Windows Mobile 5.0: Magneto pusht auch E-Mail

11.05.2005 von Moritz Jäger
Auf der Microsoft Mobile and Embedded Developer Konferenz in Las Vegas präsentierte Bill Gates das neue Betriebssystem. Es bringt zahlreiche Neuerungen, greift BlackBerry direkt an, leidet aber auch an alten Schwächen.

Bill Gates höchstpersönlich lüftete auf der Microsoft Mobile & Embedded Developer Conference 2005 in Las Vegas den Schleier um das neue Windows Mobile CE 5.0. Entwickelt unter dem Namen "Magneto", soll das Betriebssystem die Grenzen zwischen Smartphones, PDAs und Pocket PCs verschwinden lassen.

Vor fünf Jahren brachten die drei Hardware-Hersteller Casio, HP und Compaq erstmals mobile Geräte mit Windows CE auf den Markt, der damals von Palm dominiert wurde. Seit 2000 hat sich einiges geändert, der Marktanteil von Palm ist deutlich geschrumpft. Das mobile Windows dagegen konnte seine Anteile ausbauen, inzwischen nutzen es 40 Hardware-Hersteller und 63 Mobilfunk-Provider.

Laut dieser Strategie gibt es vom neuen Windows Mobile 5.0 nur eine Version, die auf sämtlichen mobilen Geräten zum Einsatz kommt. Dadurch lassen sich einmal entwickelte Anwendungen leichter auf den verschiedenen Gerätetypen einsetzten, einer der größten Vorteile für Entwickler.

In diesem Artikel wollen wir Ihnen die größten Neuerungen des neuen mobilen Windows vorstellen. Dabei werfen wir einen Blick auf die Neuheiten für Anwender, Entwickler und Hersteller.

Neues für Anwender

Eine wichtige Neuerungen ist der dauerhafter Speicher, der endlich unterstützt wird. Damit bleiben Daten wie Kontakte, Anwendungen oder Registry-Einträge erhalten, selbst wenn der Akku leer ist. Und dies ohne dass vorher ein extra Backup erstellt werden musste. Eine weitere große Neuerung ist die erweiterte Messaging-Funktion, auf die wir im Kapitel "Direct Push - Direktangriff auf BlackBerry" genauer eingehen.

Start-Menü

Fünf Jahre lang war es ruhig um die mobilen Office-Anwendungen. Jetzt endlich werden viele vermisste Funktionen eingeführt. Beispielsweise bleiben laut Microsoft nun einmal erstellte Formatierungen beim Transfer komplett erhalten. Word Mobile unterstützt nun auch Tabellen, Listen und integrierte Grafiken. Durch eine neue Struktur wird die Namensgebung in Zukunft klarer. Sämtliche mobilen Anwendungen werden nun nach dem Schema "Anwendungsname" Mobile benannt, also beispielsweise Word Mobile oder Excel Mobile. Ganz neu hält nun PowerPoint Mobile Einzug.

Bei der Synchronisation mit dem Desktop kommt das neue ActiveSync 4.0 zum Einsatz. Dabei werden nicht nur Kontakte und Nachrichten übernommen, auch eventuell zugewiesene Kontaktfotos tauchen nun in Outlook 2003 mit auf. Weiter verbessert wurden der Partnerschafts-Assistent, der kabellose Abgleich über Bluetooth und die Synchronisation generell.

Multimedial

Wie auch bei den Desktop-Systemen üblich, wird Windows Mobile 5.0 mit dem Windows Media Player Mobile ausgeliefert, aktuell ist die Nummer 10. Dieser beherrscht die gängigsten Dateiformate, unter anderem Windows Media Audio, Windows Media Video und MP3 und kommt auch mit DRM -geschützten Dateien zurecht. Der Nutzer kann Media-Dateien, Playlisten und Liederberwertungen direkt vom Windows Media Player 10 auf dem PC synchronisieren und auf seinem mobilen Gerät abspielen.

