Microsofts Neustart im Mobile-Bereich

Windows Phone 7 im Test

21.10.2010 von Moritz Jäger
Windows Phone 7 ist Microsofts letzte Chance um im mobilen Umfeld wieder Fuß zu fassen. TecChannel hat das Smartphone OS zum Marktstart getestet und konnte Stärken, Schwächen sowie den bereits integrierten Business-Features auf den Grund gehen.

Microsofts neues Smartphone-Betriebssystem Windows Phone 7 geht in Europa am 21. Oktober 2010 offiziell an den Start. Bei den Providern sollen die Geräte kurz danach verfügbar sein. Mit Windows Phone 7 bricht Microsoft komplett mit den Vorgängerbetriebssystemen. Gegenüber Windows Mobile besitzt das neue OS nicht nur ein neues Benutzerinterface, zudem werden die Hardware-Anforderungen für Geräte angehoben und es ändert sich die komplette Entwicklungsgrundlage.

Bildergalerie: Windows Phone 7
Windows Phone 7
Steve Ballmer zeigt die neuen Endgeräte mit Windows Phone 7. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Der Hub für Kontakte. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Der Office-Hub. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Der Hub für Xbox Live. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Der Kalender in Windows Phone 7. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Der Posteingang. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Das Smartphone zeigt Kontaktbilder bei den jeweiligen E-Mails. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
Der Office Hub umfasst mobile Versionen von Word, Excel, PowerPoint und OneNote. (Quelle: Microsoft)
Windows Phone 7
OneNote ist eine Notiz-App, hier im Einsatz. (Quelle: Microsoft)

Das Design der "Metro" genannten Benutzeroberfläche orientiert sich an Microsofts Zune-Player, einem iPod-Konkurrenten, der in Europa nie verkauft wurde. Metro sei inspiriert von den Piktogrammen des öffentlichen Nahverkehrs, so ein Sprecher bei der Vorstellung auf dem Mobile World Congress 2010. Tatsächlich verschafft es der Oberfläche ein frisches Aussehen, das sich von Mitbewerbern optisch deutlich unterscheidet.

Eine weitere Neuerung: Windows Phone 7 ist stark auf Consumer ausgerichtet, dafür wurden zahlreiche Einschnitte bei den Nutzerfreiheiten vorgenommen. Beim kompletten Konzept für das OS scheint sich Microsoft ausgerechnet Konkurrenten Apple zum Vorbild genommen zu haben: Daten wie Musik oder Bilder können nur mit der Desktop Software Zune zwischen PC und Smartphone ausgetauscht werden. Neue Apps und Spiele lassen sich nur aus dem Marketplace installieren, Microsoft will wie Apple jede Anwendung prüfen, bevor sie zugelassen wird.

Bildergalerie: Windows Phone 7 Apps
HTC HD7
Das HTC HD7 mit Windows Phone 7.
HTC HD7
Die Rückseite des HTC HD7 - ein ausklappbarer Ständer soll das Smartphone aufrecht stehen lassen.
HTC Mozart
Das HTC Mozart mit Surround Sound wird zunächst exklusiv bei der Telekom vertrieben.
HTC Mozart
Das Gehäuse des Mozart ist aus einem Stück Aluminium gefräst, ähnlich dem HTC Legend.
HTC Trophy
Das HTC Trophy soll vor allem für Spieler interessant werden.
HTC Trophy
Xbox Live auf dem HTC Trophy.
LG Optimus
Das Optimus kommt von LG.
LG Optimus
Das LG-Smartphone kommt mit einem DNLA-Client.
Samsung Omnia 7
Das Samsung Omnia 7 soll vor allem durch einen hellen Bildschirm bestechen.
Samsung Omnia 7
Die Rückseite des Samsung Omnia 7.

Hubs, Live Tiles und Apps

Optisch die größten Neuerungen in Windows Phone 7 sind die Live Tiles, Vierecke, die auf dem Starbildschirm angeordnet sind und den Zugriff auf weitere Funktionen bieten. Diese Kacheln sind aber nicht nur einfache Icons, die ein Programm starten, Entwickler können sie einsetzen, um dem Smartphone-Nutzer Informationen darzustellen. Die Tile zu den Kontakten zeigt etwa die Porträts von Facebook-Kontakten, die ihren Status zuletzt aktualisiert haben. Ein anderes Beispiel sind E-Mails oder SMS, auch hier wird die Anzahl der eingegangen Nachrichten in den Live Tiles angezeigt.

