Ratgeber

Wir brauchen eine E-Mail-Kultur

04.03.2009 von Sascha Alexander und Sascha Alexander
Unternehmen dürfen aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen E-Mail-Nutzer nicht länger sich selbst überlassen. Sie brauchen klare Regeln und Schulungen.

Wie im ersten Teil des Ratgebers berichtet, hat die effektive und stressarme E-Mail-Nutzung viel mit Selbstdisziplin und Ordnung im eigenen Posteingang zu tun. Doch dies ist nur eine Seite der Medaille: Auch der Arbeitgeber ist dringend gefragt, denn E-Mail gehört für viele Menschen ob sie wollen oder nicht zum festen Bestandteil ihrer täglichen Arbeit wie das Telefon. Anders ausgedrückt: Vier von zehn Berufstätigen (42 Prozent) haben hierzulande mindestens eine dienstliche E-Mail-Adresse, zwölf Prozent sogar mehrere. Zudem erhält jeder zweite Berufstätige mehr als fünf elektronische Briefe am Tag.

Diese im letzten Jahr vom Branchenverband Bitkom publizierten Zahlen sind vermutlich für viele professionelle Anwender viel zu konservativ gerechnet. Dass Anwender mehr als 100 E-Mails pro Tag erhalten, ist im Arbeitsalltag keine Seltenheit mehr. "Viele Mitarbeiter sind täglich bis zu zwei Stunden nur mit E-Mail beschäftigt. Dies ist immerhin ein Viertel der täglichen Arbeitszeit", beobachtet Fabian Fischer, Mitglied der Geschäftsführung der Unternehmensberatung Beck et al.

Angestellte brauchen klare Vorgaben

Sowohl die schiere Menge an E-Mails als auch die richtige Nutzung und Bearbeitung der elektronischen Post machen immer mehr Anwendern zu schaffen. Daher wünschen sich in der Bitkom-Umfrage 54 Prozent der beruflichen E-Mail-Nutzer Orientierungshilfen von ihrem Arbeitgeber. Dieser sollte nicht nur Datenschutz- und Benutzerrichtlinien klar kommunizieren, sondern auch verständliche Workflows für alle vorgeben.

Doch bislang finden sich kaum Unternehmen, die so etwas wie eine umfassende "E-Mail-Ethik" vereinbart haben, berichtet Volker Halstenbach, Senior Berater bei Zöller & Partner. Wenn E-Mail-Richtlinien existierten, dann sie sich in erster Linie auf Sicherheitshinweise zum Umgang mit Eingangspost (zwecks Schutz vor Cyber-Attacken) und Erläuterungen zur privaten Verwendung von geschäftlichen E-Mail-Accounts beschränken (siehe auch den Ratgeber zum Kampf gegen Spam). Zudem mahnen sie gewöhnlich zur Einhaltung des Datenschutzes beim E-Mail-Versand und klären beispielsweise Aspekte wie die maximale E-Mail- und Postkorbgröße.

Weit verbreitet seien zudem spezielle Vorgaben für Führungspersonen bezüglich der Weiterleitung beziehungsweise Zustellung von Kopien per E-Mail. Im alltäglichen Kampf der Mitarbeiter gegen die E-Mail-Flut helfen diese Vorschriften jedoch nur bedingt.

Hilfe durch E-Mail-Archivierung

Die Folgen der ineffizienten E-Mail-Nutzung bekommen Administratoren und die IT täglich zu spüren: E-Mail-Server sind nicht mehr verwaltbar, und der manuelle Aufwand, mit dem sich E-Mails finden oder bei Verlust wiederherstellen lassen, wächst. Ebenso wird eine angemessene Speicherung elektronischer Nachrichten und die Einhaltung rechtlicher Anforderungen in diesem Chaos immer schwieriger. Guido Schmitz, Vorstand der Pentadoc AG, warnt: "E-Mails mit geschäftlicher Relevanz gehören nicht in separate Archive und Datentöpfe wie E-Mail-Postfächer, sondern müssen zusammen mit den anderen Geschäftsdokumenten zentral zugreifbar und verwaltbar den jeweiligen Geschäftsprozessen in einer elektronischen Akte zugeordnet sein." Für diese Aufgaben bieten heute viele Hersteller E-Mail-Archivierungsprodukte an, die oft vorhandene Collaboration-Lösungen wie "Lotus Domino" oder "Microsoft Exchange" erweitern und entlasten.

