Neben dem Vista-Nachfolger Windows 7 veröffentlicht Microsoft auch eine neue Version seines Server-Betriebssystems. Doch statt dieser einen neuen Namen zu verpassen, fügt der Hersteller lediglich den Zusatz „R2“ zum Windows Server 2008 hinzu. Der neue Server basiert auf dem Kern von Windows 7, der Vorgänger setzte hier noch auf Windows Vista. Vor allem Unternehmen sollen von der Zusammenarbeit von Windows 7 und Windows Server 2008 R2 profitieren. Windows Server 2008 R2 gibt es nicht mehr als 32-Bit-Version, sondern nur noch für x64-Systeme.
Als Systemvoraussetzungen nennt Microsoft einen Prozessor mit mindestens 1,4 GHz und Unterstützung für 64-Bit, 512 MByte Arbeitsspeicher und mindestens zehn GByte freien Festplattenplatz. Die Standard-Edition von Windows Server 2008 R2 unterstützt maximal 32 GByte Arbeitsspeicher, die Enterprise- oder Datacenter-Editionen können Unternehmen bis zu zwei TByte betreiben. Windows Server 2008 R2 kann bis zu 256 Prozessorkerne in einer Instanz verwalten, virtuelle Maschinen mit Hyper-V 2.0 nutzen maximal 64 Prozessorkerne pro Instanz. Der ebenfalls angekündigte Windows Server 2008 R2 Foundation wird Hyper-V allerdings aller Voraussicht nach nicht unterstützen.
Virtualisierung mit Hyper-V 2.0
Gegenüber dem Vorgänger bessert Microsoft in Windows Server 2008 R2 bei der Virtualisierung deutlich nach. Hyper-V, das Virtualisierung-Feature von Microsoft, kann beispielsweise in der neuen Version virtuelle Server im laufenden Betrieb auf andere Hosts umsiedeln. Anwender kriegen von der Aktion, Live Migration genannt, nichts mit und können ungestört weiterarbeiten. Hier zieht Microsoft mit dem Konkurrenten VMware gleich. Die Live-Migration wird durch neue Funktionen in der Cluster-Erstellung von Windows Server 2008 R2 möglich. Damit sind nun auch Hyper-V-basierte Failover-Cluster mit Windows Server 2008 R2 Enterprise oder Datacenter möglich.
Die Cluster-Funktion wurde von Microsoft noch weiter optimiert. Virtuelle Server sollen nun besser integriert und abgesichert werden. Der neue Server arbeitet dazu mit den Cluster Shared Volumes (CSV). Diese ermöglichen es dem Hypervisor, mehrere virtuelle Maschinen unter einer einzigen Logical Unit Number (LUN) zu erstellen. Da nicht mehr jede virtuelle Maschine eine eigene LUN benötigt, vereinfacht sich die Verwaltung von hochverfügbaren virtuellen Umgebungen deutlich. Denn für die einzelnen virtuellen Maschinen sieht die Umgebung so aus, als hätten sie jeweils eine eigene LUN. Der Vorteil dieser Technik besteht darin, dass die VHD-Dateien der einzelnen virtuellen Maschinen auf einem gemeinsamen Datenträger des Clusters liegen können. Die einzelnen Cluster-Knoten erhalten dazu jeweils ein eigenes Unterverzeichnis auf dem Datenträger, über den der Cluster-Dienst diese verbindet.
Microsoft hat dazu den Datenverkehr im Cluster ebenfalls optimiert. Mit der Funktion "Dynamic I/O" kann ein Cluster mit Windows Server 2008 R2 die ausgefallene Verbindung eines Cluster-Knotens zum SAN kompensieren, indem der Dienst den Datenverkehr automatisch über einen anderen Knoten leitet. Das erhöht deutlich die Verfügbarkeit, auch beim Ausfall von Datenleitungen in SANs.
Vor dem Einsatz dieser neuen Funktionen sollten aber ausführliche Konzepte und Tests stehen. Die neuen Hyper-V-Techniken funktionieren nur mit bestimmten Prozessoren, in Failover-Clustern mit Windows Server 2008 R2 mit SAN-Umgebungen, und sind abhängig von den eingesetzten Komponenten im SAN.
Virtuelle Desktop Infrastructure (VDI) und Terminal Services
Neu in Hyper-V 2.0 ist die Möglichkeit, Desktops für Anwender in einer virtuellen Umgebung zur Verfügung zu stellen. Bei diesem Feature, Presentation Virtualization genannt, handelt es sich um eine Verbesserung der Terminaldienste, genauer gesagt der RemoteApps. Vorteil ist, dass sich auch einzelne Anwendungen auf diese Weise virtualisieren lassen. Die Programme verhalten sich dennoch wie normal installierte Programme. Möglich werden diese neuen Funktionen dank eines verbessertes Remote Desktop Protokol (RDP).
