentrales Management teuer.

"WLANs werden in die Backbones integriert", so Pierre Trudeau, Gründer des gerade nach Deutschland gekommenen kanadischen WLAN-Anbieters Colubris. Und Nortels Channel-Verantwortlicher Martin Ruoff sagt, eine Übersicht über Funknetze gebe es "nur durch zentrales Management". Gerade hat Nortel mit Switch-Anbieter Trapeze ein Wiederverkaufsabkommen abgeschlossen.

Sicherheit

Das dritte zentrale Thema ist die WLAN-Sicherheit – für alle Unternehmen. Durch den verabschiedeten Standard 802.11i und den gleichwertigen WPA 2 ("WiFi Protected Access") ist jetzt dafür gesorgt, dass Unternehmen ihre Bedenken bezüglich löchriger, von Wardrivern attackierten oder erstaunlich nachlässig konfigurierten Netzen grundsätzlich ad acta legen können.

Dass viele Funknetze nach wie vor bedenklich offen sind, bringt Distributor Rödel zum Thema, wie wichtig die Rolle des planenden und beratenden Partners sei: "Man muss von Funknetzen mehr verstehen als Herstellerboxen nahe legen", sagt er kategorisch.

Fazit: WLAN-Zug in voller Fahrt

So fasst der freie Netz-Consultant Mathias Hein zusammen: "Obwohl viele Unternehmen nach wie vor ausgesprochen unwillig die WLAN-Aufgabe angehen, da sie von der Sicherheit der Funknetze noch immer nicht überzeugt sind, können sie sich nicht wehren. Zu viele mobile Nutzer und VoIP-Pläne zwingen sie, WLANs zu implementieren."

Die WLAN-Entwicklung habe folglich unabänderlich so viel Fahrt aufgenommen, dass sie nur durch spektakuläre Hindernisse gestoppt werden könne? Ja, sagen übereinstimmend Marktbeobachter. "Mit Wireless-Techniken fördern Unternehmen die Mobilität ihrer Mitarbeiter", ist sich IDC-Analystin Quah sicher.

So rollen die VoIP- und immer länger werdende Applikationszüge bei Unternehmen ein. Wie gesagt, eine nicht aufzuhaltende Entwicklung. (mec)

Dieser Beitrag stammt von unserer Schwesterzeitschrift ComputerPartner, der Fachzeitschrift für den ITK-Handel.