Voraussetzung für eine effiziente und sichere Archivierung ist aber, dass es im Unternehmen festgelegte Geschäftsregeln und -prozesse für eine automatische Zuweisung der richtigen Dokument- und Routing-Informationen gibt (Lesen Sie die Tipps zur E-Mail-Archivierung). Analog zu Papierdokumenten in der automatisierten Posteingangsbearbeitung können E-Mails dann zu einem integralen Bestandteil der Geschäftsprozesse werden und diese unter Umständen sogar automatisch auslösen. Dies würde nicht nur den Arbeitsaufwand der Benutzer, sondern auch das Fehlerrisiko bei der Ein - und Zuordnung senken, erwartet Schmitz.

Archivlösungen bieten heute beispielsweise diverse Analyseverfahren, um E-Mails anhand ihrer Attribute (Betreff, Zusammenfassung der Mail, Absender, Anhang) automatisch zu sortieren. Spezielle Lösungen für E-Mail-Response-Management sollen zudem die Verarbeitung großer E-Mail-Mengen erleichtern und Mitarbeitern bei der automatisierten Beantwortung der elektronischen Post helfen (ausführliche Informationen zu den Funktionen von E-Mail-Archivierungslösungen finden Sie hier).

Für mehr Sicherheit und Produktivität könnten aber nicht nur ein höherer Automatisierungsgrad bei der E-Mail-Archivierung und eine bessere Prozessintegration sorgen. Ebenso kommt es auf den einzelnen Mitarbeiter an. Der richtige Umgang mit elektronischer Post wird jedoch in Unternehmen meistens nicht trainiert, bemängelt Berater Fischer: "Es würde den Betroffenen sehr helfen, sich an einheitlichen Nutzungsregeln orientieren zu können, die neben Rechtsvorschriften und Policies auch Best Practices enthalten" (Siehe aber auch die Mythen, die sich um eine rechtskonforme Archivierung ranken).

Diese sollten beispielsweise erläutern, wie Verteilerlisten (CC, BCC) zu nutzen sind, oder festlegen, wie schnell eine Mail zu beantworten ist. Gerade über den letzten Punkt herrschen in Unternehmen - auch angesichts der verbreiteten Blackberry-Nutzung - sehr unterschiedliche Vorstellungen bei den Mitarbeitern. Hilfreich sind ferner Tipps zum richtigen Verfassen (Etikette) und zur Strukturierung von E-Mails (Bullet Points) oder wie eine aussagekräftige Betreffzeile auszusehen hat. Letztere sollte nicht auf Abkürzungen wie "fyi" verzichten und angeben, ob die Mail nur zur Info oder zur Beantwortung gedacht ist (siehe zur persönlichen Arbeitsorganisation auch den Beitrag über das alltägliche E-Mail-Chaos").

Kaum einer kennt seinen E-Mail-Client

Je nach Unternehmensgröße und Technikaffinität der Mitarbeiter, lassen sich diese Themen laut Fischer am besten im Rahmen einer Live-Präsentation besprechen und deren Inhalt anschließend in kurzer, prägnanter Form im Intranet veröffentlichen. Zudem sollten Unternehmen sowohl neue als auch langjährige Mitarbeiter regelmäßig für den Umgang mit dem jeweiligen Mail-Client schulen.

Oft ist den Anwendern gar nicht bekannt, welche Features moderne E-Mail-Clients heute bereitstellen (siehe auch die Übersichten auf der letzten Seite des Beitrags zu den neuen Features in "Outlook 2007" und "Lotus Notes 8.x"). Wo das nicht möglich ist, sollten zumindest Tipps oder Informationen über neue Funktionen im Intranet nachzulesen sein. In der Praxis werden bis heute Schulungen für E-Mail-Clients meistens völlig vergessen - vielleicht auch, weil davon ausgegangen wird, dass sich jeder Nutzer diese Dinge auch nebenbei selbst beibringen kann.