Die Live Tiles führen den Nutzer zu den Hubs. Microsoft sieht diese als Überkategorien, in die Entwickler ihre Apps thematisch passend einordnen sollen. Der Hub zu den Kontakten enthält beispielsweise nicht nur die Telefonnummern und E-Mails, er integriert sich auch direkt in Social Networks wie Facebook oder Windows Live. Die Hubs sind über mehrere Bildschirmseiten angelegt, ein Wischen nach rechts oder links führt jeweils zu weiteren Optionen. In Kontakten werden auf Seite zwei etwa die Status-Updates aus Facebook angezeigt. Seite drei enthält die Kontakte, die man zuletzt verwendet hat. Microsoft installiert zahlreiche Hubs vor, etwa Multimedia, Office, Bilder oder Xbox Live. Entwickler sollten im besten Fall ihre Anwendungen in die bestehenden Hubs integrieren, sie können alternativ auch eigene Hubs erstellen und diese wiederum für weitere Entwickler zugänglich machen.

Alles im Hub: Der Kontakte-Hub zeigt zuletzt verwendete Kontakte sowie Status-Updates an. (Quelle: Microsoft)

Neue Funktionen und Apps können Anwender über einen zentralen Marktplatz nachladen - genau genommen ist es wie bei den Apple-Geräten die einzige Möglichkeit, zusätzliche Programme auf dem Smartphone zu installieren. Der Marketplace liefert dabei nicht nur Apps, Microsoft wird darüber auch Videos, Musik oder Spiele anbieten. Entwickler müssen im Vergleich zum Vorgänger ebenfalls umlernen. Apps und Spiele werden künftig mit Microsoft Silverlight erstellt, benötigt ein Spiel mehr Zugriff auf die Hardware stehen dazu auch das XNA-Framework bereit. Bezahlt wird per Kreditkarte.

Bedingt Business-tauglich

Windows Phone 7 enthält zwar einige Funktionen für Unternehmen, verglichen mit den Vorgängern fallen diese aber deutlich rudimentärer aus. Das Smartphone lässt sich mit der Firmeninfrastruktur via Exchange oder Outlook Web Access verbinden. Ist das Gerät mit einem Exchange-Server verknüpft, erhält man als Admin einige Verwaltungs-Funktionen, etwa lässt sich der Einsatz eines Passworts vorschreiben oder das Gerät vom Server aus löschen.

Der Office-Hub ist ebenfalls bereits für den Einsatz in Unternehmen vorbereitet - zumindest wenn man komplett auf Microsoft-Produkte setzt. Die mobile Version von Office unterstützt das Ansehen und Bearbeiten von Word-, Excel- und PowerPoint-Dokumenten. Diese gelangen per E-Mail auf das Smartphone, alternativ kann das Betriebssystem auch eine Verbindung mit einem Sharepoint-Server herstellen. Anschließend kann man auf die hinterlegten Dokumente zugreifen, diese ändern und neu abspeichern.

Eine der Business-Funktionen: Der Office Hub. (Quelle: Microsoft)

Allerdings fehlen, verglichen mit dem Vorgänger zahlreiche Verwaltungs-Features, etwa im Bereich Deployment. Apps und Programme kommen nur über den Marktplatz auf das Endgerät, ein zentrales Provisioning oder das Ausrollen und Aktualisieren von Software auf die Smartphones ist nicht vorgesehen. Ebenfalls problematisch: Zumindest in der ersten Version wird es keinen VPN-Client geben, ein gesicherter Zugriff auf interne Ressourcen ist also nicht möglich.

Anlaufschwierigkeiten und fehlende Funktionen

Windows Phone 7 macht, zumindest für Consumer, bereits einen guten Eindruck. Dennoch fallen im alltäglichen Betrieb noch zahlreiche kleinere Fehler, Unzulänglichkeiten und fehlende Funktionen auf. So lassen sich beispielsweise, zumindest im Testgerät, Lieder aus dem Musik-Hub weder als Klingelton noch als Alarm für den Wecker nutzen.