Dank USB-2.0-Support laufen künftig auch größere Übertragung zügig ab. Windows Mobile 5.0 unterstützt zudem integrierte Festplatten, so dass der Nutzer mehrere GByte an Musik, Filmen, Fotos oder Informationen auf seinem Telefon oder PDA speichern kann.

Neues für Entwickler

Es gibt inzwischen mehrere tausend Programme auf den erschienenen mobilen Windows-Plattformen, dem Microsoft Rechnung tragen will. Für das neue Betriebssystem stellt der Redmonder Konzern daher eine Vielzahl an neuen APIs und Managed Codes zur Verfügung.

Die API s enthalten beispielsweise Camera Capture, mit dem sich die Kamerafunktionen auch in andere Anwendungen einbinden lassen. Weiterhin erhalten Entwickler Zugriff auf Messaging-APIs oder das Pocket Outlook Object Model (POOM).

Neue Grafik-APIs enthalten beispielsweise eine Unterstützung für hochauflösende Displays. Zusätzlich sorgen Schnittstellen zu Direct3d, DirectShow und Direct Draw dafür, dass sich auch grafikintensive Anwendungen auf den mobilen Geräten darstellen lassen.

Ein Herz für Bluetooth

Eine komplette Programmbibliothek wurde der Entwicklung rund um Bluetooth-Anwendungen gewidmet. Der nötige Code soll laut Microsoft damit nicht mehr viele hundert sondern nur noch wenige Zeilen in Anspruch nehmen. Damit soll es wesentlich einfacher werden, Bluetooth-basierte Netzwerkdienste in Programme einzubinden.

Für die Entwicklung der Anwendungen kommt das ein Software Development Kit (SDK) zum Einsatz, das Visual Studio 2005 nutzen wird. Das SDK und das Bluetooth Source Kit stehen im Rahmen der Microsoft Shared Source License kostenlos zum Download zur Verfügung. Zusätzlich erscheint ein neues .NET Compact Framework.

Neues für Netzbetrieber und Hersteller

Windows Mobile CE 5.0 unterstützt verschiedene kabellose Technologien wie UMTS, Wi-Fi oder 3G. Die Geräte können gleichzeitig per RAS/PPP radio interface mehrere Verbindungen für Daten- und Stimmübertragungen herstellen. Netzwerkoperatoren steht in Zukunft die Software pWatson auch für Tests der Funkübertragung zur Verfügung.

Mit dem neuen Betriebssystem sind nun auch WLAN-fähige Smartphones möglich. Dies ist besonders in der Hinsicht auf den wachsenden VoIP-Markt eine interessante Option.

Hersteller und Netzbetreiber erhalten zudem die Möglichkeit, das Aussehen des Betriebssystems an die eigenen Anforderungen anzupassen. So lassen sich beispielsweise eigene Softkeys oder Menüs einzubauen. Auch neue Dienste und Funktionen, wie beispielsweise Push-to-Talk, lassen sich integrieren.

Windows Mobile 5.0 wurde nach FIPS-140-2 zertifiziert, es erfüllt damit die Sicherheitsanforderungen der US-Regierung für IT-Produkte.

Neu: Direct Push - Direktangriff auf BlackBerry

Push-Dienste wie RIMs BlackBerry sind inzwischen ein fester Bestandteil des mobile Office-Bereichs. Die Dienste leiten eingehende E-Mails, Aufgaben, Termine und Kontakte automatisch auf die mobilen Endgeräte weiter. Ein Nachteil war, das im Unternehmenseinsatz bisher ein zusätzlicher Server für die Kommunikation notwendig war. Dies ändert sich mit dem Messaging & Security Feature Pack und dem Service Pack 2 für Microsoft Exchange Server 2003.

Windows Mobile nutzt die neuen Wireless-Features sowie die Direct-Push-Technik die das Service Pack 2 in Exchange einführt. Die Funktion Direct Push öffnet eine beständige HTTP-Verbindung zu dem Endgerät. Der Server überträgt eingehende Daten direkt über diesen Tunnel automatisch. Es handelt sich dabei um eine "reine" HTTP-Verbindung, die beispielsweise über das Mobilfunknetz aber ebenso an einem WLAN-Hotspot aufbauen lässt.