Auch die Nutzung von E-Mail über das Web oder mobile Geräte wie Smartphones oder Blackberrys können die Lage entspannen, erläutert Fischer. Mitarbeiter könnten so von unterwegs ihre Post erledigen, statt sich nach längerer Abwesenheit im Büro durch Hunderte Mails arbeiten zu müssen. "Wir raten aber Kunden, sich nicht von Blackberry und Co. ihren Alltag diktieren zu lassen." Vielmehr seien auch hier ein bewusster Umgang und Schulungen nötig. Es reiche eben nicht, Beschäftigte mit solchen Geräten auszurüsten und es ihnen zu überlassen, was sie damit machen. Einfache Nutzungsregeln könnten etwa die Präsenzpflicht (nach 19.00 Uhr werden Mails nicht mehr beantwortet) oder den "Push"-Dienst (darf abgeschaltet werden) betreffen.

Hilfe gegen die E-Mail-Flut verspricht auch die Nutzung virtueller Arbeitsräume, in denen sich Teams zusammenfinden können. Solche Teamspaces helfen bei der gemeinsamen Projektarbeit, da in den geschützten Arbeitsräumen eine schnelle Kommunikation und ein einfacher Datenaustausch möglich sind. Zudem können sich Nutzer schnell und einfach einen Überblick über Arbeitsschritte und den Verlauf von Diskussionen verschaffen. Dies wirkt sich auch positiv auf die Speicher- und Infrastrukturkosten aus, da der Mail-Verkehr abnimmt.

Web 2.0 statt E-Mail

Ebenso können ein Blog (etwa für Ansprachen oder allgemeine Inhalte) oder RSS-Feeds (statt Newsletter, Werbung und Info-Mails) die Inbox entlasten. "Wikis sind hingegen eher ein Bestandteil von Teamspaces oder ein zentraler Wissensspeicher, jedoch keine Alternative zu E-Mail-Lösungen", meint Fischer. Für die Zukunft rät auch Pentadoc-Vorstand Schmitz Unternehmen, intern mit Hilfe von Blogs, Wikis, Foren, Bookmark Sharing und virtuellen Business-Meetings via Online-Chat (auch "Jams" genannt) sinnvolle Kommunikationsplattformen für den Wissensaustausch- und -aufbau zu schaffen. Diese könnten das Wissen der Mitarbeiter, Kunden und Partner systematischer und schneller als frühere Wissens-Management-Projekte verfügbar machen.

Einen kompletten Ersatz von E-Mail-Lösungen durch moderne Web-2.0-Techniken halten Experten aber bisher für unwahrscheinlich. So ist E-Mail aus der Geschäftskorrespondenz nicht mehr wegzudenken. Initiativen wie "De-Mail", mit der die Bundesregierung ab 2010 den vertraulichen Dokumentenversand per E-Mail fördern will, unterstreichen dies. Daneben gibt es laut Berater Volker Halstenbach auch Szenarien, in denen E-Mail gesetzt ist: "Besonders in projektgetriebenen Arbeitsumgebungen zählt der Austausch per E-Mail zu den wichtigsten Hilfsmitteln." Doch natürlich hängt auch hier die Effizienz der E-Mail-Kommunikation von der persönlichen Verwendungsweise ab: "Je klarer Aufgaben und Inhalte formuliert sind, umso effizienter kann E-Mail sein."

Checkliste

Unternehmen sollten aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen Richtlinien für die Nutzung von E-Mails erstellen und idealerweise in Workshops erläutern sowie später kompakt im Intranet publizieren. Diese sollten beispielsweise umfassen:

Produktiver mit Outlook 2007

Mit Outlook 2007 hat Microsoft zusätzliche Funktionen in einer neu strukturierten Oberfläche vorgestellt, die dem Anwender bei der täglichen Arbeit mit E-Mails helfen sollen. Hier ein paar Beispiele:

Mehr zu Outlook 2007:

Produktiver mit Lotus Notes 8.x

Mit den Versionen 8.0.1/8.0.2 und 8.5 der Collaboration-Software hat IBM eine ganze Reihe zusätzlicher Funktionen für die tägliche Arbeit mit E-Mails eingebaut (siehe auch die Ankündigungen auf der Lotussphere 2008). Hier ein paar Beispiele:

Mehr zu Lotus Notes: