Windows Mobile 2003

23.06.2003 von JÜRGEN MAUERER 
Microsoft hat sein neues PDA-Betriebssystem Windows Mobile 2003 alias Pocket PC 2003 vorgestellt. Äußerlich unterscheidet sich das OS kaum von seinem Vorgänger, doch unter der Haube gibt es wesentliche Neuerungen - vor allem beim Kernel und bei den Wireless-Funktionen.

Knapp zwei Jahre verrichtete Pocket PC 2002 seine Dienste, jetzt folgt Windows Mobile 2003 für Pocket PCs (Codename: Ozone). Trotz der langen Vorlaufzeit wurde es unmittelbar vor dem offiziellen Starttermin noch hektisch, denn Microsoft entschied sich kurzfristig gegen den ursprünglich vorgesehenen Namen Pocket PC 2003.

Microsoft hat sich mit seinem neuen PDA-Betriebssystem Windows Mobile 2003 viel vorgenommen. Kernpunkte sind verbesserte Wireless- und Messaging-Funktionen, erweiterte Multimedia-Fähigkeiten sowie die Integration der PDAs in das allumfassende .NET-Konzept. Und natürlich geht es auch darum, der noch dominierenden Palm-OS-Fraktion weitere Marktanteile abzujagen.

Die Voraussetzungen jedenfalls scheinen zu stimmen: Mittlerweile kann Microsoft 35 Hardwarepartner für sein PDA-OS vorweisen. Unter anderem werden HP, Toshiba und Dell in den kommenden Tagen neue Geräte mit Windows Mobile 2003 vorstellen; mit JVC und Gateway sitzen neue OEM-Partner im Boot. Gleichzeitig gibt es Upgrade-Pakete für die aktuellen Modelle.

Eine wichtige Neuerung gleich vorweg: Mit Windows Mobile 2003 sollen Intels XScale-CPUs ihre volle Leistung entfalten können. Wie berichtet, war das bisherige Pocket PC 2002 nicht für den mit bis zu 400 MHz getakteten PDA-Prozessor und dessen ARM5-Kern optimiert. Damit schöpften die XScale-PDAs angeblich nur etwa 70 Prozent des Potenzials der CPU aus.

Rein äußerlich gesehen hat sich beim Übergang von Pocket PC 2002 auf Windows Mobile 2003 nicht viel verändert: Oberfläche und Zahl der Applikation sind quasi gleichgeblieben. Doch im "Inneren" des Systems hat sich einiges getan. Wir zeigen, was das neue PDA-OS bietet.

Basis: Windows CE.NET 4.2

Windows Mobile 2003 basiert auf dem Kernel von Windows CE.NET 4.2. Das Vorgänger-OS beruhte noch auf dem Kern von Windows CE 3.0. Zentraler Baustein im modularen Windows CE.NET ist das .NET Compact Framework, eine abgespeckte Variante des .NET.Frameworks speziell für mobile Geräte.

Die Entwicklungsplattform enthält Klassenbibliotheken und Funktionen, die sich für PDAs, Smartphones oder auch Settop-Boxen anpassen lassen. Das heißt: Wegen des modularen Aufbaus von Windows CE.NET lässt sich das Betriebssystem differenzieren und für beliebige Hardware-Designs anpassen. So sind verschiedene Bildschirmgrößen möglich, auch Low-Cost NAND-Speicher wird unterstützt. Ebenso sind jetzt auch Pocket PCs mit integrierter Tastatur möglich.

Windows Mobile 2003 enthält also die für PDAs ausgewählten Komponenten von Windows CE.NET 4.2, ergänzt durch speziellen nativen Code. Über den Platform Builder wird das OS samt .NET Compact Framework direkt in das Image des Geräts eingefügt; die Entwicklungsplattform ist also bereits im ROM der neuen Windows Mobile 2003-Geräte installiert und muss nicht nachträglich installiert werden. Dies kommt Entwicklern natürlich sehr entgegen und dürfte für eine schnelle Verbreitung von .NET-Anwendungen auf den PDAs sorgen. Entwicklungsplattform ist Visual Studio .NET 2003.

Über das .NET Compact Framework ist es möglich, XML-Webdienste und so genannten Managed Code auf dem Pocket PC zu nutzen. Hier läuft die Ausführung des Codes kontrolliert samt Berechtigungskonzept ab, da die .NET-Laufzeitumgebung Common Language Runtime zwischengeschaltet ist. Für höhere Sicherheit gegen Viren oder andere Schädlinge wäre also gesorgt. "Alte" Win32-Anwendungen hingegen sind Unmanaged Code, da sie ohne "Kontrollstation" direkt auf der Hardware-Plattform ablaufen.

Oberfläche und "klassische Funktionen"

Die Oberfläche hat sich im Vergleich zum Vorgänger Pocket PC 2002 nicht verändert. Wie gehabt können Nutzer die Display-Anzeige ähnlich wie beim Luna-Konzept von XP mit Skins individuell anpassen. Auch die Zahl der Applikationen hat sich kaum verändert. Außer ein paar Spielen (u.a. Jawbreaker) und einem Bildbetrachter mit rudimentären Bildbearbeitungsfunktionen ist alles beim Alten geblieben.

Auch bei den Office-Programmen Pocket Word und Excel sind keine nennenswerten Funktionen hinzugekommen. Wie gewohnt, konvertiert ActiveSync die Texte oder Tabellen der Desktop-Versionen automatisch in das PDA-Format. Im Gegensatz zu Pocket PC 2002 bleiben die Formatierungen dabei laut Microsoft erhalten. Hier kamen Excel-Tabellen nicht immer geordnet auf dem PDA an, Pocket Word stellte hoch- oder tiefgestellte Zeichen des Original-Dokuments nicht dar.

Active Sync lässt sich jetzt auch auf dem PDA konfigurieren. Dabei kann der Nutzer etwa die Frequenz des Datenabgleichs einstellen und dabei Zeitpunkte ausschließen, in denen der Unternehmensserver häufig frequentiert wird. Auf diese Weise sind Engpässe bei der Verbindung zu vermeiden.

Bei den PIM-Funktionen hat Microsoft etwas nachgebessert und die Bedienung verbessert. Adressen können jetzt nicht nur nach Firmennamen, sondern auch nach Abteilungen innerhalb der Firmen sortiert werden. Auch die Suche innerhalb der Kontakte ist optimiert und durch die SmartKey-Funktion erleichtert. Gibt man zwei Buchstaben ein, erscheinen in einem Pop-Up-Fenster alle Namen, die mit diesen Buchstaben beginnen. Zum besseren Management der Termine sind Wochenend-Verabredungen im Kalender jetzt farbig markiert. Neu bei der Eingabe von Daten ist die AutoKorrektur-Funktion.

Drahtlos und sicher

Eine bedeutende Neuerung von Windows Mobile 2003 sind die verbesserten Wireless-Funktionen. So hat Microsoft sein PDA-Betriebssystem für Bluetooth und den WLAN-Standard 802.11b optimiert. Das OS erkennt bestehende Wi-Fi-Netzwerke automatisch und meldet dies dem Benutzer. Stimmt er der Verbindung zu, wählt sich der PDA in das WLAN ein und speichert die Verbindungsdaten.

Sehr übersichtlich ist der neue Connection Manager zur Konfiguration von Internetverbindungen über einen Provider beziehungsweise über das Firmennetzwerk. Hier kann man auch eine VPN-Verbindung einrichten sowie den PDA mit einem Bluetooth-fähigen Gerät verbinden.

Über das Konfigurationsmenü lassen sich auch die Sicherheits-Optionen für die Wireless-Verbindung einstellen. Hier hat der Benutzer beim Einrichten eines VPN-Clients unter anderem die Wahl zwischen IPSec und PPTP. Für erhöhte Sicherheit sorgt ferner der integrierte 802.1x-Support sowie die Option auf SSL-verschlüsselte SMTP- und IMAP-Mails. Wie schon bei Pocket PC 2002 ist der Zugriff auf das Unternehmensnetz auch durch siebenstellige alphanumerische Passwörter und vierstellige PINs geschützt. Gut: Der Administrator kann die im Unternehmen eingesetzten PDAs jetzt auch über WAP Push, CAB oder xmlAPI kontrollieren und konfigurieren.

Auch Nutzer der Windows Mobile 2003 Phone Edition, die wohl Ende Juli 2003 auf den Markt kommen wird, dürfen mit einigen Verbesserungen rechnen. Das Smartphone-OS unterstützt GPRS, MMS, Anrufweiterleitung und Vibrationsalarm. Spezielle Symbole weisen auf eingegangene SMS-Nachrichten hin oder erlauben es, GPRS direkt zu starten. SMS lassen sich jetzt auch direkt aus den Kontakten versenden sowie direkt beantworten. Außerdem unterstützt die Phone Edition nun auch Klingeltöne im WAV-, MIDI- und WMA-Format.

Internet und Multimedia

Nachgebessert hat Microsoft beim Pocket Internet Explorer. Die aktualisierte Version 6.0 baut Seiten schneller auf und unterstützt die wichtigsten aktuellen Standards: HTML 4.0, XHTML, Cascading Style Sheets, WAP 2.0 (auch WAP 1.2.1 und XHTML), Jscript v.5.5, WTLS und IPv6.

Mit Pictures hat Microsoft jetzt erstmals eine eigene Bildbetrachtungs-Software in sein PDA-Betriebssystem integriert. Das Programm besitzt rudimentäre Bildbearbeitungsfunktionen wie Kontrast oder Helligkeit, versendet Bilder per E-Mail oder richtet Bilder als Hintergrund für das Display ein.