Outlook Mobile

Outlook-Daten, einschließlich E-Mail, Kalender, Kontakte und auch Aufgabenlisten werden über eine Direktverbindung zwischen Exchange Server 2003 und mobilem Gerät "gepusht", also ohne zusätzliche Anfrage des Benutzers übertragen. In Kombination mit der Office Mobile Suite lassen sich auch Word-, Excel- oder PowerPoint-Dateien sowie von Musik- und Videoanhänge ohne Größenbeschränkung als E-Mail-Anhänge übertragen.

Als weitere Funktion lässt sich die Global Address List (GAL) auf dem Exchange Server durchsuchen. Damit ist auch unterwegs der Zugriff auf sämtliche Kontaktdaten aller Kollegen möglich. Die Funktion ist in Programme wie der Telefonfunktion, dem Posteingang, dem Kalender und den persönlichen Kontakten integriert.

Neu: Zentral verwaltet

Mobile Geräte in die unternehmensweiten Sicherheitsrichtlinien einzugliedern ist eine Herausforderung für jeden Administrator. Werden Geräte gestohlen oder gehen sie verloren, stehen kritische Daten wie E-Mails, Kontakte oder Passwörter auf dem Spiel. Die meisten PDAs sind nur durch kurze Passwörter geschützt, die außerdem selten gewechselt werden.

Die neuen Sicherheits-Features von Windows Mobile 5.0 bauen auf den bekannten Funktionen des Exchange Server 2003 auf. PDAs und andere mobile Geräte lassen sich damit genauso verwalten wie es bei PCs und Servern bereits der Fall ist. IT-Administratoren können damit die Sicherheitsrichtlinien eines Unternehmens zentral steuern und durchsetzen.

Beispielsweise lässt sich jedem Gerät eine PIN oder ein Passwort zuweisen, für zusätzliche Sicherheit lassen sich Mindest-Zeichenlänge und eine Ablauffrist einstellen. Eine individuelle Festlegung der Richtlinien bei einzelnen Mitarbeitern ist ebenfalls möglich.

Eines der größten Horror-Szenarios ist, dass ein PDA im Taxi oder Flugzeug liegen bleibt und ein Unternehmensfremder das Passwort knackt. Im Anschluss hätte der Finder Zugang zu sämtlichen Informationen wie E-Mails oder Notizen auf dem Gerät. Windows Mobile 5.0 lässt sich so konfigurieren, dass alle auf einem Gerät befindlichen Daten over-the-air gelöscht werden können. Zusätzlich lässt sich eine automatische Löschung durchführen, zum Beispiel wenn dreimal ein falsches Passwort eingegeben wurde.

Zusätzlich neu ist die Unterstützung für eine Zertifikat-basierter Authentifizierung. Mit anerkannten Sicherheitsstandards hat der User Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk, ohne ein eigenes Passwort nutzen zu müssen. Damit müssen auf dem Gerät keine Firmenkennungen gespeichert werden.

Neu: Die Technologie hinter Direct Push

Wie bereits oben beschrieben setzt Direct Push auf eine HTTP-Verbindung. Dazu sendet das mobile Endgerät einen Ping zum eingetragenen Exchange Server. Der Server merkt sich das Gerät, solange bis die Dauer des Heartbeat-Eintrags abgelaufen ist. Müssen in dieser Zeit keine Daten übertragen werden, fordert der Server einen neuen Ping an und erneuert so den Heartbeat.

Sobald auf dem Server neue Dateien für das Gerät eintreffen, informiert Exchange 2003 das Endgerät. Dieses führt eine Sync-Anforderung aus und fordert damit die aktuellen Daten an. Sobald die Synchronisation abgeschlossen wurde, geht der Kreislauf von vorne los. Die HTTP-Verbindung lässt sich über jeden beliebigen Gateway aufbauen, ob WLAN-Hotspot, GPRS oder UMTS. So können auch Geräte ohne eigene SIM-Karte auf die Technik zugreifen. Für eine Verbindung über das Mobilfunknetz muss ein Provider, beispielsweise T-Mobile oder Vodafone, den Transport-Layer bereitstellen.