Außerdem müssen deutsche Nutzer auf einige Funktionen der US-Version verzichten. Es fehlt beispielsweise die Local Search, bei der die integrierte Bing Suche nach Ergebnissen in der Nähe des Smartphones sucht. US-Nutzer können zudem statt einer Tastatureingabe auch Suchbefehle diktieren. Ebenfalls nervig: Die Smartphones lassen sich nicht als Massenspeicher am Rechner anschließen, um etwa einfach Dokumente oder andere Dateien zu übertragen. Auch lassen sich SD-Speicherkarten nicht ohne weiteres aus dem Gerät herausnehmen, um sie am PC anzuschließen.

Smartphone mit Windows Phone: Das Samsung Omnia 7. (Quelle: Samsung)
Foto: Samsung

Mehrere Funktionen anderer moderner Betriebssysteme sind ebenfalls nicht integriert. Es fehlen etwa Tethering-Funktionen, mit denen sich das Smartphone als Modem nutzen lässt. Die Desktop-Software Zune ist nur auf Multimedia-Dateien beschränkt - ein Abgleich von Kontakten, E-Mails oder Terminen ist nicht vorgesehen. Die fehlende Copy-and-Paste-Funktion wurde von Achim Berg, Microsoft Corporate Vice President, Mobile Communications Business and Marketing Group, wenigstens schon in Aussicht gestellt. Anfang 2011 soll das Update über die Zune-Software an angeschlossene Endgeräte verteilt werden.

Ähnliches gilt womöglich für das Multitasking von Anwendungen. Offiziell heißt es von Microsoft, dass keine Third-Party-Apps im Hintergrund ausgeführt werden können. Dieser Schritt sei notwendig um zu verhindern, dass schlecht programmierte Apps den Akku leeren. Entwickler könnten den Status von Apps allerdings einfrieren, wenn ein Nutzer die Anwendung verlässt.

Fazit

Selbst wenn Windows Phone 7 noch einige Kinderkrankheiten plagt, das Betriebssystem ist bereits überraschend gut. Die Software reagiert schnell auf Eingaben, die komplette Navigation läuft flüssig. Kein Wunder, schließlich stellt Microsoft ziemlich hohe Mindestanforderungen an die Hardware-Hersteller. Auch das neue Interface gefällt, der verstärkte Einsatz von Text statt Icons ist eine angenehme Abwechslung in der Smartphone-OS-Welt.

Für Unternehmen problematisch ist allerdings die aktuelle Fokussierung auf die Consumer. Es fehlen zentrale Tools zu Verwaltung, Deployment oder Provisioning. Mit der Office-Integration sowie dem Anschluss an Sharepoint sind erste Schritte für eine spätere Erweiterung getan. Windows Phone 7 entspricht aktuell wohl eher den früheren Versionen der Apple-Betriebssysteme, Microsoft sollte per Update neue Features wie VPN oder Agenten zur zentralen Verwaltung nachliefern.

Consumer erhalten dagegen bereits zum Start eine interessante Alternative zu etablierten Systemen wie Android, iPhone oder Symbian. Highlights sind vor allem die Integration des Spiele-Dienstes Xbox Live sowie von Zune. Unter diesem Namen bündelt Microsoft Angebote rund um Musik und Video, allerdings ist der Dienst noch nicht ganz auf dem Niveau der USA.

Auch die ersten Smartphones mit Windows Phone 7 können sich durchaus sehen lassen. Fünf Geräte von drei Herstellern, LG, Samsung und HTC, sollen zum Start Ende Oktober bei den Providern erhältlich sein. Alle verfügen über GHz-CPUs, Multi-Touch-Screens, hochwertige Kameras samt Blitz, sowie mindestens 8 GByte Speicher.

Vielversprechend ist auch der Marktplatz. Auch wenn dieser noch nicht allzu sehr gefüllt ist, die bereits vorhandenen Programme passen sich gut in die Oberfläche ein. Definitiv ein Highlight sind die Spiele, dank DirectX 9 sehen diese teilweise grafisch sehr gut aus. Die Integration in Xbox Live ist ebenfalls praktisch, über das Netzwerk sollen Nutzer Multiplayer-Spiele gegen Konsolen, andere Smartphones oder PC-Nutzer durchführen können.

Alles in allem macht Windows Phone 7 zum Start einen guten Eindruck. Bleibt zu hoffen, dass Microsoft in regelmäßigen Updates kleine Scharten auswetzt und Entwickler das neue OS mit zahlreichen Apps versorgen. (cvi)