Die „Terminal Services“ wurden in Windows Server 2008 R2 in „Remote Desktop Services“ umbenannt, um die Verbesserungen auch im Namen deutlich zu machen. Die meisten Funktionen der althergebrachten Terminaldienste und deren Techniken sind in Windows Server 2008 R2 zwar enthalten, haben aber einen neuen Namen. Die Tabelle zeigt die alten und die neuen Bezeichnungen:
Vor Server 2008 R2 |
Ab Server 2008 R2 |
Terminal Services |
Remote Desktop Services |
Terminal Services RemoteApp |
RemoteApp |
Terminal Service Gateway |
Remote Desktop Gateway |
Terminal Services Session Broker |
Remote Desktop Connection Broker |
Terminal Services Weg Access |
Remote Desktop Web Access |
Terminal Services CAL |
Remote Desktop CAL |
Terminal Services Easy Print |
Remote Desktop Easy Print |
Veröffentliche Anwendungen in den Remote Desktop Services stellt die RemoteApp-Funktion zur Verfügung. Anwender mit Windows 7 bekommen Verknüpfungen der virtualisierten Anwendungen im Startmenü in einem eigenen Bereich angezeigt. Die Oberfläche der veröffentlichten Anwendungen orientieren sich an der GUI von Windows 7; das gilt auch für die veröffentlichen Desktops.
Media Redirection ist ebenfalls neu. Bei dieser Technik leitet der Server Multimedia-Daten ungerendert und unbearbeitet direkt an den Client weiter. Die Dateien bearbeitet dann der Client mit seiner eigenen Hardware. Das entlastet den Server, verbessert die Darstellung und nutzt Client-Hardware besser aus. Außerdem lassen sich Remote-Desktop-Sitzungen auf zehn Monitore ausweiten, die beliebige Auflösungen haben dürfen.
Arbeiten die Anwender mit Windows 7, wird die Verwaltung der Remote-Dienste erheblich erleichtert. Denn in diesem Fall stellt Microsoft eine spezielle Oberfläche für Remote-Desktop-Verbindungen bereit. Zwar ist weiterhin die Anbindung von Windows XP und Windows Vista möglich, allerdings ist dies nicht so effizient und einfach wie mit Windows 7. Benutzerprofile sind ebenfalls verbessert und lassen sich besser in der Größe beschränken, nun auch über Gruppenrichtlinien.
Hyper-V und schnelles Deployment
Deutlich verbessert hat Microsoft die Arbeit mit virtuellen Datenträgern. In Hyper-V 2.0 lassen sich physikalische und virtuelle Datenspeicher im laufenden Betrieb zuweisen oder abtrennen. Das erhöht die Verfügbarkeit, und Administratoren sind nicht gezwungen, virtuelle Server zeitweise für Wartungsarbeiten vom Netz zu nehmen. Diese Technik funktioniert sowohl bei den virtuellen VHD-Festplatten als auch über Festplatten, die zwar am Host physikalisch angeschlossen, aber nur in den virtuellen Servern konfiguriert sind. Hyper-V 2.0 ermöglicht das über einen neuen virtuellen SCSI-Controller.
Eine wichtige Neuerung in Windows Server 2008 R2, die auch für Windows 7 gilt, ist die Möglichkeit, Computer direkt von VHD-Festplatten zu booten, ohne dass dazu auf dem Gerät eine physikalische Festplatte eingebaut sein muss. Durch diese neue Technik lassen sich neue Server und Arbeitsstationen wesentlich schneller und effizienter im Unternehmen verteilen. Das neue Werkzeug dazu hat die Bezeichnung "Windows Image to Virtual Hard Disk Converter (WIM2VHD)". Mit dem neuen Tool lassen sich Systemabbilder von Windows 7 oder Windows Server 2008 zu virtuellen Computer migrieren.
Neu ist auch die Funktion „Core Parking“. Damit kann der Server 2008 R2 laufende Prozesse auf möglichst wenige CPU-Kerne zusammenfassen. Die nicht benötigten Kerne werden anschließend quasi deaktiviert und benötigen deutlich weniger Strom. Steigt die CPU-Last danach wieder an, kann das Betriebssystem zusätzliche CPU-Kerne aktivieren, um so die Lastspitzen auszugleichen.
Die Anzahl der Gastsysteme hat Microsoft kaum erhöht. So unterstützt Hyper-V 2.0 zwar die meisten Windows-Versionen, vor allem die neueren ab Windows XP SP2, aber nur sehr wenige Linux-Distributionen. Offiziell unterstützt Windows Server 2008 R2 im Bereich Linux nur Novell SUSE Linux Enterprise Server 10 (32 und 64 Bit), Redhat soll ab Version RHEL 5.x auch mit Hyper-V funktionieren.