Die Daten bleiben während des gesamten Vorgangs auf der Server-Infrastruktur des Unternehmens. Dies ist der größte Unterschied zu RIMs BlackBerry, der die Daten über einen zentralen BlackBerry-Server sendet. Um eine Sicherheit und Integrität zu gewähren, ist der gesamte Vorgang via SSL verschlüsselt. Der komplette Datenverkehr wird zusätzlich komprimiert, um Datenvolumen zu sparen und die Bandbreite auszunutzen.

Alte Schwächen

Microsoft hat sich mit dem neuen Betriebssystem zwar Mühe gegeben, doch leider werden immer noch alte Fehler übernommen. Am ärgerlichsten ist dabei sicher, dass Anwendungen immer noch nicht komplett beendet werden. Sie laufen im Hintergrund weiter und verbrauchen kostbare Systemressourcen. Ein Taskmanager ist zwar weiterhin vorhanden, doch durch die tiefe Verschachtelung in den Menüs ist er nur umständlich erreichbar. Microsoft verlässt sich hier weiterhin auf die Angebote von Drittherstellern.

Der Internet Explorer wurde zwar verbessert und angepasst, unterstützt aber wie bisher nur ein Fenster. Eine komfortable Tabbed-Browsing-Funktion wurde nicht integriert. Ebenfalls fehlt ein verbesserter Datei-Browser, der beispielsweise Verzeichnisse auf dem Gerät und der Speicherkarte gleichzeitig darstellen kann. Besonders im Hinblick auf die Foto-, Musik-, und Video-Verwaltung wäre das hilfreich.

Eine Dateisicherung von MMS- oder SMS-Nachrichten oder ein Übertragen auf das Desktop-Outlook ist ebenfalls weiterhin nicht möglich. Auch hier setzt Microsoft auf Fremd- und Drittentwickler.

Update: Fazit

Microsoft hat mit dem neuen Windows Mobile CE 5.0 ein durchaus solides Betriebssystem für den mobilen Einsatz geschaffen. Positiv fallen die lange fällige Weiterentwicklungen der mobilen Office-Suite und der dauerhafte Speicher auf. Durch USB 2.0, die Unterstützung von Festplatten und die erweiterten Multimedia-Fähigkeiten mausern sich künftige PDAs durchaus zur Konkurrenz für andere mobile MP3- oder Videoplayer. Entwickler werden von den neuen APIs und Entwicklungsumgebung profitieren. Ebenso die Hardware-Hersteller und Netz-Provider, die durch Modifikationen und Branding die mobilen Geräte komplett an ihre Bedürfnisse anpassen können. Die Möglichkeiten von Wireless LAN und damit IP-basierter Datenübertragungen sind für VoIP eine interessante Option und ermöglichen eine leichte Integration in bestehende Netzwerkstrukturen.

Eine der Stärken des neuen Systems wird die Messaging-Technologie Direct Push. Gelten BlackBerrys und E-Mail-Push bislang als Quasi-Statussymbole, zieht die Technologie mit Windows Mobile 5.0 in jedes Endgerät ein.

Ebenso ist das neue Sicherheitskonzept ist, zumindest in der Theorie, überzeugend. Administratoren verwalten alle mobilen Geräte, PCs, Notebooks und Server zentral und haben dadurch einen deutlich besseren Überblick. Und wird ein Gerät verloren, lassen sich zumindest die Daten vor dem Zugriff von Unbefugten löschen.

Das Microsoft allerdings so stur daran festhält, geschlossene Anwendungen im Hintergrund weiterlaufen zu lassen ist unverständlich. Denn gerade auf mobilen Geräten sind Ressourcen notorisch knapp.

Als eines der ersten Geräte mit Windows Mobile CE 5.0 hat T-Mobile den MDA IV angekündigt, den Start dann aber in den Sommer 2005 verschoben (tecCHANNEL berichtete). Spätestens dann kann sich jeder sein eigenes Bild vom neuen mobilen Betriebssystem machen. (mja)