Über die neue Version 9 des Windows Media Players ist es möglich, die einzelnen Fotos zu einem Film beziehungsweise einer mit Musik oder Kommentaren unterlegten Diaschau zu verknüpfen. Im Vergleich zum Vorgänger soll der neue Media Player schneller in Musik- und Video-Bibliotheken suchen, die Audio-Qualität um bis zu 20 Prozent (Surround Sound via Stream möglich) sowie die Video-Qualität zwischen 15 und 50 Prozent verbessern. Ein Problem bleibt aber weiterhin bestehen: Die kleinen Displays der Pocket PCs und deren Sound-Eigenschaften machen nur bedingt Freude.

Spiele jedoch dürften mit Windows Mobile 2003 künftig mehr Spaß machen, da das Betriebssystem das Potenzial der XScale-CPU besser ausnutzt - im Gegensatz zum Vorgänger. Daher dürften die PDA-Versionen von Klassikern wie Sim City, Age of Empires oder Tomb Raider auf dem Minirechner deutlich flüssiger ablaufen als bislang. Zur besseren Unterhaltung hat Microsoft Windows Mobile 2003 auch mit dem Spiel Jawbreaker ausgestattet.

Powermanagement und Upgrade

Ein wichtiges Kriterium beim Kauf von PDAs ist die Akkulaufzeit. Intels XScale-CPU etwa erhöht diese durch die Turbo-Mode-Technik, indem sie die Leistung und Spannung entsprechend der momentanen Anforderungen flexibel nach unten oder oben anpasst. Windows Mobile 2003 bringt eine neue Stromspar-Funktion mit: So ist es jetzt möglich, das Display der Pocket PCs auszuschalten, wenn man eine SMS empfängt oder einen MP3-Song anhört.

Die Hersteller können daher künftig Geräte mit längerer Akkulaufzeit anbieten. Unseren Informationen zufolge plant HP drei iPaq-Produktfamilien auf Basis von Windows Mobile 2003, Toshiba bringt den e750BT mit integriertem Bluetooth und Windows Mobile 2003, Yakumo den PDA Delta 400, Dell und Fujitsu-Siemens (Pocket LOOX 600) wollen im Laufe dieses Jahres ebenso neue Geräte mit dem PDA-OS auf den Markt bringen. T-Mobile und O2 wollen Smartphones mit der Windows Mobile 2003 Phone Edition anbieten; einen konkreten Termin nannten die beiden Unternehmen gegenüber tecCHANNEL allerdings nicht.

Wer Windows Mobile 2003 nutzen will, muss sich nicht unbedingt ein neues Gerät kaufen. HP, Toshiba, Dell & Co. werden für nahezu alle aktuellen Modelle Upgrade-Pakete anbieten. Für das Paket sind nur die Versandkosten zu zahlen. Laut Microsoft ist das Update für den Benutzer ganz einfach: CD einlegen, der Rest erfolgt automatisch. Der Haken: Hat der Nutzer das Gerät 30 Tage vor der Einführung des neuen PDA-OS erworben (also vor dem 23. Mai 2003), muss er eine Gebühr entrichten. Nähere Informationen zu den Bedingungen des Upgrades finden sie hier.

Fazit

Microsoft hat Windows Mobile 2003 mit sinnvollen, teils überfälligen Neuerungen versehen: Das PDA-Betriebssystem schöpft jetzt laut Microsoft das Potenzial der XScale-CPU voll aus, die Wireless-Verbindungen sind optimiert (WLAN, Bluetooth und GPRS), die Sicherheit beim Zugriff auf Unternehmensdaten wurde erhöht.

Der Privat-Anwender kann sich über vereinfachte Konfigurationsmenüs und kleine Erweiterungen bei den PIM-Funktionen freuen, die neuen Versionen Pocket Internet Explorer 6.0 sowie Windows Media Player 9 nutzen und seine Fotos mit einem vorinstallierten Bildbetrachter auf dem PDA verwalten.

Den größten Fortschritt aber dürfte Windows Mobile 2003 für Entwickler darstellen. Grund: Das Betriebssystem basiert auf dem Kernel von Windows CE.NET 4.2, das mit dem .NET Compact Framework viele Möglichkeiten beim Programmieren bietet. Daher ist mit einer schnellen Verbreitung von .NET-Programmen auf PDAs zu rechnen.

Damit könnte Microsoft auch hier Boden zu Palm OS gut machen. Für dieses Betriebssystem gibt es weit mehr Anwendungen als für die Pocket PCs. Andererseits aber hat Palm bei der PDA-Hardware seinen bisherigen Rückstand aufgeholt. Mit dem Tungsten C hat Palm seit kurzem einen starken PDA mit XScale-CPU (400 MHz) und integriertem WLAN auf dem Markt, der die Messlatte für die neuen PDAs mit Windows Mobile 2003 sehr hoch legt.