PowerShell 2.0
In Windows Server 2008 R2 integriert Microsoft die neue Version 2.0 seiner PowerShell. Microsoft hat die Grundbefehle in der neuen PowerShell deutlich erhöht. Sie enthält nun mehr als 240 Befehle, sogenannte CMDlets. Auch Hyper-V lässt sich lokal und über das Netzwerk per PowerShell konfigurieren und verwalten. Die PowerShell erhält eine grafische Oberfläche, über die Systemverwalter Skripte erstellen können. Diese GUI ist im Umgang ähnlich wie Visual Studio. Das ermöglicht Administratoren, die gerne mit Skripten arbeiten, völlig neue Möglichkeiten der Systemwartung.
Das neue CMDlet "Out-GridView" zeigt das Ergebnis anderer CMDlets in einer interaktiven Tabelle an, in der sich suchen, sortieren und gruppieren lässt. Die Ergebnisse kann man direkt aus der Tabelle bearbeiten. Der Einsatz ist zum Beispiel sinnvoll, wenn man Prozesse über "get-process" auswertet oder mittels "get-eventlog" die Ereignisanzeigen über die PowerShell überprüft werden soll. Alle neuen grafischen Komponenten der PowerShell benötigen das Microsoft-.NET-Framework 3.0.
Die neue PowerShell lässt sich jetzt auch auf der abgespeckten Core-Version von Windows Server 2008 R2 installieren. Diese Server-Variante verzichtet auf eine grafische Oberfläche und wird wahlweise über die Befehlszeile oder über grafische Oberflächen von anderen Rechnern im Netzwerk verwaltet. Mehr Informationen zur Core-Version finden Sie in diesem Artikel.
Verbesserte Verwaltung
Neben der neuen PowerShell hat Microsoft auch andere Verwaltungswerkzeuge überarbeitet. Die Hilfsmittel sind nun voll auf den Netzwerkbetrieb und die zentrale Administration verteilter Server ausgelegt. So kann man mit dem Server-Manager ab jetzt auch andere Server im Netzwerk verwalten, nicht mehr nur die lokale Maschine.
An vielen Stellen verwenden die einzelnen Verwaltungswerkzeuge, zum Beispiel das Active Directory Administrative Center, angepasste CMDlets aus der PowerShell auch in der grafischen Oberfläche. Ähnliche Funktionen sind bereits in Exchange Server 2007 bekannt. Auch hier führt die grafische Oberfläche im Grunde genommen nur Skripte aus der PowerShell aus.
Active Directory mit Windows Server 2008 R2
Windows Server 2008 R2 bietet eine neue Funktionsebene für Active Directory an. Diese ist erforderlich, um die neuen Active Directory-Verbesserungen nutzen zu können. Dazu gehört beispielsweise die Einführung eines Papierkorbs im Active Directory, über den sich gelöschte Objekte leicht und ohne Zusatzwerkzeuge wiederherstellen lassen.
Neu ist auch, dass Server-Anwendungen, die Systemdienste mit einer Anmeldung benötigen, selbstständig Kennwörter anpassen können, wenn die Richtlinien des Unternehmens das voraussetzen. Unternehmen, die Windows 7 im Unternehmen verteilen, können Computer in die Domäne aufnehmen, selbst wenn keine Verbindung zum Domänen-Controller besteht.
Bei der ersten Anmeldung suchen solche Computer den Controller und melden sich an der Domäne ordnungsgemäß an. Windows Server 2008 R2 enthält die neue Version 7.5 der Internetinformationsdienste, die wesentlich sicherer und effizienter sind. Auch die Verwaltungswerkzeuge hat Microsoft für ein besseres Delegieren angepasst.
Fazit
Das neue Server-Betriebssystem legt im Bereich Virtualisierung und Verwaltung mehrerer Server im Unternehmen deutlich nach. Seine Features spielt Windows Server 2008 R2 allerdings erst in Kombination mit Windows 7 als Desktop-Betriebssystem aus. Erst dann sind interessante Features wie Branch Cache oder Direct Access möglich. Mehr zu den neuen Business-Features von Windows 7 finden Sie im Artikel „Windows 7: Die neuen Funktionen für Unternehmen“. Doch auch Windows Server 2008 R2 verspricht mit den neuen Funktionen rund um Hyper-V 2.0 oder den neuen Terminal-Diensten einige Neuigkeiten.
Allerdings ändert sich auch einiges mit dem neuen Windows Server 2008 R2. Das bedeutet, dass ein Upgrade nicht so ohne Weiteres durchgeführt werden kann. Vielmehr müssen sich die zuständigen Administratoren in das neue System einarbeiten – und ohne ausgiebige Tests geht sowieso nichts. (mja)